Dass unsere Sonne keine statische helle Kugel ist, zeigen die Nasa-Aufnahmen von Sonneneruptionen.
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Die Sonne versorgt die Erde mit Licht und Wärme. Gleichzeitig schießt sie aber vergleichsweise selten Masse oder hochenergetische Strahlung ins All – was gemeinsam mit dem schützenden Magnetfeld der Erde dafür sorgt, dass das Leben hier so gut gedeihen kann. In vielen anderen Sternsystemen ist das anders: In ihren habitablen Zonen, wo also auf Planeten flüssiges Wasser existieren kann, lassen intensive Sonnenstürme und hochenergetische Strahlung kaum Leben zu.

Ein gemütlicher Stern

"Unsere Sonne ist ein sehr gemütlicher Stern – das ist unser Glück. Bis jetzt wurde noch kein weiteres System gefunden, in dem Zentralgestirn und Planeten unserer Sonne und Erde gleichzeitig sehr ähnlich sind", betont Friedrich Kupka. In seinem vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekt "Numerische Simulation von A-Sternen und Weißen Zwergsternen" möchte der Mathematiker und Astrophysiker mehr darüber herausfinden, wie diese verschiedenen Aktivitätsniveaus von Sternen entstehen – nicht nur um unsere Sonne besser zu verstehen, sondern auch um die Lebensfreundlichkeit oder -feindlichkeit von weit entfernten Systemen besser bestimmen zu können. Kupka ist sowohl am Wolfgang-Pauli-Institut (WPI), das in den Räumlichkeiten der Fakultät für Mathematik der Uni Wien ansässig ist, als auch an der FH Technikum Wien tätig. Das Projekt wird in Kooperation mit diesen Institutionen umgesetzt.

Kupka und Kollegen konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf ein wichtiges Phänomen im Inneren der Sterne – auf die Konvektion, also die Durchmischung von flüssiger, gas- oder plasmaförmiger Materie und die dazugehörige Übertragung von Wärme. Das Phänomen ist auch auf der Erde überall präsent: Meeresströmungen, Wolken und Gewitter sind ein Ergebnis davon. Selbst warme Heizungsluft, die aufsteigt, ist bereits ein konvektiver Vorgang.

Dynamo in der Sonne

In unserer Sonne gehört etwa das äußere Drittel des Volumens zu einer Konvektionszone, in der sich die Materie immer wieder neu durchmischt. Wie ein Dynamo sorgt diese Aktivität für die Entstehung von Magnetfeldern. An jenen Orten, an denen starke Magnetfelder die Oberfläche des Sterns erreichen, können Sonnenflecken und Eruptionen entstehen. Die Masseausstöße können als Sonnenwind auch die Erde erreichen und hier beispielsweise Satelliten schädigen.

"Die Konvektion verkleinert den Radius der Sonne und ist gleichzeitig dafür verantwortlich, dass der Stern oszilliert. Durch das Messen dieser Schwingungen kann man auf die Vorgänge im Inneren zurückschließen", sagt Kupka. Gleichzeitig macht es die Größe der Konvektionszone der Sonne aber schwer, sie mit den heutigen Methoden gut simulieren zu können. Kupka und Kollegen konzentrieren sich deshalb auf andere Sternentypen, die eine dünnere Konvektionszone haben – die für das Projekt namensgebenden Weißen Zwerge und A-Sterne.

Ein "Weißer Zwerg", umgeben von einer Staubhülle. Aufgenommen wurde das Foto mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST).
Foto: APA/AFP/NASA/HANDOUT

Dünne Konvektionszone

Als Sterne im Endstadium ihres Lebenszyklus sind Weiße Zwerge zwar ähnlich massereich, aber viel kompakter als unsere Sonne – und auch ihre Konvektionszone ist kleiner, erklärt Kupka. A-Sterne sind dagegen zwar masse- und energiereicher als unser Zentralgestirn, ihr Aufbau ermöglicht aber, dass die Energie besser entweichen kann – was zur Folge hat, dass die Konvektionszone viel dünner ist. Die mit freiem Auge am Nachthimmel sichtbaren Sterne Sirius oder Vega gehören etwa zu dieser Klasse.

Informationen über Aktivität und Zusammensetzung der Himmelskörper sind über Strahlungsspektren und photometrische Messungen zugänglich, die dank mehrerer Missionen zur Exoplanetenforschung in sehr guter Qualität verfügbar sind. Kupka und Kollegen nutzen die Daten auch für ihre Modellierungen der Konvektionszonen von Sternen. Das wesentliche mathematische Instrument sind dabei die Navier-Stokes-Gleichungen – partielle Differentialgleichungen, die das Verhalten von Fluiden beschreiben, aber lediglich in rechenintensiven Näherungsverfahren lösbar sind. Eine Herausforderung dabei ist, die Modellierungen möglichst effizient zu gestalten, sodass die Rechenzeit überschaubar bleibt.

Algorithmen mit Verbesserungsbedarf

"Wir müssen nicht nur geeignete Rechenansätze finden, sondern die bestehenden Verfahren und Algorithmen auch verbessern, um mit den Rechenressourcen auszukommen", erklärt Kupka. "Dennoch laufen unsere Simulationen Wochen oder Monate." Die resultierenden Methodiken lassen sich nicht nur für die Sternenkonvektion, sondern für viele weitere Simulationsanwendungen nutzbar machen und können von einer breiteren Community aufgegriffen werden.

Ein besonderer Fokus des Projekts liegt in der Simulation der komplexen Folgen des sogenannten Overshooting-Effekts. Bei Gewittern steigt etwa leichte, warme Luft auf, bis sie die Tropopause erreicht, in der die Temperatur nicht weiter abnimmt. Hier strömen die warmen Luftmassen in die Breite. Bei sehr schnellen Aufwinden wird die warme Luft allerdings nicht schnell genug abgebremst und schießt über diese Grenze hinaus – ein Zeichen für ein sehr schweres Gewitter. Analog dazu führen Temperaturunterschiede und Materialträgheit auch zu ähnlichen "überschießenden" Bewegungen in den Konvektionszonen der Sterne. Die Materialströme dringen in Regionen mit anderer Temperatur und Dichte vor und führen dort zu neuen Effekten.

Sternenrätsel

Die Simulationen sollen unter anderem auch dabei helfen, einigen ungeklärten Rätseln im Verständnis der Sterne auf die Spur zu kommen. "Beispielsweise lassen sich bei unserer Sonne Simulationen der Oberfläche und der ausgehenden Strahlung gut in Einklang bringen. Bei den A-Sternen ist das aber nicht so der Fall", erklärt Kupka. "Die Frage ist, welche noch unberücksichtigten Faktoren für dieses Phänomen verantwortlich sind."
(Alois Pumhösel, 2.11.2022)

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