Wladimir Putin mit bekannten Tönen beim Östlichen Wirtschaftsforum in Wladiwostok.

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Im Stakkato schießt der russische Präsident Wladimir Putin die Sätze gegen "den Westen" und die "alte Weltordnung" hinaus. Bei seiner Rede im Rahmen des Östlichen Wirtschaftsforums in Wladiwostok nennt der Staatschef die westlichen Sanktionen gegen sein Land, das seit mehr als einem halben Jahr einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt, eine "Bedrohung für die ganze Welt". In der Logik Putins seien die Nahrungsmittelkrise und die steigenden Preise ein Symptom des "Sanktionsfiebers" der westlichen Staatengemeinschaft.

Es sei nämlich der Westen, der aggressiv versuche, "anderen Ländern ein Verhaltensmodell aufzuzwingen, sie ihrer Souveränität zu berauben und dem eigenen Willen zu unterwerfen". Der russische Überfall auf die Ukraine – der in Moskau zynischerweise als militärische Spezialoperation bezeichnet wird – würde zum Schutz Russlands erfolgen. Durch den Krieg "haben wir nichts verloren und werden nichts verlieren", sagte Putin.

Die Ukraine ist laut dem Kreml-Chef erst der Anfang. Würden es die USA wagen, sich in russische Angelegenheiten einzumischen, würden sie scheitern, sagte er.

Getreidedeal

Bei der Veranstaltung, zu der auch Myanmars Militärchef Min Aung Hlaing und Armeniens Premierminister Nikol Paschinjan erschienen sind, forderte Putin zudem neue Exportrouten für das Getreide aus den ukrainischen Schwarzmeerhäfen. Er wolle mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan darüber sprechen, da sie beide sich den Getreidedeal überlegt hätten.

Laut dem Kreml-Chef würden nämlich die meisten Getreidelieferungen nicht an bedürftige Länder gehen, sondern direkt in die Europäische Union. Laut den Vereinten Nationen und dem gemeinsamen Koordinationszentrum in Istanbul, das die Schiffe kontrolliert, ist diese Aussage falsch. Wie die Routen umgeleitet werden sollen, lässt Putin offen.

Ukraine überrascht

Mychajlo Podoljak, Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sprach von einer "unerwarteten und haltlosen" Aussage. Damit wolle Putin nur den Druck auf die Vereinten Nationen erhöhen. "Natürlich gibt es keinen objektiven Grund, dass der Weizendeal überarbeitet wird, nicht einmal ansatzweise", sagte Podoljak: "Der Deal wird unserer Meinung und der Meinung der Vermittler nach streng überwacht."

Im Anschluss an seine Rede nahm Putin an einer Podiumsdiskussion teil und wiederholte die Vorwürfe, dass es die Schuld des Westens sei, dass der Gasfluss durch Nord Stream 1 gedrosselt wurde. Die letzte Turbine sei nun auch kaputt geworden, und die Sanktionen würden verhindern, dass Russland die Turbinen im Ausland reparieren lässt und anschließend wieder zurückbekommt. Man werde den Gasfluss durch Nord Stream 1 wieder ermöglichen, wenn die Turbine zurückgeschickt werde.

Ursula von der Leyen gab am Mittwoch bekannt, dass die EU-Kommission aufgrund der explodierenden Gaspreise Preisdeckel für russisches Gas umsetzen wolle. Die Pläne der Europäischen Union nennt Putin "dumm". Sollten sie umgesetzt werden, würde Russland auch von seinen vertraglichen Verpflichtungen zurücktreten. Das bedeutet, dass es kein russisches Gas oder Öl mehr für die EU gäbe.

Treffen mit Xi

Putin kündigte zudem an, dass China den russischen Energieriesen Gazprom künftig in einer der nationalen Währungen bezahlen werde – basierend auf einer 50:50-Teilung zwischen russischem Rubel und chinesischem Yuan. Der russische Präsident wird kommende Woche den chinesischen Staatschef Xi Jinping in Usbekistan treffen. Am Mittwoch gab Putin zudem bekannt, dass sich der staatliche Öl-Riese Rosneft mit der Mongolei darauf geeinigt habe, eine Ölpipeline durch das Staatsgebiet nach China zu bauen.

Auch den am Dienstag veröffentlichten Bericht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA kommentierte der Kreml-Chef. Er vertraue auf die Aussagen der Fachleute, bedauere aber, dass nicht die Ukraine als Urheber für den Beschuss des Atomkraftwerks Saporischschja genannt wird. Moskau und Kiew machen jeweils den anderen dafür verantwortlich.

Putin leugnet, dass sich militärisches Gerät auf dem Kraftwerksgelände befindet. Die russische Nationalgarde sei nur zu Sicherheitszwecken vor Ort. Er selbst habe aber den Chef der Atomenergiebehörde Rosatom gebeten, weitere Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Die IAEA fordert wie die Ukraine und andere westliche Staaten eine entmilitarisierte Zone rund um das Kraftwerk.

Neuer Terminvorschlag für Referenden

Wenn es nach dem Generalsekretär der russischen Regierungspartei Vereinigtes Russland, Andrei Turtschak, geht, sollen am 4. November Referenden über den Beitritt der von Russland besetzten Gebiete im Donbass stattfinden. Zuvor war unter anderem der 11. September als möglicher Termin gehandelt worden, da an diesem Tag Wahlen zur Moskauer Stadtduma sowie die russischen Regionalwahlen stattfinden. Zuletzt wurde ein bereits geplantes Referendum in der Region Cherson aber wegen der ukrainischen Gegenoffensive, die in der letzten Woche begonnen hat, verschoben.

Am 4. November wird in Russland der Tag der Einheit des Volkes gefeiert. Die staatliche Nachrichtenagentur Ria Nowosti zitiert Turtschak, er sehe darin ein "historisches Datum, das alle Menschen in der russischen Welt vereint". Erst Anfang der Woche hatte Präsident Putin die expansionistische Doktrin der "russischen Welt" zum Prinzip der Außenpolitik der Russischen Föderation erklärt. (bbl, 7.9.2022)