Tue eine Sache zu einer Zeit, soll ein indischer Meditationslehrer gepredigt haben. Ich finde: Das ist leicht dahingesagt. Ich erwische mich jedenfalls regelmäßig dabei, wie ich genau das nicht mache, sondern mehreres gleichzeitig. Während ich koche, höre ich Podcasts, während die Abendnachrichten laufen, putze mir die Zähne, während ich spazieren gehe, telefoniere ich mit einer Freundin, die in München lebt. Während ich einen französischen Film auf Netflix anschaue, hole ich mir im Netz Infos dazu: Wer ist der Schauspieler? Wer die Regisseurin?

Auf der Suche nach Antworten finde ich ein Interview mit ihr, das ich lese, und anstatt danach wieder zum Film zurückzukehren, klicke mich noch durch die Startseiten verschiedener Zeitungen, suche auf Willhaben nach Esstischsesseln und scrolle auf Instagram durch die Fotos meiner Freundinnen und Freunde: Mario isst in Griechenland Frutti di Mare, Kristin bastelt mit ihren Kindern Figuren aus Kastanien.

Sofort abgelenkt

Auch im Homeoffice passiert es mir, dass ich mitten in der Videokonferenz von eintrudelnden Nachrichten abgelenkt werde. Erst schreibt eine Kollegin, wann man den gemeinsamen Artikel besprechen könne. Dann kommt eine E-Mail, die die Neuerscheinungen eines Verlags ankündigt. Das Buch zum konzentrierten Arbeiten klingt interessant, denke ich – und schon bin ich mit den Gedanken nicht mehr voll und ganz beim Meeting. Wieso fällt es eigentlich so schwer, bei einer Sache zu bleiben?

Ich frage bei der Kognitionswissenschafterin Katharina Turecek nach. Sie erklärt: "Multitasking ist deshalb so verlockend, weil wir danach streben, unsere Zeit effektiv zu nutzen." Indem wir also nicht nur im Meeting sind, sondern nebenbei auch noch E-Mails checken, versuchen wir, in einem durchgetakteten Alltag Zeit zu sparen. Eine Strategie, die laut Turecek aber nicht aufgehen kann: "An mehr als eine Sache gleichzeitig zu denken, das können wir gar nicht."

Lediglich bei einfachen, eingeübten Tätigkeiten könne ein Nebeneinander funktionieren. Also spazieren gehen und dabei telefonieren: No problem. Bei komplizierteren Tätigkeiten ist das schon anders. Was passiert: Die Aufmerksamkeit springt zwischen den Tätigkeiten hin und her, in der Fachsprache "Attention-Switch" genannt. Dem französischen Film zu folgen, während ich auf Willhaben bin, kann also gar nicht klappen. Wahrscheinlich muss ich die Suche erneut starten, weil ich falsche Kriterien eingegeben habe. Oder ich muss beim Film zurückspulen.

Bild nicht mehr verfügbar.

Mehrere Dinge parallel tun zu können klingt zu schön, um wahr zu sein.
Foto: Getty Images

"Es ist natürlich anstrengender, gleichzeitig zwei unterschiedliche visuelle Botschaften zu empfangen als etwas Gehörtes und etwas Gesehenes", sagt Ulrich Ansorge, Professor für Kognitionspsychologie an der Universität Wien. Ebenso sei es leichter, eine Tätigkeit mit den Händen und eine mit den Füßen auszuführen, wie beim Autofahren, als zwei mit den Händen. Ansorge erklärt: Auch wenn wir die Sprünge der Aufmerksamkeit nicht immer bewusst mitbekommen, sie haben Folgen. Und die sind alles andere als positiv: Beim Multitasking falle es dem Gehirn schwerer, zu entscheiden, ob Informationen relevant sind – und relevante Informationen würden schlechter "elaboriert", also an bestehendes Wissen angeknüpft und langfristig abgespeichert.

Wenn Multitasking so schlecht ist, wie komme ich davon weg?

Hört man den Fachleuten zu, sind derzeit die Bedingungen dafür nicht gerade die besten. Die Pandemie habe die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit noch stärker verschwimmen lassen, im Homeoffice sitzt das Kind auf dem Schoß und beim Abendessen mit dem Liebsten trudeln Teams-Nachrichten auf dem Smartphone ein. Außerdem sind da noch diese verführerischen Social Media, die leichte Inhalte bieten und obendrein noch das Gefühl, sozial eingebunden zu sein.

Bewusst machen hilft!

Sich des Problems bewusst zu werden sei jedenfalls ein erster wichtiger Schritt in Richtung Besserung, sagt Ansorge: "Manche merken vielleicht gar nicht mehr, dass sie es nicht schaffen, eine Stunde durchzuhalten, ohne sich ablenken zu lassen." Turecek empfiehlt, sich Zeiten für unterschiedliche Tätigkeiten festzulegen: Wann ist Zeit für Social Media? Wann fürs Zeitungslesen? Und wann widmet man sich mit all seiner Aufmerksamkeit einem Projekt? Wem es zunächst schwerfällt, länger zu fokussieren, fängt am besten klein an: "Vielleicht beginnt man mit einer halben Stunde und und steigert die Zeitspanne dann immer weiter."

Das versuche ich jetzt und stelle einen Timer. Nun gilt: pure Aufmerksamkeit, keine Ablenkungen. Das funktioniert tatsächlich ganz gut. Nur einmal kurz schaue ich auf mein blinkendes Handydisplay – eine E-Mail von der Post. Das Buch zum konzentrierten Arbeiten wird heute geliefert. (Lisa Breit, 23.10.2022)