Modric blickt schon wieder nach vorne. Da sieht er das Nations-League-Finalturnier, vielleicht auch die EM 2024.

Foto: REUTERS/Lee Smith

Luka Modric küsste seine Bronzemedaille mit dem eingravierten WM-Pokal, der ihm im goldenen Original auf ewig verwehrt zu bleiben scheint, dann startete der Kapitän mit einem Wink in Richtung des kroatischen "Kindergartens" die Party. Modric wirbelte Töchterchen Ema durch die Luft und schoss Erinnerungsfotos, als Sohn Ivano in seinem Rücken mit einer Plastikflasche als Fußball die anderen Kids narrte – die gleichen langen Haare, dasselbe Trikot mit der Nummer zehn auf dem Rücken.

Der "Erbe" schien da schon bereitzustehen, nachdem Kroatien im Spiel um Platz drei mit 2:1 gegen Marokko erfolgreich geblieben war, ein Hauch von Abschied wehte durch das Khalifa International Stadium. Modric umarmte seinen weinenden Papa Stipe, der den Sohn einst nach dem im Bürgerkrieg getöteten Großvater benannt hatte. Er zeigte seienr Frau Vanja stolz die Medaille, seine zweite nach Silber 2018, und posierte mit Ivano, Ema und seiner zweiten Tochter Sofia fürs Familienalbum. Aus den Stadionboxen trieften kroatische Schnulzen.

Schöner wird’s nicht mehr. Oder etwa doch? Aufzuhören jedenfalls, sagte Modric nach all den Herzensszenen, komme für ihn auch nach 162 Länderspielen nicht infrage. Er will "mindestens" noch das Finalturnier der Nations League im Sommer spielen, wenn sein Vertrag bei Real Madrid ausläuft, "und dann vielleicht noch ein paar Qualifikationsspiele für die EM 2024. Danach werden wir sehen". Wird der kleine Magier mit dem goldenen Außenrist noch bei der EURO in Deutschland zaubern? Warum nicht, meinte Turnierdirektor Philipp Lahm. "Luka Modric ist noch im Alter von 37 der perfekte Mittelfeldspieler der Gegenwart", hat Lahm in seiner Zeit-Kolumne geschrieben, "weil er die Balance seines Teams hält."

Drei Medaillen seit 1998

Das tut er bei seinem Spätwerk wie im "kleinen Finale" gegen Marokko als eine Art Quarterback tief in der eigenen Hälfte. Seine genialen Pässe in die Spitze und eigene Abschlüsse sind seltener geworden, als Anker aber scheint er unverzichtbar. Mit und dank Modric hat sich das kleine, sportverrückte Kroatien endgültig als Fußball-Großmacht etabliert. Drei WM-Medaillen seit 1998 – mehr haben in diesem Zeitraum nur Frankreich und Deutschland (je vier) vorzuweisen."

Als Kroatien 1998 Dritter wurde, habe ich davon geträumt, da auch einmal hinzukommen", sagte Modric selig. "Wir haben es verdient, dass man uns nicht mehr als Außenseiter betrachtet. Wir haben bewiesen, dass wir zu den Größten zählen!" Zu Hause wurden die Helden quasi von einer ganzen Nation umarmt. "Ihr seid für uns die Goldenen!", schrieb die Zeitung Slobodna Dalmacija, und Sportske Novosti würdigte "ein kleines Land für große Taten", Jutarnji List sieht die "Feurigen" zur Fußball-"Weltmacht" aufgestiegen. Wer wird denn da aufhören?

Neben Modric ragte bei der WM ein Verteidiger aus dem kroatischen Kollektiv heraus. Der erst 20-jährige Josko Gvardiol überzeugte auch am Samstag mit seinem Kopfballtreffer und einem Vorstoß, der ihm überraschend keinen Elfmeter bescherte, er räumte hinten immer wieder ab, leitete einmal mehr teils sehenswert die Angriffe der Kroaten ein und wurde zurecht als Spieler des Spiels ausgezeichnet. Etliche Topklubs dürften Gvardiol nun auf dem Zettel haben. Man wird sehen, wie lange RB Leipzig den Innenverteidiger halten kann. (sid, 18.12.2022)