Sterne entstehen, wenn dichte, interstellare Gaswolken kollabieren. Ist die Materie dicht genug gepackt, fusioniert der Wasserstoff im Kern zu Helium: der junge Stern "zündet".

Illustr.: ESO/L.Calada

Wenn es ums Erwachsenwerden geht, verhält es sich bei Sternen ähnlich wie beim Menschen: Die "Kindheit" eines Sterns prägt im Wesentlichen seine spätere Entwicklung. In den klassischen Modellen zur Sternentwicklung waren bisher der frühen Phase wenig Bedeutung zugemessen worden. Kürzlich zeigten Innsbrucker Astrophysiker im Fachjournal "Nature Communications", wie sie die chaotische Phase der frühen Sternentstehung nachbilden können, um anschließend deren spezifische Schwingungen vorherzusagen. Aus solchen Schwingungen können sie viel Information über das Innere der Sterne herauslesen.

Vor dem Zünden der Wasserstofffusion

Sterne entstehen, wenn dichte, kalte, interstellare Gaswolken, die zum Großteil aus Wasserstoff bestehen, aufgrund ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren und zunächst einen sogenannten Protostern formen. Dieser ist von Molekülwolken umgeben, die mit der Zeit eine Scheibe formen, aus der laufend Gas Richtung Stern strömt. Irgendwann ist die Materie dann so dicht gepackt und so heiß, dass im Kern Wasserstoff zu Helium fusioniert – sie "zünden". Bis zu diesem Zeitpunkt reicht die "Kindheit" eines Sterns, der in dieser Phase noch zur "Vorhauptreihe" gezählt wird. Erst nach dem Zünden zählt er als erwachsen und rückt auf die sogenannte Hauptreihe.

Eine der wenigen Möglichkeiten, um mehr über die Entstehung, die Struktur oder das Alter von Sternen zu erfahren, ist das Beobachten ihrer Schwingungen. "Vergleichbar mit der Erforschung des Erdinneren mithilfe der Seismologie können wir aus den Schwingungen von Sternen ebenso Aussagen über ihren inneren Aufbau und damit auch über ihr Alter treffen", erklärte Konstanze Zwintz vom Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck. Weltraumteleskope wie TESS, Kepler und James Webb haben die Möglichkeiten zur präzisen Beobachtung dieser Schwingungen in den vergangenen Jahren deutlich verbessert.

Theorien auf dem Prüfstand

Damit stehen aber auch die jahrzehntelang gängigen Theorien zur Entwicklung von Sternen auf dem Prüfstein. Weil in den theoretischen Modellen der Prozess der Sternentstehung besonders komplex und schwer abzubilden ist, "hat das klassische Modell eine einfache Annahme gemacht, die lange gut funktioniert hat", erklärte Zwintz. Dabei wurde die frühe Phase kaum beachtet, da diese sehr turbulent und schwer zu modellieren ist.

Thomas Steindl, Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe von Zwintz und Erstautor der Studie, hat in monatelanger Arbeit das Open-Source-Sternentwicklungsprogramm MESA erweitert, und nun ein Modell vorgelegt, mit dem die Phase vor dem Erwachsenwerden der Sterne realistisch abgebildet werden kann, um anschließend deren spezifische Schwingungen vorherzusagen.

Geburt hat Einfluss auf Schwingungsverhalten

Zeigte sich im klassischen Modell eine einfache glatte Kurve der Entwicklung von Oberflächentemperatur und Leuchtkraft, bildet das Modell der Innsbrucker Astrophysiker den sehr chaotischen Verlauf in den frühen Entwicklungsphasen von Sternen ab.

Die Wissenschafterinnen und Wissenschafter zeigten damit, dass die Art und Weise der Entstehung eines Sterns auch Auswirkungen auf sein Schwingungsverhalten nach dem Zünden hat. "Vergleichbar mit einem Musikinstrument führen schon feinste Unterschiede im Zusammenbau zu signifikanten Änderungen im Ton", so Steindl. Bisher sei man in den klassischen Theorien davon ausgegangen, dass die Zeit vor dem Zünden irrelevant ist. (red, APA, 20.10.2022)