Der französische Topstar Kylian Mbappé lächelt sich durch die WM, mit fünf Treffern führt er die Schützenliste an. Weltmeister war der 23-Jährige auch schon.

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Schade. Diese Partie hätten Feinspitze sich zumindest eine Runde später gewünscht. Ein paar, die im schwärmerischen Überschwang auf Brasilien oder Portugal vergessen, meinen gar, Frankreich gegen England wäre auch ein würdiges Finale gewesen. Ein längst bewährtes Team – Les Bleus – muss sich so eben schon im Viertelfinale messen an einem sich bewähren wollenden (oder müssenden) Team – The Three Lions. Ein Leckerbissen zweifellos, ein Gustostückerl.

Der Titelverteidiger und sein Herausforderer sind zweifellos das Beste, das Europa zurzeit bietet. Nicht nur höchst organisierte Mannschaftskörper, die sich Didier Deschamps und Gareth Southgate hergerichtet haben. Sondern auch exquisite Spieler, aus denen einige noch einmal herausragen: Mit den Namen Kylian Mbappé oder Harry Kane findet man da keineswegs das Auslangen.

Schöner Kampf

Da gibt es bei Frankreich zum Beispiel den bayrischen Innenverteidiger und Ex-Salzburger Dayot Upamecano, der zuletzt spielerisch leicht gestottert hat. Oder Englands Midfielder, den Dortmunder Jude Bellingham. "Ich kenne ihn gut", sagt Upamecano, "Bayern gegen Dortmund ist wie Krieg. Das wird ein schöner Kampf in der Mitte."

England ist, so wie es ausschaut, komplett. Auch Chelseas Stürmer Raheem Sterling meldet sich zurück. Er war nach einem bewaffneten Einbruch in sein Londoner Haus heim zu Frau und Kind gereist. Und wenn etwas für die englische Qualität spricht, dann doch das: Er konnte beim 3:0 gegen Senegal beinahe fugenlos ersetzt werden.

Und Kane erzielte dabei – auf der Insel gilt das als gutes Omen – sein erstes Katar-Tor, bis dahin war er eher als passgebender Einfädler in Erscheinung getreten. "Ich hoffe", droht er den Franzosen, "dass es der Beginn eines Laufs für mich persönlich sein kann, denn ich weiß, dass dies der Mannschaft helfen wird." Ein Tor würde ihm noch auf 53 Treffer fehlen, den Rekord von Wayne Rooney. Bei der WM 2018 war er mit sechs Treffern Torschützenkönig.

Midfielder Declan Rice – der wegen Unwohlseins fraglich gewesen ist, sich aber fit gemeldet hat – kann sich mit Kanes Gestaltungsfreude anfreunden. "Er hat seine neue Rolle angenommen, in der er sich deutlich mehr einbringen und das Spiel zusammenführen möchte."

Was die beiden Viertelfinalisten unterscheidet, ist das Herzeigbare. England hat ja lange, zu lange Zeit unter seiner Mutterlandarroganz gelitten, der Überzeugung, die ballesterische Weisheit mit dem Löffel gefressen zu haben. Coach Gareth Southgate hat gewissermaßen die Demut auf der Insel etabliert. Mit Erfolg: Bei der WM 2018, dem ersten Turnier nach seinem Amtsantritt, kam er ins Halbfinale. Bei der EM drei Jahre später sogar ins Endspiel. Über Didier Deschamps zu reden erübrigt sich: Weltmeister und Europameister (1998, 2000) als Spieler; Weltmeister als Trainer 2018. Er verteidigt den Titel.

Gutes Verhältnis

So manche vergleichen Southgate mit Deschamps. Beide sind pragmatisch, pflegen ein gutes Verhältnis zu den Spielern, ohne ihnen zu nahe zu sein. Und beide haben, ganz ohne Zweifel, das Glück oder die Herausforderung, herausragende, aber eben auch selbstbewusste Kicker orchestrieren zu dürfen oder müssen.

Die Fifa, die nicht nur Allotria treibt mit ihrem Gianni Infantino, sondern auch die Spielentwicklung verfolgt, sieht England auf gutem Weg. Der Fifa-Beobachter und langjährige Arsenal-Coach Arsène Wenger meint zu Southgate: "Er hat tolle Ideen, aus der WM und der EM wichtige Schlüsse gezogen." Sein Kollege Jürgen Klinsmann ergänzt: "Sie sind im Kommen."

Deschamps’ Vertrag läuft nach der WM aus. Zinédine Zidane wartet angeblich. Verbandspräsident Noël Le Graët meint aber: "Wenn man das Glück hat, einen Didier Deschamps zu haben, klopft man nicht an die nächste Tür." On verra, wie der Engländer sagt. (Wolfgang Weisgram, 10.12.2022)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen:

Viertelfinale: England – Frankreich (Al Khor, Al Bayt Stadium, 20.00 Uhr/live ORF 1, SR Wilton Sampaio/BRA)

England: 1 Pickford – 2 Walker, 5 Stones, 6 Maguire, 3 Shaw – 4 Rice – 8 Henderson, 22 Bellingham – 17 Saka, 9 Kane, 20 Foden

Ersatz: 13 Pope, 23 Ramsdale – 12 Trippier, 15 Dier, 16 Coady, 18 Alexander-Arnold, 7 Grealish, 14 Phillips, 19 Mount, 25 Maddison, 26 Gallagher, 10 Sterling, 11 Rashford, 24 Wilson

Es fehlt: 21 White (Abreise aus persönlichen Gründen)

Frankreich: 1 Lloris – 5 Koundé, 4 Varane, 18 Upamecano, 22 T. Hernández – 8 Tchouameni, 14 Rabiot – 11 Dembélé, 7 Griezmann, 10 Mbappé – 9 Giroud

Ersatz: 16 Mandanda, 23 Areola – 2 Pavard, 3 Disasi, 13 Fofana, 17 Saliba, 24 Konate, 6 Guendouzi, 15 Veretout, 25 Camavinga, 12 Kolo Muani, 20 Coman, 26 Thuram

Es fehlt: 21 L. Hernandez (Kreuzbandriss)