In der Gruppenphase der WM 2018 schlug Portugal Marokko mit 1:0 – für Cristiano Ronaldo war dieses Match auch nicht der reine Spaß.

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Kamerun scheiterte 1990 gegen England durch einen in der Verlängerung verwandelten Elfmeter von Gary Lineker. Senegal kassierte 2002 ein Golden Goal von der Türkei, und Ghana verzweifelte 2010 gegen Uruguay an der Hand von Luis Suárez und im Elfmeterschießen – am Samstag ist es nun an Marokko, im vierten Versuch den Traum vom ersten afrikanischen WM-Halbfinale zu erfüllen.

Die "Löwen vom Atlas", die im Achtelfinale Spanien den Nerv zogen, erfreuen sich über ihren Kontinent hinaus großer Sympathien. Cafu, der brasilianische Weltmeister von 1994 und 2002, sieht "eine großartige Gelegenheit, die europäische Dominanz zu brechen".

"Wir wollen etwas Historisches schaffen", sagt Walid Regragui ein ums andere Mal. Der gebürtige Franzose hat aus dem marokkanischen Team in kürzester Zeit einen äußerst unangenehmen Gegner für jede Mannschaft geformt. Seit der Amtsübernahme des 46-Jährigen im September kassierte seine Auswahl in sieben Partien nur einen Gegentreffer – das Eigentor beim 2:1 gegen Kanada. Selbst im Elfmeterschießen gegen Spanien war Torhüter Bono nicht zu überwinden. Vor der Nummer eins des FC Sevilla steht eine normalerweise physisch starke, kompromisslose Abwehr. Doch gerade die geht vor dem Duell mit der portugiesischen Offensivmacht am Stock. Die Stars Achraf Hakimi von Paris Saint-Germain und Noussair Mazraoui vom FC Bayern dürften rechtzeitig fit werden. Bei Abwehrchef Romain Saiss und dem Sechser Sofyan Amrabat gibt es noch keine Entwarnung. Sicher fehlen dürfte Innenverteidiger Nayef Aguerd wegen einer Knieverletzung.

In dieser Situation baut Coach Regragui mehr denn je auf die Unterstützung der Fans, die nicht nur im Al-Thumama-Stadion zu Doha in der Überzahl sein werden. "Wir fühlen den positiven Vibe, auch in den sozialen Netzwerken. Ein ganzer Kontinent und auch große Teile der arabischen Welt stehen hinter uns, das ist fantastisch." Portugal habe weniger Schwächen als andere Teams, "aber das hatten auch Spanien, Belgien und Kroatien. Wir müssen optimistisch sein."

CR7 am Hals

Spanien, Belgien und Kroatien hatten auch nicht die "Causa Cristiano Ronaldo" am Hals. Noch am Tag vor dem Viertelfinale sah sich Portugals Coach Fernando Santos genötigt, zum Gerücht Stellung zu nehmen, dass der Rekordinternationale wegen seiner Reservistenrolle im Achtelfinale gegen die Schweiz die Abreise aus Katar erwogen habe. "Er war aus offensichtlichen Gründen nicht sehr glücklich darüber", plaudert Santos quasi aus dem Teamquartier. "Denkst du wirklich, dass das eine gute Idee ist?", habe ihn Ronaldo gefragt. "Ich habe ihm meinen Standpunkt erklärt, er hat es akzeptiert und niemals gesagt, dass er das Team verlassen will", sagte Santos. Es sei höchste Zeit, die Polemik zu beenden und anzuerkennen, was er "für Portugals Fußball getan" hat. Und vielleicht noch tun kann.

Welcher Druck vor dem Treffen mit Marokko auf Coach Santos lastet, weiß selbst Antonio Costa. "Ich denke, es ist einfacher, eine Regierung zu bilden, als die Startelf aufzustellen", sagte der Premierminister. Die zehn Millionen restlichen Teamcoaches in Portugal dürften der Sportzeitung O Jogo zustimmen, die mit "Never Change a Winning Team" titelte. Für das Magazin A Bola stimmten 93,6 Prozent der Befragten dafür, dass Ronaldo-Ersatz Gonçalo Ramos nach seinen drei Treffern gegen die Schweiz zum zweiten Mal für Portugal beginnen sollte. (sid, red, 10.12.2022)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Viertelfinale: Marokko – Portugal (Doha, Al Thumama Stadion, 16.00 Uhr/live ServusTV, SR Facundo Tello/ARG)

Marokko: 1 Bounou – 2 Hakimi, 5 Aguerd, 6 Saiss, 3 Mazraoui – 4 Amrabat, 8 Ounahi, 15 Amallah – 7 Ziyech, 19 En-Nesyri, 17 Boufal

Ersatz: 12 El Kajoui, 22 Tagnaouti – 18 El Yamiq, 20 Dari, 24 Benoun, 25 Attiat-Allah, 10 Zaroury, 13 Chair, 14 Aboukhlal, 16 Abde, 23 El Khannouss, 26 Jabrane, 11 Sabiri, 9 Hamdallah, 21 Cheddira

Portugal: 22 Costa – 2 Dalot, 4 Dias, 3 Pepe, 5 Guerreiro – 18 Neves, 25 Otavio – 10 B. Silva, 8 Fernandes, 11 J. Felix – 26 Ramos

Ersatz: 1 Patricio, 12 Sá – 20 Cancelo, 24 António Silva, 6 Palhinha, 14 William, 15 Leao, 16 Vitinha, 17 Mario, 23 Nunes, 9 André Silva, 21 Horta, 7 Ronaldo

Es fehlen: 9 Mendes (Muskelverletzung), 13 Danilo (Rippenbrüche)