Das Bildungsministerium lässt die eigens in Auftrag gegebene Studie, die Verbesserungsmöglichkeiten für die Deutschförderklassen herausarbeitete, an sich abperlen.

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Über zwei Jahre hat die Evaluierung der Deutschförderklassen (DFK) gedauert. Ende Dezember wäre es so weit gewesen: Die Ergebnisse wären vorgestellt worden und hätten die Art und Weise, wie Kinder in Österreich Deutsch lernen müssen, ändern können. Es kam alles anders. Ein "Leak" brachte die Ergebnisse am Montag offenbar in die "Kronen Zeitung", was angesichts des mäßig brisanten Informationsgehalts für Verwunderung sorgte. Die Studie zeigte auf, dass ein Großteil der 700 befragten Lehrkräfte und Schulleitungen für eine Reform der Klassen ist.

Die Reaktion des Bildungsministeriums ließ jedoch einige perplex zurück: Nach dem Bericht rückte das Ministerium aus, nicht nur um die Deutschförderklassen einmal mehr zu verteidigen. Auch die Aussagekraft der Studie wurde infrage gestellt. Zehn Millionen Euro Förderung, die in die Klassen fließen, sollen nun eine Reform ersetzen. Spielt die Wissenschaft keine Rolle für den Wissenschaftsminister?

Spiel: "Mangelnde Wertschätzung"

Die Studienleiterin und renommierte Bildungswissenschafterin Christiane Spiel wurde über all das im Unklaren gelassen. Und das, obwohl sie bis vor kurzem noch "konstruktive Gespräche" mit dem Minister gehabt hätte, sagt Spiel im Gespräch mit dem STANDARD. Das Argument, dass die Studie an Aussagekraft verloren habe – 13.000 Kinder aus der Ukraine mussten eingeschult werden –, weist sie klar zurück: "Wir haben die Erhebungen bei den Pädagoginnen in diesem Jahr durchgeführt." Aber auch unabhängig davon: "Ich möchte eine Erklärung, warum sich die Einstellung zu den Klassen in so kurzer Zeit ändern soll."

Hier werde eine Autonomie nicht gewährt, die aber absolut gewünscht ist, sagt Spiel. "Und das in einer Zeit, in der Kampagnen des Ministeriums den Lehrerberuf attraktiver machen sollen." Die Reaktion zeuge jedenfalls von mangelnder Wertschätzung gegenüber den Kolleginnen.

DER STANDARD

Deal von Schwarz-Grün

Unter dem damaligen Bildungsminister Heinz Faßmann wurde Spiel 2020 beauftragt, das Prestigeprojekt von Türkis-Blau aus dem Jahr 2018/2019 wissenschaftlich zu beleuchten. So sah es der Pakt zwischen Schwarz-Grün vor. Grund war, dass die Klassen seit ihrem Start für Kritik sorgten – die wiederum auf der Separierung der Kinder fußte.

In der Praxis sieht das Modell drei Möglichkeiten vor: Sind die Deutschkenntnisse der Schüler ungenügend, kommen sie in eine eigene Klasse mit bis zu 20 Stunden Deutschunterricht pro Woche. Sind sie ausreichend, erhalten sie in der Regelklasse Deutschförderung (acht Stunden). Kommen weniger als acht Schüler an einem Standort zusammen, erhalten sie die Förderung auch in der Regelklasse. Wo ein Kind landet, entscheidet der Mika-D-Test. Gegen diese starren Regeln sprach sie die Mehrheit der 700 befragten Pädagoginnen in der Studie aus.

Grüne Ratlosigkeit

Auch beim Partner herrscht daher seit Montag Ratlosigkeit: "Die Vorschläge aus der Studie sind konstruktiv, praxisnah, man hätte sich dafür herzlich bedanken können, und wir könnten sie sofort umsetzen", sagt die grüne Bildungssprecherin Sibylle Hamann. Immerhin sei die Verbesserung der Deutschförderklassen auf Basis der Evaluierung im Regierungsprogramm vereinbart. "Auf diesem konsensualen Weg zu bleiben wäre gut für die Kinder – und gesichtswahrend für beide Parteien", sagt Hamann, die noch auf Vernunft beim Partner hofft. Aus dem Ministerium heißt es jedoch, dass der Kritikpunkt von "mehr Deutschförderung" mit den zusätzlichen zehn Millionen Euro aufgegriffen wurde.

Warum aber braucht es eine "gesichtswahrende" Lösung? Klammert sich das Ministerium und in weiterer Folge die ÖVP wider besseres Wissen an die Klassen?

Mangelnde Fehlerkultur

Für die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle hat die Reaktion mit der "Pfadabhängigkeit" zu tun. "Wurde eine Richtung eingeschlagen, tut sich die Politik schwer, das zu revidieren", sagt Stainer-Hämmerle im Gespräch mit dem STANDARD. Generell fehle es massiv an Fehlerkultur in diesem Land. Egal bei welchen Themen, "es geht nur ums Gewinnen oder Verlieren". Dann noch zu sagen, dass die Wissenschafterinnen eine Studie zum falschen Zeitpunkt gemacht hätten, hält Stainer-Hämmerle für besonders perfide. "Das ist eine Unkultur in diesem Land."

Dazu komme außerdem die aufgeladene Debatte über Mehrsprachigkeit in Österreich. Denn wenn es sich nicht gerade um prestigeträchtige Sprachen wie Italienisch oder Französisch handelt, ist "Bilingualität in Österreich kein Vorteil". Das mache sich seit Ewigkeiten in Kärnten, wo Stainer-Hämmerle lehrt, mit dem Slowenischen bemerkbar, aber auch im Kontext der Schule – Stichwort Deutsch im Pausenhof. Meist hätten gerade einsprachige Menschen ein falsches Bild von Zwei- oder Mehrsprachigkeit. Dabei bräuchte es neben der Deutschförderung gerade "ein modernes Verständnis von Mehrsprachigkeit", um jene Kinder dementsprechend zu fördern. (Elisa Tomaselli, 7.12.2022)