Olaf Scholz lobte nach der Großrazzia die "wehrhafte Demokratie".

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Berlin – Im Zusammenhang mit der Großrazzia in der Reichsbürger-Szene hat der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die mutmaßliche Beteiligung einer ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten mit scharfen Worten kommentiert. Dass unter den Beschuldigten eine ehemalige AfD-Abgeordnete im Bundestag sei, "ist natürlich ein sehr bemerkenswerter und sehr schlimmer Vorfall", sagte Scholz am Donnerstagabend. Jetzt wird überprüft, welche Sicherheitsvorkehrungen angepasst werden müssen.

Scholz bezog sich bei seinen Ausführungen nach den Beratungen mit den Länderchefs im Kanzleramt auf die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, die im Zuge der am Mittwoch vollstreckten Razzia als Beschuldigte im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen worden war.

Scholz: "Wehrhafte Demokratie"

Scholz war zuvor nach den Konsequenzen gefragt worden, die aus diesem Ereignis gezogen werden müssten. "Klar ist, dass hier was los ist", sagte Scholz. Es gehe bei den möglichen Konsequenzen nun aber um "autonome Entscheidungen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, die jeweils auf rechtlicher Grundlage eine Abwägung vornehmen", betonte Scholz. Das sei ein gutes Verfahren im Umgang mit den Geschehnissen.

Ansonsten sei "die wichtigste Konsequenz, dass alle wissen, dass wir einen wehrhaften Staat haben, eine wehrhafte Demokratie sind, die solche Rechtsverletzungen und solche Planungen mit ihren Sicherheitsbehörden durchkreuzen kann und mit aller Kraft das zurückweisen kann", betonte der Bundeskanzler.

Abgeordnete wollen Verbindungen zu AfD prüfen

Bundestagsabgeordnete forderten laut Medienberichten Konsequenzen. Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) kündigte eine genau Prüfung an, welche Sicherheitsvorkehrungen für den Bundestag angepasst werden müssen. "Auch bei diesem Netzwerk gibt es offenbar eine Verbindung zur AfD-Fraktion", sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. SPD-Innenexperte Sebastian Hartmann plädierte "nach der Verhaftung einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten der AfD, die den Bundestag stürmen lassen wollte", nun "dringend ihre bestehenden Kontakte in das Parlament" zu überprüfen. Er gehe davon aus, "dass sie auf Hilfe von innen hoffte bei ihren Umsturzplänen".

Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz forderte mehr Schutz für den Bundestag. "Das Sicherheitskonzept des Bundestags ist nicht dafür gemacht, dass Verfassungsfeinde mit Zutrittsprivilegien ins Parlament gewählt werden. Das ist ein Schwachpunkt der wehrhaften Demokratie", meinte der Vorsitzende des parlamentarischen Kontrollgremiums laut einem Vorabbericht der Medien des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

25 Menschen festgenommen

Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte am Mittwoch bei einem der größten Polizeieinsätze in der Geschichte der Bundesrepublik in elf Bundesländern sowie in Italien und Österreich 25 Menschen festnehmen lassen. 22 von ihnen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System stürzen wollte. Bei den drei anderen geht es um Unterstützung. Bis auf eine Russin haben den Angaben zufolge alle die deutsche Staatsbürgerschaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten. (APA, 9.12.2022)