"House of the Dragon" sorgte bei der Premiere in den USA für Überlastung in der HBO-App, zu viele Fans wollten gleichzeitig auf die erste Folge zugreifen. Die Erwartungen waren hoch, DER STANDARD hat sich die erste Folge angesehen. Einer Meinung sind wir aber nicht – die Spiele in Westeros sind eröffnet! Ein Wort aber noch davor: In den folgenden Kommentaren könnten sich vereinzelte Spoiler befinden.

Keinen Kampf mit Morgenstern und Schild, sondern ein verbales Pro & Contra liefern wir uns nach der Premiere von "House of the Dragon".
Foto: Sky/HBO

+++ Pro

Von Astrid Wenz

Die Drachen sind wieder da! Zumindest einer wurde in der Auftaktfolge gesichtet, das Highlight waren aber ihre Besitzer. Die Serie dreht sich vor allem um die Familie Targaryen, das macht es auch für legere Zuschauerinnen einfacher, der Handlung zu folgen. Für "Thrones"-Ultras gibt es hingegen dutzende kleine Andeutungen: der Dolch aus valyrischem Stahl, mit dem Arya in ein paar Jahrzehnten den Night King umbringen wird! Prinzessin Nymeria! Man merkt, hier wissen die Showrunner über die Materie Bescheid.

Auch die Darstellerinnen spielen mit genügend Dramatik, besonders Matt Smith hat sichtbar Freude daran, den fiesen Daemon zu spielen. Wie er da selbstgerecht auf dem Eisernen Thron hockt und vor sich hin grinst – was für ein erster Auftritt! Während von Daemon eher eine Eskalation des Bösen zu erwarten ist, hat Rhaenyra für mich am meisten Potenzial für eine spannende Charakterentwicklung. Die Prinzessin, die eigentlich nur "Drachen reiten und Kuchen essen" möchte, wird plötzlich zur Thronfolgerin. Unerwartete Helden sind immer die besten.

König Viserys hatte ich schon abgeschrieben und nach spätestens einer halben Folge als ersten Toten der Serie gesehen, der Mann zeigt aber Überlebenswillen. Hoffen wir, er findet ein Sitzkissen für den scharfkantigen Thron. Oder eine Tetanusspritze.

Ja, hier wird nach einem Patentrezept gearbeitet: Intrigen, Drachen, Gewalt, Sex. Es wirkt für mich aber weniger gestellt als in "Game of Thrones". Brutale Szenen sollen zeigen, wozu einzelne Charaktere fähig sind. Nackte Frauen werden nicht minutenlang in Nahaufnahme gezeigt, sondern sind subtiler im Hintergrund zu sehen. Laut ersten Berichten wird auch sexueller Gewalt viel weniger Erzählraum gegeben als in "Game of Thrones".

Drachen ja, selbstbestimmte Sexualität für Frauen nein? Die Handlung spielt vielleicht 200 Jahre vor "Game of Thrones", dieses Westeros ist in vielen Punkten aber moderner als noch 2011.

+++ Contra

Von Doris Priesching

Es war alles da: die Drachen, die Verschwörung, die Intrigen. Es gab Schlachten, aufmarschierende Rittergarden, die sich mit Kriegsgebrüll auf die eiserne Brust schlugen, ein eiserner Thron, ein Name für ein Schwert ("dunkle Schwester"), eine unglaublich heftig inszenierte Kindsgeburt, Sex mit zweien, Sex mit vielen, der prophetische Traum als zwingende Überleitung zu dem, was in gut 200 Jahren noch kommt und alle kennen. Und natürlich war auch Platz für romantische Ideen hinter herbstlich gerötetem Blattlaub.

"House of the Dragon" überließ in der ersten Folge nichts dem Zufall und ließ erkennen, wie es weitergeht: Irgendwann bald wird einer der Hauptcharaktere sterben müssen, man kennt das.

Die Dramaturgie funktioniert wie ein Uhrwerk. Ein vorgefertigter Ablauf, hier muss sich in der Storyentwicklung noch einiges mehr tun als bisher angedeutet. Die Leinen wurden gelegt – Platz für Machtkämpfe sind vorhanden. Das Riesenuniversum mit parallelen Handlungssträngen, das sich in "Game of Thrones" bereits nach der ersten Folge abzeichnete – zwei kinderreiche Familien in mehreren verschiedenen Welten und was danach folgte –, ist hier weit und breit nicht zu sehen.

Gänzlich fertiggemacht hat mich allerdings die Gaming-Ästhetik von "House of the Dragon". Dass sich hier echte Menschen durchwegs in sichtbar unechten, weichgezeichneten Sets bewegen, macht die Sache handwerklich beeindruckend, aber künstlich und für mich schwer konsumierbar.

Als großes Plus hervorzuheben sind die Schauspieler, von denen man gern mehr sehen möchte – allen voran Matt Smith, ein wahrhaft teuflischer weißer Dämon. Ich sage ihm noch eine große Zukunft voraus! Was sich einmal mehr bestätigt: Auch die ausgefuchsteste Computertechnologie macht noch keine gute Serie, wenn die Story (noch) nicht stimmt. Dieser Drache hat noch viel Luft nach oben. (23.8.2022)

Video von der Premierenfeier: Das Prequel zur Kultserie "Game of Thrones" handelt von der Vorgeschichte der Targaryen-Familie. Es ist am 22. August auf Sky Atlantic gestartet.
DER STANDARD