Messi jubelt mit dem ehemaligen Argentinien-Stürmer Aguero.

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Kylian Mbappé traf drei Mal. Das 2:2 war der spektakulärste Treffer.

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Angel Di Maria, er erzielte das 2:0 nach einem sehenswerten Konter, herzt Messi.

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Der Pokal.

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Nach der verpatzten WM 2018 in Russland schien Lionel Messis Karriere in der argentinischen Nationalmannschaft beendet zu sein. Trainer Lionel Scaloni überredete den designierten Erben von Diego Maradona allerdings zum Comeback. Und vier Jahre später ist Messi, der Floh, wie Maradona, der Goldjunge, endlich Weltmeister. Der Gewinn der Copa América im Vorjahr im Finale gegen Gastgeber Brasilien war nur der Vorgeschmack gewesen.

Im Finale gegen Titelverteidiger Frankreich gelang mit einem 4:2 im Elferschießen nach einem dramatischen 3:3 nach Verlängerung die Vollendung – auch einer Truppe, die sich als Turniermannschaft erwiesen und nach der Auftaktniederlage gegen Saudi-Arabien von Spiel zu Spiel gesteigert hatte.

VIDEO – Buenos Aires im Ausnahmezustand: Nach dem Sieg im WM-Finale gegen Frankreich feiern die argentinischen Fans bis in den Morgen.
DER STANDARD

Argentinien überlegen

Wie die Kaninchen vor dem Floh erstarrten die Franzosen erstmals in der 23. Minute. Ousmane Dembélé hatte gegen die alte Regel verstoßen, dass ausgewiesene Offensivkräfte im eigenen Strafraum tunlichst nicht leichtsinnig an den Mann gehen sollten. Und tatsächlich war Ángel Di Maria, der gerade rechtzeitig für sein zweites großes Finale fit geworden war, nachvollziehbar und dankbar gefallen. Schiedsrichter Szymon Marciniak aus Polen zeigte sofort auf den Punkt. Frankreichs Goalie Hugo Lloris konnte das 167. Tor des Turniers, Messis 792. Pflichtspieltreffer, nicht verhindern.

Der Schock saß beim Team von Coach Didier Deschamps. Gegen konsequent attackierende Argentinier fanden sie in den ersten 45 Minuten nicht eine echte Chance vor. Ja, sie taumelten einer frühen Vorentscheidung entgegen, als die Albiceleste den schönsten Konter der WM spielte. Über Messi und Julián Álvarez kam der Ball zu Alexis Mac Allister, der selbst Ausgangspunkt der blitzschnellen Attacke gewesen war. Dessen Pass fand Di Maria. Und der Routinier, selbst schon 34 Jahre alt, ließ sich die Chance nicht entgehen (36.), traf aus spitzem Winkel und vergoss erste Freudentränen. Auf den Tribünen des Lusail-Stadions war angesichts der überragenden Vorstellung der Südamerikaner die Party längst im Gang. Zwei frühe Wechsel – Randal Kolo Muani kam für Dembélé, Marcus Thuram für den wie Mbappé völlig abgemeldeten Olivier Giroud – bewirkten bis zum Halbzeitpfiff nichts.

Mbappé-Doppelpack binnen 97 Sekunden

Auch nach Wiederbeginn wirkten die Franzosen schon geschlagen. Argentinien blieb deutlich gefährlicher, konterte, den Vorsprung im Rücken, besonnen. Als Di Maria nach etwas mehr als einer Stunde ging, begannen erste Feierlichkeiten. Als Deschamps auch noch Theo Hernandez und Antoine Griezmann, das Herz der Équipe Tricolore, vom Feld holte, wirkte das fast schon wie das Eingeständnis der Niederlage.

Mitten in die argentinische Festlichkeit platzte aber ein Konter der Franzosen, an dessen Ende Kolo Muani vom argentinischen Abwehrchef Nicolás Otamendi niedergerissen wurde. Den klaren Elfer verwertete Mbappé mit seinem ersten Schuss aufs Tor (80.).

Der Gegentreffer hatte lähmende Wirkung auf die Argentinier. Nach einem Ballverlust von Messi und einem Doppelpass mit dem eingewechseltem Kingsley Coman netzte Mbappé eiskalt zum Ausgleich (81.) – der siebente Treffer des 23-jährigen Schützenkönigs der WM.

Auf der Ehrentribüne, auf der auch Altkanzler Sebastian Kurz in Begleitung von Trump-Schwiegersohn Jared Kushner und nahe Elon Musk gesichtet wurde, eskalierte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Die Franzosen drängten auf den Siegestreffer, hatten aber Goalie Lloris zu danken, der die Verlängerung mit einer Parade gegen Messis Gewaltschuss erzwang (90. +6).

In der Verlängerung fingen sich die Argentinier, und Messi schlug mit letzter Kraft nochmals zu, traf zum 3:2 (108.). Doch das Drama war noch lange nicht vorbei, denn der eingewechselte Gonzalo Montiel spielte den Ball im eigenen Strafraum mit dem Ellenbogen. Den gerechten Elfer verwertete Mbappé wieder eiskalt (118.). Wie befürchtet mussten die Elfer entscheiden, Mbappé und Messi trafen, Coman und Aurelien Tchouameni für Frankreich aber nicht.

Katarischer Sieg

Mit dem argentinischen Triumph endete eine WM, wie es sie noch nie gegeben hatte: in höchstem Maße umstritten, in aller Gnadenlosigkeit gepusht mit vielen Milliarden und einer Politik der warmen Hand – und ohne Rücksicht auf Ressourcen oder Menschenleben. Verlegt in den Winter wegen sonst unerträglicher Hitze. Am Ende war es: ein einziger katarischer Sieg.

Das Sportswashing des WM-Gastgebers war nach einer unruhigen ersten Woche von Erfolg gekrönt. Das Golf-Emirat bekam sein perfekt organisiertes, fröhliches arabisches, nordafrikanisches und auch südamerikanisches Fußballfest, auch wenn es austauschbar wirkte. Im Finale standen Mbappé und Messi, die Megastars von Paris St. Germain, das: Katar gehört.

Nörgler und Moralapostel waren plötzlich jene, die noch auf Missstände verwiesen. Gianni Infantino führte es den Europäern genüsslich vor. (Sigi Lützow, sid, 18.12.2022)

Fußball-WM in Katar, Finale:

Argentinien – Frankreich 4:2 im Elfmeterschießen (3:3 n.V.,2:2, 2:0). Lusail, Lusail Stadium, 88.966 Zuschauer, SR Szymon Marciniak (POL)

Tore:

  • 1:0 ( 23.) Messi (Foulelfmeter)
  • 2:0 ( 36.) Di Maria
  • 2:1 ( 80.) Mbappé (Foulelfmeter)
  • 2:2 ( 81.) Mbappé
  • 3:2 (108.) Messi
  • 3:3 (118.) Mbappé (Handelfmeter)

Elfmeterschießen:

0:1 – Mbappé trifft
1:1 – Messi trifft
1:1 – Coman scheitert an E. Martinez
2:1 – Dybala trifft
2:1 – Tchouaméni verschießt
3:1 – Paredes trifft
3:2 – Kolo Muani trifft
4:2 – Montiel trifft

Argentinien: E. Martinez – Molina (91. Montiel), Romero, Otamendi, Tagliafico (121. Dybala) – De Paul (102. Paredes), Fernández, Mac Allister (116. Pezzella) – Messi, Alvarez (103. La. Martínez), Di Maria (64. Acuna)

Frankreich: Lloris – Koundé (121. Disasi), Varane (113. Konaté), Upamecano, T. Hernández (71. Camavinga) – Tchouaméni, Rabiot (96. Fofana) – Dembélé (41. Kolo Muani), Griezmann (71. Coman), Mbappé – Giroud (41. Thuram)

Gelbe Karten: Fernández, Acuna, Paredes, Montiel bzw. Rabiot, Thuram, Giroud (auf Bank)

Der Weg der argentinischen Nationalmannschaft zum WM-Titel:

Vorrunde, Gruppe C:

  • Argentinien – Saudi-Arabien 1:2 (1:0)
  • Argentinien – Mexiko 2:0 (0:0)
  • Polen – Argentinien 0:2 (0:0)

Argentinien als Gruppensieger weiter.

  • Achtelfinale, Argentinien – Australien 2:1 (1:0)
  • Viertelfinale, Niederlande – Argentinien 2:2 (2:2, 0:1) n.V., 3:4 i.E.
  • Halbfinale, Argentinien – Kroatien 3:0 (2:0)
  • Finale, Argentinien – Frankreich 3:3 (2:2, 2:0) n.V., 4:2 i.E.

Die Torjägerliste der WM

1. Kylian Mbappé (Frankreich), 8 Tore

2. Lionel Messi (Argentinien), 7 Tore

3. Julian Alvarez (Argentinien),
Olivier Giroud (Frankreich), 4 Tore

5. Cody Gakpo (Niederlande),
Alvaro Morata (Spanien),
Goncalo Ramos (Portugal),
Marcus Rashford (England),
Richarlison (Brasilien),
Bukayo Saka (England),
Enner Valencia (Ecuador), 3 Tore