Organisationen wie Women in Games Argentina weisen immer wieder auf das Sexismusproblem im Gaming hin.

Foto: Tiktok/kristabyte

Sexismus in und rund um Videospiele hat viele Ebenen. Das fängt bei einem stark von Männern dominierten Arbeitsumfeld an, geht über die noch immer fragwürdige Darstellung von Frauen in vielen Videospielen und endet bei dem toxischen Verhalten gegenüber dem weiblichen Geschlecht in Sprachchats beliebter Games.

Eine aktuelle Studie zum Thema Sexismus im Gaming, im Rahmen derer Gamerinnen und Gamer zu dieser Thematik befragt wurden, zeigt, dass bei der Zielgruppe dennoch weiterhin wenig Bewusstsein für die verschiedenen Problematiken herrscht. Damit muss auch klar sein, dass ein Umdenken in der von vielen Jugendlichen genutzten Freizeitbeschäftigung viel Arbeit für die Verantwortlichen bedeutet.

Gut, dass zumindest immer mehr Organisationen, meist angeführt von Frauen, gegen diese Taubheit ankämpfen und mit Aktionen auf Tiktok oder dem Aufzeigen von verletzenden Beleidigungen in Sprachchats, etwa "Sprich nur, wenn du gefragt wirst", mehr Bewusstsein für diesen allgegenwärtigen Sexismus schaffen wollen.

Feldversuch

Die Organisation Women in Games Argentina teilte kürzlich ein Video zu einem Feldversuch. Männliche Profi-Spieler im Shooter "Valorant" nutzten einen Stimmenverzerrer, um im Sprachchat des Spiels wie eine Frau zu klingen. Das sollte zeigen, wie sich das Verhalten ihnen gegenüber ändern würde, wenn sie als weibliche Spielerin auftreten würden. Trotz der guten Leistung der Spieler wurden sie tatsächlich von Beginn an von ihren Mitspielern beleidigt. Vorschläge, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, wurden etwa mit "Geh allein hin und stirb" kommentiert. Auf den Hinweis, man wolle doch nur etwas zum Spiel beitragen, wurde den Profi-Spielern unter anderem gesagt, sie sollen doch lieber in der Küche etwas beitragen.

Interessanter Nebenaspekt: Ab der Minute, in der sich die Profi-Spieler diese Beleidigungen anhören mussten, hörte auch das für das Spiel nötige Teamplay auf. Die vermeintlichen Frauen wurden im Spiel allein gelassen, und somit sank die Leistung der eigentlich sehr guten Spieler messbar ab. Nach dem Feldversuch gaben die Profi-Spieler zu, das toxische Verhalten der Mitspieler sei frustrierend und nehme jeglichen Spaß am Spiel.

Abschreckende Strukturen

Ende November besuchte DER STANDARD ein E-Sport-Camp für Frauen. Lediglich fünf Prozent der Profis im E-Sport sind weiblich, und immer wieder wird innerhalb und außerhalb der Szene hinterfragt, woran das liegen könnte. Eine Spielerin vor Ort erklärte, es sei ein sehr "einseitiges Umfeld" und habe "abschreckende Strukturen". Damit gemeint sind das männlich dominierte Spielerfeld und die wenigen Möglichkeiten, bei denen sich Mädchen ohne ständige Beleidigungen verbessern können.

Auch die Vorbilder würden fehlen. Ein Problem, dass es in vielen Bereichen und Branchen gibt – der E-Sport gehört aber mit Sicherheit zu den prominentesten Negativbeispielen.

Sexismus als Klickbringer

Beleidigungen hört man auch auf Gaming-verwandten Social-Media-Kanälen zahlreich. Der Twitch-Streamer "duke_in_training", der sich auf Tiktok "die_chefetage" nennt, liest regelmäßig Witze seiner Community vor, die – wie er selbst als Hashtag vermerkt – "unter der Gürtellinie" sind. Ein Beispiel: "Was sagst du zu deiner Frau, wenn sie zwei blaue Augen hat. Nichts, denn du hast es ihr ja schon zweimal gesagt." Begleitet werden diese Witze von lautem Gelächter.

Auf Tiktok, Twitch oder Instagram fehlt es nicht an ähnlichen Accounts. Auf all diesen Plattformen teilen aber auch Spielerinnen regelmäßig ihre erschreckenden Erlebnisse, etwa wenn sich das eigene Team geschlossen gegen sie stellt, nur weil sie sich als Frau zu erkennen geben.

Die Tiktokerin "Marie Antoinette", die unter anderem mit ihrem Können im Shooter "Call of Duty" eine Fanbase von über einer Million Follower aufgebaut hat, startete kürzlich eine Videoserie zum Thema Sexismus in Videospielen. Sie zeigt in mehreren Videos, wie männliche Mitspieler sie mit den üblichen Beleidigungen empfangen, die sie als Frau in der Szene schon gewohnt ist.

Nachdem sie mehrere Abschüsse gemacht und die männlichen Mitspieler in ihre Schranken gewiesen hat, ist eine sprachliche Veränderung im Chat zu bemerken. "Das ist doch sicher ein Typ", heißt es, und als sie die Stimme von Marie hören, kommt zum Teil sogar Anerkennung, kombiniert mit verzweifelten Angebote wie: "Willst du mich heiraten?"

Nicht alle kommen mit diesen Anfeindungen gut zurecht. Auf Twitter schreibt die Spielredakteurin Lea Irion: "Mir fehlt die Kraft, mich diesem Hass entgegenzustellen." Frauen in ihrem Umfeld würden Sprachchats "systematisch" vermeiden, man könne als weibliche Spielerin hier nur verlieren.

Lösungen Mangelware

Die Komikerin Carolin Kebekus thematisierte Sexismus in Videospielen vor zwei Wochen in ihrer Show. Wie im linearen TV üblich, fing sie bei den beeindruckenden Zahlen der Branche an. Das Volumen des Marktes hätte etwa 180 Milliarden US-Dollar allein im Jahr 2021 betragen. Über 60 Prozent der Deutschen würden sich bereits mit Videospielen befassen, die Hälfte davon seien Frauen. An der Repräsentation des weiblichen Geschlechts müsse man aber oftmals genauso arbeiten wie an der offenbar toxischen Spielergemeinschaft.

Frauencharaktere seien oftmals sehr eindimensional in ihrer Präsentation, und würde sich ein starker Frauencharakter einmal durchsetzen, müsse sich auch dieser einen Shitstorm anhören. Als Beispiele nennt sie etwa das von vielen Spielern kritisierte burschikose Gesicht der weiblichen Heldin Aloy in der Spieleserie "Horizon" oder die Morddrohungen gegen die Synchronstimme des weiblichen Charakters Abby im Spiel "The Last of Us 2".

Positive Beispiele, von denen es ohne Zweifel ebenfalls welche gibt, wurden nicht genannt. Beispielsweise die sehr wohl ansteigende Anzahl an tragenden Frauenrollen in Videospielen oder die immer weniger werdende Eindimensionalität von weiblichen Figuren in Rollenspielen. Auch wenn die Darstellung in Spielen wie "Valorant" weiterhin sexy bleibt, werden die Figuren auch zunehmend selbstbewusster in ihrem Auftreten. Ein Anfang.

Die aktuelle Studie zum Thema Sexismus beschränkt sich primär auf den Zusammenhang mit den Kaufentscheidungen im Bereich Gaming.
Foto: Congstar

Es mangelt an Sensibilität

Die eingangs erwähnte Studie zum Thema Sexismus und Gender in Videospielen zeigt, dass es noch ein wenig Zeit braucht, bis auch Spielerinnen und Spieler gegenüber Stereotypen und Sexismus mehr Sensibilität zeigen werden. Ein Sprecher vom deutschen Telekommunikationsanbieter Congstar, der die Studie initiiert hat, meint zu den Ergebnissen: "Insgesamt waren wir von der vergleichsweise niedrigen Relevanz von Sexismus für Gamer und Gamerinnen beider Geschlechter überrascht."

Es sei deutlich, dass mehr Aufklärung geleistet werden muss, wie sexistische Rollenbilder in Videospielen und sexistisches Auftreten gegenüber weiblichen Personen innerhalb der Gaming-Community zusammenhängen können. Nur so könne langfristig eine "positive und integrative Gaming-Community entstehen, in der alle Mitglieder gleichberechtigt sind". (Alexander Amon, 11.12.2022)