Raus aus der fossilen Energie – ein Vorhaben, das die EU auch mit Anlegergeld steuern will.

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Im Kampf gegen den Klimawandel ringt die EU bereits seit Jahren um einheitliche Leitlinien, die vorgeben sollen, welche Geldanlagen künftig als klimafreundlich gelten und welche nicht. Festgelegt wird das in der sogenannten Taxonomie. Diese soll helfen, der EU den Weg zur Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu ebnen.

ESG ist dabei das Stichwort. Leitlinien sollen für alle drei Bereiche – Environment, Social und Governance – erarbeitet werden. Aktuell stehen die Vorgaben für den Umweltbereich, und diese sind höchst umstritten. So wurden auch Atomkraft und Erdgas als nachhaltig eingestuft. Damit gelten Investments in diese Technologien oder Energieformen fortan als grün. Zuletzt wurde auch darüber debattiert, Waffen als nachhaltig einzustufen, weil der Krieg in der Ukraine das Bedrohungsszenario verändert hat und mit der Verteidigung des eigenen Landes argumentiert wird.

Legt man die bisher definierten Kriterien auf Europas Unternehmen um, "gelten 97 Prozent als derzeit nicht taxonomiekonform", sagt Josef Obergantschnig, Präsident vom Wirtschaftsethikklub Ethico und Gründer von Ecobono, einem Anbieter von Schulungsprogrammen für nachhaltiges Investieren. "Für Produktanbieter ist das kein leichtes Umfeld, wenn nur rund drei Prozent der EU-Unternehmen investierbar sind", sagt Obergantschnig. Eine breite Diversifikation sei in jenen Finanzprodukten, die zu hundert Prozent taxonomiekonform sein wollen, damit schlicht nicht möglich. In Summe werde das zu mehr Themenfonds führen, glaubt Obergantschnig – zulasten der Streuung.

Vorgaben und Erfüllung

Dieser Umstand werde auch für alle Bankberater, die ab August bei Beratungsgesprächen die Nachhaltigkeitspräferenz ihrer Kunden abfragen müssen, Schwierigkeiten bringen. Denn so richtig nachhaltig, ausschließlich grün und der Taxonomie entsprechend könnten Produkte schon allein aufgrund des Umstands nicht sein, dass die anderen beiden Bereiche (Soziales, Governance) noch nicht geregelt sind.

Sechs große Vorgaben müssen für die Taxonomiekonformität erfüllt werden – darunter fallen alle Anpassungen an den Klimawandel, Klimaschutzmaßnahmen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft oder nachhaltige Nutzung von Wasser. "Erreicht man ein Ziel und verstößt nicht gegen die anderen, gilt man aktuell bereits als taxonomiekonform", kritisiert Obergantschnig. Für den Experten greift das zu kurz.

Auch für Ratingagenturen ist die Einstufung der Unternehmen nicht einfacher geworden. Zumal die Taxonomie lediglich Definitionen festlegt und keine Standards vorgibt. Daran müsse man sich laut Obergantschnig nicht halten – nicht dagegen zu verstoßen reiche schon. Eine große Transformation hin zu einer wirklich nachhaltigen, grünen Wirtschaft sieht der Experte damit noch nicht auf den Weg gebracht.

Josef Obergantschnig: "97 Prozent der EU-Unternehmen gelten derzeit nicht als taxonomiekonform."
Foto: Ecobono

Doch es wird noch komplizierter: Für Anbieter von Fonds etwa wird es wichtig sein zu wissen, ob man einen Artikel-8- oder Artikel-9-Fonds anbieten kann. Unter Artikel 8 fallen jene Unternehmen, die zumindest ein Nachhaltigkeitskriterium im Fonds berücksichtigen. Jene, die unter Artikel 9 fallen wollen, müssen hingegen genauere Kriterien erfüllen. "Damit kann jedes Unternehmen selbst wählen, in welche Kategorie es fällt", sagt Obergantschnig. "Über die Nachhaltigkeitsgüte sagt das nicht viel aus", kritisiert der Finanzexperte. Kaum ein Privatkunde werde den Unterschied erkennen – dennoch könnte es für Anleger gut aussehen, wenn ein Produkt einen EU-Artikel erfüllt – auch wenn nur ein Kriterium damit abgedeckt wird. Privatanlegern rät Obergantschnig daher, auf Gütesiegel zu achten. Das österreichische Umweltzeichen etwa gilt als streng bei der Klassifizierung. Dennoch sei bei diesen Produkten ein breiteres Spektrum für Anleger möglich.

Bisher konnte eben jede Kapitalanlagegesellschaft die Strenge der Nachhaltigkeitskriterien für sich selbst bestimmen. Mit der Taxonomie werden hier klare Vorgaben geschaffen. "Aber macht diese Klassifizierung Sinn, wenn aktuell kaum ein Unternehmen darunterfällt", fasst Obergantschnig die Schwächen der Taxonomie zusammen.

Je nach Blickwinkel

Unter dem Strich kann Obergantschnig dem Vorhaben der EU-Kommission, Investments in eine gewisse Richtung zu steuern, dennoch durchaus einiges abgewinnen. Im Moment würden die Vorgaben eben aber über das Ziel hinaus schießen.

Nachhaltige Veranlagungen boomen auch in Österreich. Die Einschätzung, wo Österreich bei dieser Entwicklung steht, "hängt aber davon ab, mit welcher Brille wir auf die Nachhaltigkeit schauen", sagte zuletzt auch FMA-Vorstand Eduard Müller. Von 230 Milliarden Euro an Fondsvolumen fielen Ende 2021 nur zwölf Prozent unter das österreichische "Umweltzeichen 49", aber 30 Prozent unter die EU-Offenlegungsverordnung. Auch die FMA weist darauf hin, dass von den 70 Milliarden an Fondsvermögen, die nach EU-Bestimmungen als grün gelten, nur 5,1 Mrd. "dunkelgrün" (Artikel 9) seien und der überwältigende Rest "hellgrün" (Artikel 8). Bei dunkelgrünen Fonds wird eine nachhaltige Investition aktiv angestrebt, bei hellgrünen werden nur Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. (Bettina Pfluger, 3.7.2022)