Es war ein außergewöhnlicher Tanz, den zwei Neutronensterne vor etwa 140 Millionen Jahren im Sternbild der Hydra aufführten. Nachdem sie einander langsam näher gekommen waren, umkreisten sie einander immer schneller. Dabei strahlten sie so viel Energie in Form von Gravitationswellen ab, dass sie irgendwann kollidierten und zu einem neuen Neutronenstern verschmolzen, so riesig, dass er zu einem Schwarzen Loch kollabierte, wo die beiden kosmischen Tänzer schließlich hinter dem undurchsichtigen Schleier des Ereignishorizonts ihr Ende fanden.

Ereignisse wie dieses sind äußerst selten – es braucht dazu nicht nur ein Doppelsternsystem, dessen Sonnen beide in einer Supernova verglühten und dabei gerade die richtige Größe hatten, um als Neutronensterne zu enden. Es braucht auch den perfekten Zeitpunkt in ihrer Milliarden Jahre dauernden Lebenszeit. Weil es aber so viele Sterne gibt, finden Ereignisse wie dieses doch mit großer Regelmäßigkeit statt.

Erstmals Gravitationswellen und Lichtteleskope

Dieses konkrete Ereignis ist deshalb außergewöhnlich, weil zum ersten Mal auf der Erde verschiedene Detektoren in der Lage waren, es zu beobachten, darunter erstmals drei Einrichtungen, die für den Nachweis von Gravitationswellen gebaut wurden. Die beiden US-amerikanischen Ligo-Detektoren und der europäische Virgo-Detektor zeichneten 2017 eine Signatur auf, die sich nur als Verschmelzen zweier Neutronensterne interpretieren ließ. Das Besondere daran: Zur gleichen Zeit konnte eine Reihe von Teleskopen in aller Welt einen starken Lichtblitz im Gammastrahlenbereich aufzeichnen.

Eine Bestimmung der Richtung des Gravitationswellensignals, das durch die zeitgleiche erfolgreiche Messung aller drei Detektoren möglich war, erlaubte es zu zeigen, dass der kurze Gammablitz und die Gravitationswellen von der gleichen Quelle stammen. Letztere ermöglichen aber im Gegensatz zu dem Gammastrahlensignal eine Bestimmung der Natur des Effekts als Kollision von Neutronensternen und sogar die Ermittlung von deren Masse. Zum ersten Mal war damit der Ursprung der Gammablitze geklärt. Die Entdeckung war eine Sensation und ein erster großer Erfolg für die junge Gravitationswellenastronomie.

Keine "artist impression", sondern ein echtes, aus Teleskopaufnahmen zusammengesetztes Bild eines Neutronensterns im Krabbennebel.
Foto: imago images/UPI Photo

Eine neue Astronomie

Von Anfang an waren die Gravitationswellenbeobachtungen, für die 2016 die Physiknobelpreise vergeben wurden, nicht nur als Demonstration der Korrektheit der Relativitätstheorie gefeiert worden, sondern nährten Hoffnungen auf einen neuen Beobachtungskanal zur Beobachtung von kosmischen Ereignissen. Deshalb war die gemeinsame Messung der Neutronensternverschmelzung auf verschiedensten Kanälen so bedeutend.

Das Ergebnis, von dem nun Forschende der Universität Bath, der Columbia-Universität in New York und der Liverpool-John-Moore-Universität im Fachjournal "The Astrophysical Journal" berichten, baut direkt auf diesem Ergebnis auf und beweist, dass die Hoffnungen auf neue Erkenntnisse berechtigt waren.

Die Simulation der Verschmelzung zweier Neutronensterne zu einem Schwarzen Loch, basierend auf Daten von Gravitationswellenmessungen von Ligo und Virgo.
Max Planck Institute for Gravitational Physics

Unerklärliche Langlebigkeit

Die Beobachtung steht im Widerspruch zu bisherigen Modellen. Der Neutronenstern, der durch die Verschmelzung entstand, war nämlich so groß, dass er innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem Schwarzen Loch hätte kollabieren sollen. Doch die Daten deuten darauf hin, dass er etwa einen Tag lang überlebte. Die Quelle des Gammastrahlenausbruchs sind extreme Vorgänge in der Akkretionsscheibe aus Gas, von denen man bisher vermutet hatte, dass sie nach dem Kollaps des Neutronensterns zu einem Schwarzen Loch entstehen. Doch die Gammastrahlung zeigte typische Spuren eines schnell rotierenden Neutronensterns, der Gas mit Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit ins All ausstieß. Dass es sich überhaupt um eine Verschmelzung von Neutronensternen handelte, war nur dank der Gravitationswellenaufnahmen von 2017 möglich.

Warum der riesige Himmelskörper nicht augenblicklich in sich zusammenstürzte, sondern noch eine ganze Weile Gas aus seiner Akkretionsscheibe sammelte, ist noch nicht geklärt. Es könnte mit seiner starken Rotation zusammenhängen, deren Fliehkräfte der starken Anziehung durch die Gravitation entgegenwirken.

Wichtig für die Beobachtungen, für die sich die Forschenden mehrerer unterschiedlicher Teleskope bedienten, war der Einsatz eines automatischen Systems, das auf ein vom Nasa-Weltraumteleskop Neil Gehrels Swift entdecktes Gammastrahlensignal hin aktiviert wurde. Das Liverpool Telescope auf den Kanarischen Inseln richtete sich daraufhin automatisch auf das Ereignis aus und konnte den optischen Nachhall einfangen.

Neue Möglichkeiten durch Gravitation und Neutrinos

Das Ergebnis ist ein Beispiel einer neuen Astronomie, die sich nicht nur Lichts als Informationsquelle bedient, sondern auf weitere technische Beobachtungsmöglichkeiten zurückgreifen kann. Neben der Gravitationswellenastronomie, die ihren Nutzen bereits bewiesen hat, konnte kürzlich auch der Neutrinodetektor Ice-Cube seine Fähigkeit zur Himmelsbeobachtung unter Beweis stellen, indem er hochenergetische Neutrinos aus dem hinter Staub verborgenen Zentrum der nahen Galaxie Messier 77 nachwies, die auf das riesige Schwarze Loch darin hindeuten. (Reinhard Kleindl, 13.11.2022)