Illegale Drogen wie MDMA, dem Wirkstoff von Ecstasy, könnten Paartherapien unterstützen.

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Vor drei Jahren nahmen Paul und seine Freundin zum ersten Mal MDMA, eine Form der illegalen Droge Ecstasy. Sie waren auf einem Psytrance-Festival, die Nacht war sommerlich warm. Jeder spülte eine Pille mit einem Schluck Wasser herunter, dann warteten sie. Paul spürte die Partydroge zuerst im Magen, dann fingen Arme und Beine an zu kribbeln. Seine Pupillen weiteten sich zu schwarzen Monden, Glück machte sich in seinem Kopf breit. Das Paar setzte sich abseits vom Getümmel an den Fluss, der durch das Festivalgelände fließt. Aus der Ferne drang elektronische Musik zu ihnen herüber.

Ein Grund für den geplanten Rausch: Sie wollten über Probleme sprechen, die sie seit dem Beginn ihrer Beziehung begleiteten. Durch die Droge sprachen sie nun vermeintlich offen und ehrlich über alles. Befreiend, wie Paul erzählt, "das beste Gespräch überhaupt". An diesem Abend tanzten sie nicht, sie redeten. Irgendwann am frühen Morgen war die Wirkung der Droge verflogen und mit ihr die Probleme, die das Paar mit sich herumgetragen hatte. Noch lange nannten sie ihren Trip eine "günstige Paartherapie".

MDMA gehört zu den wichtigsten Inhaltsstoffen der illegalen Partydroge Ecstasy. Es erscheint oft in Form von Pillen oder Kapseln.
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Noch wenig untersucht

Wie andere psychoaktive Substanzen ist Ecstasy illegal. Kauf, Besitz oder Herstellung der Partydroge sind strafbar. Seinen Namen möchte Paul, der eigentlich anders heißt, deshalb nicht in den Medien lesen. Doch ohne es zu wissen, hat er mit seiner Freundin erlebt, was sich manche als die Zukunft der Paartherapie vorstellen. Wenn es um Psychedelika geht, sprechen Forschende sogar schon von "Liebesdrogen" – Medikamente, die die Lust, Anziehung und Bindung bei Menschen beeinflussen. Paul nennt MDMA gerne "Fake Love", künstliche Liebe.

Abwegig ist das nicht, schließlich wirkt Liebe neurochemisch wie eine Droge. Mit der Erfahrung von Liebe sind verschiedene Hormone und Neurotransmitter verbunden. Dazu gehören etwa Dopamin und Serotonin, die für ein Glücksgefühl und gute Laune sorgen – Effekte, die auch MDMA hervorrufen kann. Es steigert die Bindung zum Gegenüber und die Empathie, sorgt für mehr Offenheit, Sicherheit und Zufriedenheit. Andere Studien zeigen, dass die Substanz das Gefühl der Nähe zu anderen verstärkt. Forschende nehmen daher an, dass sich die Partydroge für die Paartherapie eignen könnte.

Bisher ist die Studienlage in diesem Feld noch überschaubar. Eine laufende Studie zeigt positive Effekte von MDMA in Paartherapien, in denen eine Person an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Darüber hinaus fehlt es noch an verlässlichen Beweisen, dass MDMA die Paartherapie wirksam unterstützt. "Für die Paartherapie sehe ich noch keine harte Evidenz bei den vorliegenden Daten", sagt auch Matthäus Willeit von der Med-Uni Wien im STANDARD-Gespräch. Er glaubt aber, dass Psychedelika in der Psychotherapie in den nächsten Jahren noch ein wichtiges Forschungsthema werden.

Psilocybin, der Wirkstoff von psychoaktiven Pilzen, könnte künftig ein Teil von Therapien sein.
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Wie eine dritte Person im Raum

Bis auf wenige Ausnahmen gibt es bisher keine Länder, in denen Psychedelika in der Psychotherapie offiziell zugelassen sind. Mit MDMA-gestützter Paartherapie hat man hierzulande deshalb bisher keine Erfahrungen, sagt Roland Bösel. Der Paartherapeut sieht die Gefahr, dass Drogen wie MDMA die Paartherapie eher erschweren könnten. "Manche Menschen, die zu uns kommen, nehmen durchaus Substanzen ein – allerdings von sich aus, ohne unser Zutun", sagt Bösel. "Für Therapeuten ist das dann aber oft so, als ob noch eine dritte Person zur Sitzung dazukommt." Die meisten Paare, die zu ihm kommen, machen zudem eine schwere Krise durch – nicht gerade ideal für den gemeinsamen Trip.

Auch Kurt Fellöcker, Experte für Suchtberatung und Prävention der FH St. Pölten, sieht den Einsatz von MDMA in der Paartherapie bisher skeptisch. "Wenn jemand an starken Blockaden leidet und sich überhaupt nicht öffnen kann, bringt MDMA natürlich etwas", sagt er. "Aber die Risiken würde ich als Psychotherapeut nicht verantworten wollen." Gerade um die Gesundheit der Menschen sorgt er sich. Gepanschte Ecstasy- und MDMA-Pillen vom illegalen Drogenmarkt enthalten oft giftige Stoffe, die für Konsumentinnen und Konsumenten im schlimmsten Fall lebensbedrohlich werden können. Selten ist drin, was draufsteht.

Falsch ist laut Fellöcker auch, dass MDMA nicht abhängig mache. Immer wieder würden Menschen wegen MDMA in die Suchttherapie kommen. Nehmen Leute zu viel, würden die positiven Effekte von MDMA schnell verschwinden. Die Ausschüttung von Serotonin wird gehemmt, das Risiko von Krampfzuständen, Epilepsie oder Kopfschmerzen steigt. In der Paartherapie müsste die Dosierung daher genau auf die Paare abgestimmt werden.

"Ohne ist immer besser"

Paul selbst wirft nur noch selten MDMA-Pillen ein. Ein oder zweimal im Jahr, vor allem auf Festivals. Da er die Risiken kennt, würde er den gemeinsamen Trip nicht jedem Paar empfehlen. "Psychedelika haben immer die Macht, etwas Verborgenes an die Oberfläche zu holen", sagt er. "Das kann sich auch negativ auswirken." Das Risiko müsse jeder Mensch selbst einschätzen.

An die Nacht beim Festival denkt Paul bis heute zurück. Mit seiner Freundin von damals ist er allerdings nicht mehr zusammen. Es traten andere, neue Themen auf, die sie auch mit einem Trip nicht lösen konnten. Die Partydroge MDMA würde er daher nicht unbedingt in die nächste Beziehung mitnehmen. "Ich glaube nicht, dass man das unbedingt braucht", sagt Paul. "Ich würde pauschal eher von dem Grundsatz ausgehen, dass es ohne immer besser ist." (Florian Koch, 25.9.22)