Mit RTX 4090 betritt ein neues Schwergewicht das Gehäuse des Testrechners. So schwer, dass es abgestützt werden muss.

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Seit ihrer Ankündigung im September sorgte die neue Grafikkarten-Generation von Chiphersteller Nvidia für allerhand Schlagzeilen: Zuerst überwog die Verwunderung über neue Superlative bei Abmessungen, Stromverbrauch und nicht zuletzt auch beim Preis. Dann wurde von Nvidia ein angekündigtes Modell wegen offenbar irreführender Bezeichnung zurückgezogen. Zuletzt tauchten immer wieder Berichte von Nutzern auf, wonach die Karten auch Probleme mit der Stromversorgung verursachen dürften.

Gleichzeitig verspricht die Grafikkarten-Generation RTX 4000 seitens Nvidia aber auch ein deutliches Plus an Performance, das sich auf den Bildschirmen bemerkbar machen soll. Über den üblichen Generationensprung hinaus soll neben roher Rechenpower auch die Leistung bei Raytracing erhöht worden sein, also der realistischeren Berechnung der Lichtstrahlen in Spielumgebungen. Zudem soll eine Weiterentwicklung der KI-gestützten Bildberechnung DLSS maßgeblich zum Plus beitragen. Kann sich das auszahlen? DER STANDARD hat mit einer RTX 4090 und einer RTX 4080 zwei Modelle genauer unter die Lupe genommen.

Die Modelle im Überblick

Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde für den Praxis-Check der PC von Mifcom herangezogen, über den DER STANDARD bereits berichtet hatte. Dabei wurde die verbaute TUF Gaming RTX 3080 Ti OC von Asus gegen zwei aktuelle Grafikkarten getauscht.

Als Beispiel für eine RTX 4080 kam eine Geforce RTX 4080 Phantom von Gainward zum Einsatz. Die Karte machte sich beim Einbau über drei Slots im Gehäuse breit und war damit so fest im Rahmen verankert, dass die Montage beiliegender Stützhilfe nicht notwendig erschien. Die Anmutung der Karte an sich ist bis auf den Schriftzug, dessen Beleuchtung sich deaktivieren lässt, dezent gehalten. Besonders positiv fiel im Betrieb auch unter hoher Last die geringe Lautstärke auf, selbst bei offenem Gehäuse.

Für die RTX 4090 musste wieder ein Exemplar von Asus herhalten. Auch die TUF Gaming Geforce RTX 4090 OC Edition beansprucht drei Slots im Gehäuse. Allerdings lässt sie sich unverständlicherweise nur an zwei Slots verschrauben, weshalb der Einsatz der mitgelieferten Stützhilfe hier dringend notwendig erschien. Das liegt vor allem auch daran, dass die RTX 4090 ein unglaublich dicker Grafikziegel ist.

Der Größenvergleich zeigt die absurden Ausmaße des neuen Nvidia-Flaggschiffs RTX 4090.
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Im direkten Größenvergleich wirkt selbst die zuvor verbaute RTX 3080 Ti wie ein Kinderspielzeug. Das Modell von Asus beeindruckt mit seinem hochwertig wirkenden, robusten Metallkäfig, in dem Karte, Kühlkörper und Lüfter verpackt sind. Negativ fiel beim Testen hingegen häufig Spulenfiepen auf, das bei geschlossenem Gehäuse allerdings kaum noch wahrnehmbar war. Probleme beim Einbau, der Installation und im laufenden Betrieb gab es bei beiden Karten sonst keine.

Saubere Installation nur gegen Aufpreis

Während man sich beim Auspacken beider Grafikkarten noch über die mitgelieferten Stützhilfen lustig machen könnte, vergeht selbst dem passionierten Bastler das Lachen bei den beiliegenden Adaptern für die Stromversorgung. Nvidia hat der neuen Grafikkarten-Generation einen neuen Stromanschluss spendiert, weshalb sie sich nur auf zwei Arten anschließen lässt. Entweder man wählt besagten Adapter, oder man kauft sich ein spezielles Kabel, mit dem sich Karte und Netzteil direkt verbinden lassen. Vorausgesetzt, dass das Netzteil stark genug ist, doch dazu später mehr.

Kein Premium-Feeling: links der Stromkabel-Adapter für die RTX 4090, rechts der für die RTX 4080.
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Abgesehen davon, dass die Adapter rein optisch eine Zumutung sind, will man sich die Komplikationen gar nicht ausmalen, die mangels Platz und Ordnung in zahlreichen Gehäusekonfigurationen entstehen können. Und ganz "nebenbei" wirken sie auch nicht besonders vertrauenerweckend, sondern eher wie ein handfester Pfusch. Daher auch der Entschluss des Verfassers, sich für die zweite Variante zu entscheiden und ein eigens dafür ausgelegtes Kabel beim Netzteilhersteller zu beziehen. Bei Grafikkarten dieser Preisklasse beginnt das Erlebnis also mit einem schlechten Witz.

Das Kraftwerk strahlt

Absolut kein Witz sind hingegen die Benchmark-Ergebnisse, die an mancher Stelle mehrmals durchgeführt worden sind, weil Zweifel an den Werten bestand. Unberechtigte, wie sich herausstellen sollte. Man kann hier durchaus von einen der größten Leistungssprünge seit Jahren nachvollziehen, Nvidia hat an dieser Stelle nicht zu viel versprochen.

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Besonders beeindruckend sind die Ergebnisse der RTX 4090, sie kann sich in den meisten Fällen nochmals deutlich von der RTX 4080 absetzen. Der unverhältnismäßig hohe Aufpreis zahlt sich aber nur für Enthusiasten aus, zumal die Tests auch zeigen, dass der Performancesprung innerhalb der neuen Generation nicht immer hoch ausfällt. "Cyberpunk 2077" bleibt nach wie vor ein kleiner Härtefall, wenn man sich mit der Qualität von Upsamplern wie DLSS nicht anfreunden möchte.

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Auch zeigen die Resultate, dass Raytracing mit der Generation RTX 4000 auf einem Level angekommen ist, bei dem man in den meisten Fällen nicht mehr überlegen muss, ob man es aktivieren soll oder nicht. Es ist in diesem Segment einfach genug Power vorhanden, um den daraus resultierenden Dämpfer locker verkraften zu können. Den wirklichen Härtetest muss Nvidia nächstes Jahr aber erst mit der Mittelklasse bestehen und auch dort zeigen, dass Raytracing bei vernünftigen Bildwiederholraten alltagstauglich einsetzbar ist.

DLSS 3: Zukünftiges Ass im Ärmel

Hinter DLSS oder auch Deep Learning Super Sampling steckt KI-gestützte Bildberechnung. Der Vorteil dieser Technologie besteht grundsätzlich darin, dass Entwicklerinnen und Entwickler einen höheren Detailgrad und flüssigere Bildwiederholraten für die Bilddarstellung umsetzen können, ohne dafür höheren Rechenaufwand zu benötigen.

Die ersten beiden Versionen von DLSS waren und sind mehr oder weniger auf Upscaling beschränkt. Dabei ergänzt eine künstliche Intelligenz einfach formuliert niedrig aufgelöste Bilder um passende Pixel zu hochauflösenden Bildern. Diese bewährte und mittlerweile bei vielen Spielerinnen und Spielern geschätzte Methode der Bildoptimierung bleibt fester Bestandteil aller Grafikkarten von Nvidia, die bisher davon Gebrauch machen konnten. Auch für neue Spiele wird sie in Form von DLSS 2 weiterhin unterstützt und optimiert, versichert zumindest Nvidia.

Die für RTX 4000 exklusiv angekündigte Version 3 von DLSS geht aber einen Schritt weiter. Bei DLSS 3 kommt zu den neuronalen Netzen von DLSS 2 eine künstliche Intelligenz hinzu, die vollständige Frames berechnet und sie zwischen die eigentlichen Bilder einfügt, um so die Bildwiederholrate erhöhen zu können. Es handelt sich also um eine von der eigentlichen Rechenlast der Grafikkarte unabhängige Zwischenbildberechnung.

NVIDIA GeForce

Eine weitere wesentliche Komponente für DLSS 3 ist die bereits bekannte Reflex-Technologie von Nvidia, die in ihrer ursprünglichen Form dazu gedacht ist, Systemlatenzen zu verringern. Da DLSS 3 ein Bild zurückbehält, um daraus die Bilder der KI abzuleiten, lässt sich Reflex – wie sonst beim gesamten System auch – einsetzen, um Verzögerungen in der Darstellung mithilfe von DLSS 3 zu verhindern. Dahinter stehe laut Nvidia auch genau der Grund, weshalb DLSS 3 nicht abwärtskompatibel sei: Bei älteren Grafikkarten könne die Performance nicht geboten werden, um einen Lag verhindern zu können.

Die Aussage von Nvidia kann freilich nicht überprüft werden, die Resultate in der Praxis sprechen aber für sich. DLSS 3 sorgte bei "Cyberpunk 2077" und "Microsoft Flight Simulator" für massive Performance-Schübe, ohne die Bildqualität maßgeblich zu beeinträchtigen. So waren bei "Cyberpunk 2077" in 4K bei maximalen Details bis zu 167 Bilder pro Sekunde möglich, beim "Microsoft Flight Simulator", wo die Frame-Generation in den Optionen extra zugeschaltet wird, waren es sogar 192 Bilder pro Sekunde.

Zwei Nachteile von DLSS 3 sollen nicht unerwähnt bleiben: Zum einen ist diese Frame-Generierung eben ein Exklusivfeature von RTX 4000, zum anderen gibt es derzeit nur knapp 40 Titel, die diese Technologie unterstützen. Zwar bekommt man jetzt schon einen Ausblick auf die Zukunft eines möglichen Nvidia-Standards, momentan sind die Anwendungsfälle aber noch zu speziell, um als wirkliches Kaufargument in Betracht gezogen werden zu können.

"Watt" soll das?

Nach durchaus ansehnlichen und erfreulichen Bildschirmresultaten, die definitiv zu den großen Stärken von RTX 4000 zählen, wieder ein ordentlicher Dämpfer: der Stromverbrauch. Was die beiden Karten an Strom ziehen, ist gerade in diesen Zeiten jenseits von Gut und Böse. Messungen aus der Praxis mit einer smarten Steckdose zeigen: Beim Spielen von "Cyberpunk 2077" zog das komplette System mit der RTX 4090 teilweise bis zu 690 Watt, beim 4080er-Modell waren es "nur" bis zu 550 Watt. Es verwundert also nicht, dass Hersteller mindestens ein 850-Watt-Netzteil für den Einsatz von RTX 4000 empfehlen.

Auch wenn Nvidia beteuert, effizienter zu sein als bei RTX 3000: Der Stromverbrauch ist immer noch jenseits von Gut und Böse.
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Vor dem Kauf einer RTX 4080, aber besonders vor dem Kauf einer RTX 4090 sollte man also überprüfen, ob das vorhandene Netzteil ausreichend stark ist. Berücksichtigt man andere hochwertige Komponenten, die in einem System mit so einer Grafikkarte sehr wahrscheinlich zum Einsatz kommen, dann ist man womöglich mit 1.000 Watt als unterer Grenze eher auf der sicheren Seite.

Was für die meisten Anwenderinnen und Anwender absurd hoch klingen mag und natürlich in keinem Verhältnis steht, wird dennoch keine Probleme haben, seine Abnehmer zu finden. Oder um es mit einem noch selteneren Luxusgut zu verbildlichen: Wer sich einen Ferrari kauft, fragt auch nicht danach, wie viel Treibstoff das Fahrzeug verbraucht. Über den Sinn lässt sich natürlich in beiden Fällen vortrefflich diskutieren.

Tiefe Taschen benötigt

Aber auch sonst gestalten sich die neuen High-End-Modelle von Nvidia zu einer Preisfrage, die der vernünftige Interessent beim Kauf eigentlich ausblenden müsste. Es mag bei Hardware-Investitionen zwar seit jeher ein ungeschriebenes Gesetz sein, dass man den obersten Bereich der Leistungsskala mit unverhältnismäßig viel Geld erkauft. Bei den unverbindlichen Preisempfehlungen der Hersteller für RTX 4000 fragt man sich dennoch, ob sich versehentlich nicht wieder ein Scalper aus dem ersten Pandemiejahr dazwischengeschaltet hat. Damit sind Personen gemeint, die begehrte Artikel nur zu dem Zweck kaufen, diese über diverse Verkaufsplattformen mit Profit weiterverkaufen zu können.

Einen Designer-Preis werden die neuen Grafikkarten keinen abräumen. Teuer sind sie dennoch.
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Im "günstigsten" Fall bekommt man eine RTX 4090 in der Founders Edition für knapp unter 2.000 Euro, in der Regel und unter Berücksichtigung der Verfügbarkeit sind die Preise diverser Hersteller aber rund fünf bis zehn Prozent höher. Der Straßenpreis der getesteten 4090er lag zum Zeitpunkt des Tests bei 2.799 Euro. Ein ähnliches Bild zeigt sich für das kleinere der 4000er-Modelle. Unter 1.400 Euro ist derzeit keine Karte zu bekommen, das getestete Modell kostet derzeit rund 1.430 Euro.

Die Konkurrenz schläft nicht

Bei solchen Preisen stellt sich automatisch die Frage, ob es nicht auch Alternativen gibt. Das sollte natürlich immer daran bemessen werden, wofür man die Karten einzusetzen gedenkt. Man muss nicht zwangsläufig beim Neuesten landen. Geht es jedoch um vergleichbare Performance, hat Nvidia seit kurzem auch bei der neuen Grafikkarten-Generation direkte Konkurrenz von AMD bekommen.

Grafikkarten der Reihe RX 7900 XTX können sich ersten (externen) Tests zufolge zumindest mit 4080er-Modellen einen ernsten Schlagabtausch liefern. Unverbindliche Preisempfehlungen lassen auch vermuten, dass AMD mit rund 200 Euro Ersparnis den besseren Deal bietet, wenn man keinen besonderen Wert auf Raytracing-Performance legt. Verfügbare Exemplare im freien Handel sind derzeit aber (noch) nicht wirklich günstiger.

Bleibt die Konkurrenz eigener "RTX 3000"-Karten, die Nvidia selbst nicht als Auslaufmodell betrachtet, sondern im aktuellen Line-up anführt. Kein Wunder, hätte man sonst derzeit gar kein Produkt für den Massenmarkt im Portfolio. Und wer nicht nur auf DLSS 3, sondern auch auf DLSS generell verzichten kann, wird in diesem Preissegment bei der Konkurrenz genauso fündig.

Performance-Krone für eine Minderheit

Geht es um brachiale Rechenleistung, führt an der RTX 4090 kein Weg vorbei. Die Performance auf dem Bildschirm ist derzeit Referenz und schlichtweg atemberaubend. Auch unter den fordernden Spielen gibt es derzeit keinen einzigen Titel, der die Karte ernsthaft ins Schwitzen bringen könnte, selbst wenn Upsampler deaktiviert werden. Wie die Praxis zeigt, sind DLSS 3 und die Raytracing-Möglichkeiten zudem weitere Aspekte, die RTX 4000 auch für die Zukunft attraktiv machen.

RTX 4000 hat aber auch entscheidende Kehrseiten: Die Installationsvorschläge via Adapter (und Stützhilfen) können bestenfalls als schlechter Scherz bezeichnet werden und sind einem Premiumprodukt nicht würdig. Zumindest hinterfragen sollte man in Zeiten wie diesen letztlich auch den enormen Stromverbrauch dieser Grafikkarten-Generation. Wenn man zuvor nicht schon vom hohen Kaufpreis abgeschreckt worden ist.

Hardware-Maximalisten werden bei der RTX 4090 dennoch zugreifen und mit dem "King of the Hill" wieder für längere Zeit Ruhe haben. Undankbar hingegen die Rolle der RTX 4080: Zu den bereits genannten Kehrseiten kommt nämlich hinzu, dass die 4080er nicht konkurrenzlos ist. AMD lauert mit RX 7900 XTX auf Augenhöhe und schneidet in manchen Szenarien sogar besser ab. Somit ist die RTX 4080 nüchtern betrachtet bestenfalls Geschmackssache, aber keine zwingende Empfehlung wert.

Wer mit kleinerem Budget den Tausch einer Grafikkarte erwägt, aber künftig die neuen Vorzüge von Nvidia wie DLSS 3 nutzen möchte, muss auf die kleineren Modelle warten. Sie werden im Laufe des ersten Halbjahrs 2023 erwartet, eine Variante der RTX 4070 soll bereits im Jänner angekündigt werden und kurz darauf erscheinen. Massive Konkurrenz von AMD – und mittlerweile auch Intel – wird aber gerade im Bereich der Mittelklasse nicht lange auf sich warten lassen. Performance-Sprünge sind in dieser Generation bis zur Vollausbaustufe mit der 4090 Ti keine mehr zu erwarten, spannend bleiben die nächsten Monate dennoch. (Benjamin Brandtner, 21.12.2022)