Es herrscht viel Unwissen darüber, wie ein Fernstudium abläuft.

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Gerade die Flexibilität habe sie davon überzeugt und dass sie sich Fächer von ihrem vorherigen Studium anrechnen lassen konnte, erzählt Eva-Maria Kindl. Die Dreißigjährige hat von 2017 bis 2021 im Bachelor Wirtschaftsingenieurwesen an der Fernhochschule Hamburg studiert. Davor hatte sie bereits ein Betriebswirtschaftsstudium an der WU Wien abgeschlossen. Während des Fernstudiums hat sie sowohl beim Entsorgungsspezialisten Remondis in der Schweiz als auch als Beraterin bei einem Porsche-Tochterunternehmen gearbeitet. Aktuell arbeitet sie bei der ÖBB.

Was neben der Arbeit geht

Auch für Constantin L., der seinen Namen nicht in diesem Bericht lesen möchte, hat die Flexibilität eine entscheidende Rolle für seine Entscheidung gespielt. Ebenso wie Kindl hat er während des Studiums gearbeitet. Erst bei einer Bank und dann kurz bei einem Stahlkonzern. "Ein normales Masterstudium wäre aufgrund der erforderlichen Anwesenheit im Beruf bei mir nicht möglich gewesen", meint der 28-Jährige, der nun wieder bei einer Bank tätig ist.

An der Johannes-Kepler-Universität (JKU) in Linz, wo er seinen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften gemacht hat, erfuhr er zum ersten Mal von der Möglichkeit eines Fernstudiums. Das Zentrum für Fernstudien der JKU kooperiert bereits seit 1992 mit der deutschen Fernuniversität Hagen, der ersten und einzigen staatlichen Fernuniversität in Deutschland.

Wie kommt das im Job an?

Sowohl Kindl als auch L. haben bei Bewerbungsgesprächen keine schlechten Erfahrungen gemacht. Explizit auf das Fernstudium wurden sie auch nicht angesprochen. Fernstudien würden generell nicht negativer gewertet als ein Präsenzstudium, meint auch Carina Stiglbauer, die in der Unternehmensberatung Risk Experts Risiko Engineering als Leiterin Personal und Recht tätig ist. Zudem ist sie auch selbstständige Personalberaterin. Dennoch würde sie kritisch hinterfragen, an welcher Fern-Uni oder Fernhochschule der Bewerber seinen Abschluss gemacht hat, da es "renommierte und weniger renommierte gibt".

Was sehr wohl eine Rolle spielt, ist die Verbindung von Beruf und Studium. "Ich wurde gefragt, wie ich das alles hinbekommen will und wie viel Zeit das Studium beansprucht", erzählt Eva-Maria Kindl. Stiglbauer rät Fernstudierenden auf Jobsuche, dass sie sich überlegen sollen, welche Vorteile es für den Arbeitgeber habe und wie der zeitliche Aufwand aussehe. Das komme positiv an. Zuschüsse vom Arbeitgeber für ihr Fernstudium bekamen Constantin L. und Kindl nicht. Dafür war L.s Arbeitgeber aber kulant mit den Urlaubstagen. "Ich konnte mir problemlos Urlaub nehmen, wenn ich Prüfungen hatte." Da er für sechs seiner acht Prüfungen im Masterstudium vor Ort zum Studienzentrum nach München fahren musste und das immer zwei Tage in Anspruch nahm, hat es Constantin L. sehr geholfen.

Kontakte? Wenige

Wie ein Fernstudium genau ablaufe, sei vielen unklar, erzählt L. Meistens werden den Studierenden Unterlagen und Skripten zugesandt. Bei einigen Anbietern kann man sich das Lernmaterial aber online herunterladen. Meistens werden auch Onlineplattformen, ein sogenannter Online Campus, angeboten. Vorlesungen gibt es keine – wenn, dann nur vor Ort in einem der Studienzentren. Die Prüfungen finden ebenfalls in einem Studienzentrum statt.

Und entstehen Kontakte? Lernt man Kommilitonen kennen? "Im Fernstudium muss man wirklich aktiv auf jemanden zugehen", meint Kindl. Nach dem Fernstudium länger in Kontakt mit Kommilitonen geblieben sind beide nicht. Auch ein klassisches Studentenleben, wie man es sich vorstellt, gab es nicht.

"Ich bin sehr froh, dass ich den Bachelor an einer Präsenz-Uni hatte", sagt Constantin L. Bachelor- plus Masterstudium an einer Fernuniversität würde er niemandem empfehlen. Und ein Fernstudium nur dann, "wenn man berufstätig ist und nicht die Zeit hat, regelmäßig zur Uni zu gehen".

Eine Empfehlung hat auch Kindl: Man sollte sich auf jeden Fall den Lehrplan und die Lehrveranstaltungen genau anschauen. Sonst sitze man, wenn es dann doch zu schwierig sei oder man es sich anders erwartet habe, ganz allein da. (Anna Steiner, 2.11.2022)