Im Gastblog gibt Katharina Kaska Einblick in farbenprächtige Darstellungen von Zweikämpfen und Harnischen.

Das Wort "Turnier" hat seinen Ursprung in militärischen Scheinschlachten zu Pferd: das lateinische tornare bezeichnet das rasche Wenden des Pferdes. Bis ins Spätmittelalter erweiterte sich der Begriff und umfasste nun als "Ritterspiel" verschiedene Wettkämpfe und die damit verbundenen Feierlichkeiten.

Österreichische Nationalbibliothek

Ihren Höhepunkt erreichte die Turnierkultur um 1500 während der Regierungszeit Maximilians I. (1459–1519). Als "letzter Ritter" wird er zu Recht bis heute unter allen Habsburgern am engsten mit dem Turnier verbunden. Von klein auf war der Sohn Friedrichs III. eher der körperlichen Ertüchtigung als dem schulischen Lernen zugetan. In seinen autobiografisch gefärbten Werken "Theuerdank" und "Weißkunig" werden ritterliche Ideale hochgehalten, und mit dem "Freydal" schuf er ein ganz auf das Turnier ausgerichtetes Buch mit seinem Alter Ego im Zentrum. Turniere waren jedoch nicht nur Unterhaltung und Gesellschaftsereignis, sondern gleichermaßen politisches Instrument und Mittel dynastischer Repräsentation. Sie fanden zu wichtigen Ereignissen wie Maximilians Königskrönung 1486 oder während der Verhandlungen zur Verheiratung seiner Enkel 1515 in Wien statt.

Turnierspiele im Theuerdank (Cod. 3033, fol. 17v)
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Das Turnierbuch Maximilians I.

Turnierbücher, die besonders im 15. und 16. Jahrhundert populär waren, stellen das Turniergeschehen und sein Umfeld in Wort und Bild dar. Der Inhalt der Bücher variiert stark: Sie können einzelne Turnierereignisse oder die Kämpfe einer Person wiedergeben, auf Turnierrüstung ausgerichtet sein, aber auch stärker historische oder literarische Tendenzen haben. Vielfach kommt es zu einer Mischung aus verschiedenen Aspekten.

Der historische Quellenwert dieser oft aufwendig illustrierten Handschriften ist nicht immer einfach zu beurteilen. Sie entstanden oft Jahre nach den Turnieren, die Zweikämpfe wurden in literarische Erzählungen eingebettet oder, vor allem für die Frühzeit, oft gänzlich erfunden. Die Bildfolgen sind häufig keine Neuschöpfungen, sondern Collagen aus bekanntem Material, das in einen neuen Kontext gesetzt wird. Sie sind somit meist nicht "dokumentarische" Abbildungen des jeweiligen Ereignisses, sondern bildliche Topoi.

Ähnliche Herausforderungen begegnen auch im "Turnierbuch Maximilians I.", das erst im 17. Jahrhundert und damit deutlich nach Maximilians Tod entstand und bisher kaum wissenschaftlich erforscht ist. Ihren Namen nimmt die Handschrift aus dem einleitenden Text, der eine Beschreibung von Maximilians Turnierkämpfen ankündigt.

Tatsächlich ist Maximilian zweimal in der Handschrift abgebildet: stehend gleich zu Beginn (fol. 2r) und als Reiter knapp vor Ende des Bandes (fol. 71r). Schon diese Reiterdarstellung zeigt den Einfluss älterer Vorlagen: Es handelt sich um eine Kopie eines Entwurfs für eine Reiterstatue von der Hand Hans Burgkmairs des Älteren, der zahlreiche Kunstwerke für den Kaiser schuf. Ebenfalls auf Maximilians Umfeld zurückzuführen ist die Darstellung des Fecht- und Turniermeisters Anton von Yffan (fol. 30r). Ihr liegen die Holzschnitte des großen Triumphzugs Maximilians zugrunde.

Maximilian zu Pferde nach einem Entwurf von Hans Burgkmair dem Älteren.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Die Kampfdarstellungen

Neben diesen Einzeldarstellungen lassen sich mehrere größere inhaltliche Abschnitte in der Handschrift feststellen. An ihrem Beginn steht eine mit einleitenden Texten versehene Bilderfolge, die den Einzug zum Turnier und verschiedene Zweikampftypen zu Pferd zusammenfasst.¹ Den Zug führen Trommler und Bläser an, denen einige wenige Turnierteilnehmer folgen. Wesentlich ausführlicher ist die Reihe der aufeinander zureitenden, meist mit Spießen (Lanzen) bewaffneten Kämpfer, deren Kampftechniken kurz charakterisiert werden. Auf die besondere Gefährlichkeit mancher Kampfarten weist zum Beispiel die Beschreibung des Pfannenrennens hin:

dass pfannen rennen geschicht mit sollichem ernst vnd gfar, das man auff bahn bringt ain bar (24r).

Bei dieser Art von Wettkampf stechen die Antagonisten auf an der Brust befestigte "Pfannen" ein. Wie für "Rennen" im Gegensatz zum "Stechen" (siehe unten) üblich, wurde mit spitzen Lanzen gekämpft, obwohl Kopf und Arme ungeschützt waren. Der über dem Harnisch getragene Harnischrock verstärkte den Eindruck der Schutzlosigkeit und damit den Nervenkitzel für das Publikum zusätzlich.

Pfannenrennen.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Der Drang nach optisch immer spektakuläreren Zweikämpfen führte unter Maximilian zu technologischen Weiterentwicklungen und neuen Turnierformen. Dazu zählt etwa das Geschiftscheibenrennen, für das mechanisch aufwendige Harnische getragen wurden (fol. 18v-19r). Mit einem Federmechanismus wurden keilförmige "Schiftkeile" vor der Brust befestigt, vor die eine Scheibe gespannt wurde. Wenn die Scheibe vom Gegner getroffen wurde, lösten sich die Keile und wirbelten durch die Luft. In einer anderen Variante, dem Geschifttartschenrennen, wurde zusätzlich die Tartsche (Reiterschild) durch die Luft geschleudert. Eine einfachere Form ist das Bundrennen, bei dem lediglich die Tartsche gelöst wird und entlang von zwei Spangen über den Kopf abgeworfen wird (fol. 16v-17r). Einen unvollständigen Harnisch mit Federmechanismus aus dem Besitz Maximilians bewahrt das Kunsthistorische Museum in Wien auf.²

Geschiftscheibenrennen.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Das Stechen entwickelte sich im 14. Jahrhundert aus dem Rennen, verwendete aber stumpfe Spieße und entfernte sich damit weiter von den kriegerischen Ursprüngen des Turniers. Eine erste Form mit spezieller Ausrüstung war das Stechen im Hohen Zeug (20v-21r). Den Namen nimmt der Wettkampf vom hochgezogenen Sattel, in dem der Reiter aufrecht über dem Pferderücken steht. Ziel ist es, die Spieße zu brechen. Diese Art des Gestechs war zu Maximilians Zeit eigentlich schon veraltet, erlebte aber an seinem Hof eine Renaissance.

Gestech im Hohen Zeug.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Anhand der Darstellung des Hohenzeuggestechs lässt sich ein erster Eindruck der Problematik von Turnierbüchern als historischen Quellen gewinnen. Unsere Handschrift beschreibt lediglich generisch die Form des Zweikampfs

Das gestoch im hochen Zeugen inn verschlossen Settlen brechen die Stangen.

Dieselbe Abbildung wird in einem heute im Getty Museum in Los Angeles aufbewahrten Turnierbuch mit dem Jahr 1362 in Verbindung gebracht und steht in einer Reihe historischer Turnierdarstellungen. Noch einmal begegnen dieselben Kämpfer in leicht veränderter Darstellung im Turnierbuch von Jeremias Schemel in Wolfenbüttel aus dem späten 16. Jahrhundert. Dort illustrieren sie einen Eintrag zu einem Gesellenstechen in Augsburg im Jahr 1436 und werden als Lenhart Rehlinger und Georg Harstaller bezeichnet.³ Dieselben Abbildungen stellen also drei verschiedene historische Begebenheiten dar. Als authentische Bildquellen können sie für keine davon dienen.

Kolbenturniere

Dies trifft auch dann zu, wenn ein Kämpferpaar tatsächlich mit einem realen Turniergeschehen in Verbindung gebracht werden kann, wie dies bei einem laut Handschrift 1474 in Heidelberg veranstalteten Kolbenturnier der Fall ist (fol. 28r-29r). Bei Kolbenturnieren wurde ein mit einer Kette am Harnisch befestigter Kolben benutzt, um den Gegnern die Helmzier vom Helm zu schlagen.

Auch hier findet sich dasselbe Kampfpaar in mehreren Turnierbüchern des späteren 16. Jahrhunderts. Gemeinsam ist allen der Austragungsort Heidelberg, der Kampf wird üblicherweise aber in das Jahr 1482 verlegt und der Kontext der Darstellungen variiert. Tatsächlich steht das Bild im Zusammenhang mit einem Vier-Lande-Turnier, das 1481 in Heidelberg stattfand und auch aus anderen Quellen bekannt ist.

Bei diesen erstmals 1479 veranstalteten überregionalen Turnierveranstaltungen trafen Teilnehmer aus verschiedenen Regionen zusammen. Bei den Dargestellten handelt es sich laut einer Fassung um Pfalzgraf Philipp bei Rhein (eher Herzog Georg von Bayern-Landshut?) und Markgraf Friedrich von Brandenburg.4 Man wird sich aber auch hier hüten müssen, aus den Bildern historische Information zur Rüstung der Teilnehmer zu ziehen.

Kolbenturnier.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Das Harnischbuch

Mit dem Kolbenturnier schließt die Reihe der Zweikämpfe, und die Handschrift wandelt sich vom Turnierbuch zum Harnischbuch, das über den reinen Turnierkontext hinausgeht. Erläuterungen zum jeweils Dargestellten fehlen hier völlig. Es werden zunächst gerüstete Pferde mit und ohne Reiter gezeigt, denen gerüstete Kämpfer und Harnischdarstellungen folgen. Als Turnierarten begegnet zum Beispiel erneut das Kolbenturnier (37r-38r), bei dem der hohe Sattel wie beim Hohen Gestech deutlich sichtbar ist. Etwas später wird dieser Typus noch einmal aufgenommen: fol. 49r zeigt einen zum Kolbenturnier gerüsteten Kämpfer mit einem an der Kette befestigten Kolben.

Auch das beliebte Gemeine deutsche Gestech ist abgebildet (fol. 64r), für das im späten Mittelalter das Stechzeug verwendet wurde. Der schwere Stechhelm, dessen Form die stumpfe Lanze abgleiten lassen soll, ist auf Brust und Rücken angeschraubt. Sichtbar wird dies in der anschließenden Darstellung, die den Harnisch in seine Einzelteile zerlegt zeigt. Diese Darstellungsform ist typisch für Harnischbücher, die zum Beispiel Harnischsammlungen einzelner Besitzer wiedergeben oder die Produktion einzelner Plattner. Im Gegensatz dazu ist unsere Handschrift auf Harnischtypen für bestimmte Anwendungen ausgerichtet.

Deutsches Gestech.
Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Historische Einordnung

Die Kombination aus Turnierdarstellungen und Harnischbuch lässt sich auch in anderen Handschriften nachweisen. Unter ihnen sticht das Werk von Jeremias Schemel heraus, der ein umfangreiches Kompendium zur Geschichte des Turniers, zur Pferdedressur und Ausrüstung mit einem Kompendium von Turnieren zusammenstellte, das in mehreren Handschriften überliefert ist.

Noch näher mit dem "Turnierbuch Maximilians I." verwandt ist ein bereits genannter, heute im Getty Museum in Los Angeles aufbewahrter Band, der besonders für die Kampfdarstellungen offensichtlich dieselben Vorlagen verwendet. Parallelen gibt es auch zu einem Turnierbuch aus der Fürstlich Hohenzoller'schen Bibliothek in Sigmaringen (Ms 63). In keinem dieser Turnierbücher lässt sich jedoch eine direkte Beziehung zu Maximilian und seinem Umfeld finden. Umgekehrt weist ein ebenfalls als Turnierbuch Maximilians bezeichneter Band in München keine inhaltlichen Parallelen zur Handschrift der Österreichischen Nationalbibliothek auf.⁵

Entgegen der Ankündigung in der Einleitung stellt die Handschrift also nicht die Zweikämpfe Maximilians dar, sondern schöpft aus verschiedenen Quellen, die nur zum geringen Teil mit der Bilderwelt um den Kaiser in Verbindung zu bringen sind. Es liegt daher nahe, den Band weniger als Turnierbuch Maximilians zu sehen denn als ein Memorialwerk, das an den Kaiser und den Höhepunkt des Turnierwesens unter seiner Herrschaft erinnern soll.⁶ (Katharina Kaska, 28.9.2022)