Lukaku bei einer seiner Top-Chancen. Der Ball wollte nicht über die Linie.

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Marokkos Team jubelt.

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Für Mitfavorit Belgien ist die WM überraschend schon nach der Vorrunde beendet: Das Team um Superstar Kevin de Bruyne kam gegen Vizeweltmeister Kroatien nicht über ein 0:0 hinaus und musste sich mit Rang drei in Gruppe F begnügen. Kroatien erreichte dagegen als Zweiter hinter Überraschungsteam Marokko die K.o.-Runde. Dort wartet der Sieger der Gruppe E mit Spanien und Deutschland, wobei die DFB-Auswahl nicht mehr Erster werden kann.

Für den Weltranglisten-Zweiten Belgien war es das erste Vorrundenaus seit 24 Jahren. 2018 war die "Goldene Generation", die längst ihren Glanz verloren hat, noch WM-Dritter geworden. Kroatien erreichte bei seiner sechsten WM-Teilnahme zum dritten Mal das Achtelfinale nach 1998 (Platz drei) und 2018. Belgiens Coach Roberto Martínez hat nach dem WM-Aus seinen Rücktritt bekanntgegeben. "Das war heute mein letztes Spiel als Nationaltrainer. Das ist natürlich sehr emotional", sagte der Spanier.

Topstürmer Romelu Lukaku, zuletzt angeschlagen, kam am Donnerstag erst zur zweiten Halbzeit und hätte sein Team bei einem Stangentreffer (61.) und völlig freistehend in der Schlussphase (89.) fast erlöst.

Rausrotiert

Die Stimmung rund um das belgische Team hatte schon vor dem Gruppenfinale einen Tiefpunkt erreicht. Eine Krisensitzung war notwendig, die Offensive schimpfte auf die Abwehr und umgekehrt – Hazard sprach von einer "schwierigen Phase". Und saß dann erstmal auf der Bank. Trainer Roberto Martinez rotierte seinen Kapitän raus, die Binde übernahm De Bruyne. Auch der weiterhin nicht völlig fitte Lukaku fehlte zu Beginn.

Zwar hatte Ivan Perisic schon nach neun Sekunden eine erste gute Chance für Kroatien, dann aber war Belgien vor 43.984 Zuschauern in Ar-Rayyan dran. Yannick Carrasco war aus spitzem Winkel zu zögerlich (11.), Dries Mertens setzte den Ball drüber (13.). Nur zwei Minuten später stand dann Modric bereits am Elfmeterpunkt, Carrasco hatte Andrej Kramaric gefoult – dann stellte der VAR allerdings eine hauchdünne Abseitsstellung von Dejan Lovren fest.

Die Szene nahm der Begegnung den Schwung, das galt für beide Seiten, viele Fehler im Aufbauspiel schlichen sich ein. Vor allem Belgien, das ja unter Siegzwang stand, enttäuschte. Zur Pause reagierte Martinez, brachte mit Lukaku einen Zielspieler. Die Fans feierten den Rekordtorschützen, der sich mit einer ersten Chance per Kopf einführte (48.) – und dann aus kurzer Distanz nur die Stange traf.

Marokkanische Stimmung

Marokko hat sich mit spielerischer Klasse und Nervenstärke den lang gehegten Traum vom Achtelfinale erfüllt und steht erstmals seit 36 Jahren in der K.o.-Runde. Gegen das punktlose Kanada gewannen die Nordafrikaner mit 2:1 (2:1) und könnten als Gruppensieger wie 1986 nun auf Deutschland treffen.

Hakim Ziyech (4.) bestrafte schwere Patzer der kanadischen Defensive, Youssef En-Nesyri (23.) erhöhte noch vor der Pause für Marokko, das nach dem Senegal als zweites afrikanisches Team das Weiterkommen perfekt gemacht hat. Für das erste Gegentor des Turniers sorgte Nayef Aguerd (40., Eigentor).

Das Al-Thumama-Stadion war fest in marokkanischer Hand, schon bei der Hymne schmetterte der rote Block lautstark mit. Die Kanadier um Alphonso Davies wirkte von der Kulisse und den aggressiv verteidigenden Marokkanern beeindruckt – und leistete sich früh einen folgenschweren Blackout: Nach einem zu kurzen Rückpass von Steven Vitoria spielte Torhüter Milan Borjan den Ball in Ziyechs Fuß. Der Offensivspieler des FC Chelsea traf aus rund 30 Metern gefühlvoll ins leere Tor. Fifa-Präsident Gianni Infantino nickte auf der Tribüne anerkennend.

Lücken bei Kanada

Marokko war das große Selbstvertrauen anzumerken. Das Team von Trainer Walid Regragui spielte sehr kombinationssicher, zeigte technische Klasse und sorgte mit temporeichen Vorstößen stets für Gefahr. Zudem stand die Defensive wie schon zuvor gegen Kroatien und Belgien zunächst enorm sicher. Nur selten fand Kanada Lücken. Marokko zog sich etwas zurück, blieb aber gefährlich und offenbarte die Defizite der Kanadier: Ein Steilpass von Achraf Hakimi düpierte die Nordamerikaner, En-Nesyri erhöhte. Marokko blieb auch danach spielbestimmend – und kassierte doch aus dem Nichts den ersten Gegentreffer des Turniers. Aguerd klärte eine scharfe Hereingabe von Sam Adekugbe unglücklich ins eigene Tor. (sid, red, 1.12.2022)

Gruppe F – 3. Runde:

Kanada – Marokko 1:2 (1:2).
Doha, Al Thumama Stadium, 43.102 Zuschauer, SR Claus (BRA)

Tore:
0:1 (4.) Ziyech
0:2 (23.) En-Nesyri
1:2 (40.) Aguerd (Eigentor)

Kanada: Borjan – Johnston, Vitoria, Miller – Hoilett (76. Wotherspoon), Osorio (65. Laryea), Kaye (60. Hutchinson), Adekugbe (60. Kone) – Buchanan, Larin (60. David), Davies

Marokko: Bounou – Hakimi (85. Jabrane), Aguerd, Saiss, Mazraoui – Amrabat, Ounahi (76. El Yamiq), Sabiri (65. Amallah) – Ziyech (76. Hamdallah), En-Nesyri, Boufal (65. Aboukhlal)

Gelbe Karten: Hoilett, Osorio, Adekugbe, Vitoria

Kroatien – Belgien 0:0.
Al Rayyan, Ahmad bin Ali Stadium, 43.984, SR Anthony Taylor (ENG)

Kroatien: Livakovic – Juranovic, Lovren, Gvardiol, Sosa – Modric, Brozovic, Kovacic (92. Majer) – Kramaric (64. Pasalic), Livaja (64. Petkovic), Perisic

Belgien: Courtois – Meunier (87. E. Hazard), Alderweireld, Vertonghen, Castagne – Dendoncker (72. Tielemans), Witsel – Trossard (59. T. Hazard), De Bruyne, Carrasco (72. Doku) – Mertens (46. Lukaku)

Gelbe Karten: keine bzw. Dendoncker