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Bei so manchen Familientreffen zu Weihnachten möchte man am liebsten schreiend davonrennen.

Foto: Getty Images/Bernd Vogel

Weihnachten ist auch die Zeit der Verwandtschaftsbesuche. Meist dauert es nicht lange, schon gibt es den ersten Konflikt. Die Tage mit Eltern, Geschwistern und Verwandten geraten so zum Eiertanz. Die Psychotherapeuten Sabine und Roland Bösel geben Ratschläge zu fünf häufigen Problemen.


Problem 1: Der (politisch) schwierige Onkel

An einem gewissen Punkt des Abends will mein Onkel mit Sicherheit Grundsatzdiskussionen führen. Seine politische Meinung ist sehr radikal. Am Ende entsteht immer Streit, weil ich die Meinung mit ihm nicht teile. Wie vermeide ich diesen Konflikt?

Rat von Sabine und Roland Bösel:

Wenn Sie bereits wissen, was Sie an diesem Abend erwartet und wie der besagte Onkel Sie provozieren wird, können Sie sich schon vorab überlegen, wie Sie diesmal auf ihn und auf das, was er sagt, reagieren. Es geht ja oft darum, Muster zu durchbrechen. Sie können entscheiden, Ihr Verhaltensmuster für diesen Abend zu verändern, etwas Neues auszuprobieren, seien Sie kreativ!

Aber vergessen Sie nicht: Sie können sich auch einer Konversation mit dieser Person enthalten. Dann tun Sie das nicht gegen den schwierigen Onkel. Sie tun das für sich selbst. Sie können den Onkel sogar währenddessen würdigen – mit all seinen anzunehmenden Ängsten, wie sie einzementierten Meinungen oft zugrunde liegen. Sie können, statt sich zu enthalten, vielleicht sogar eine neue, andere Gesprächsebene finden, auf der auch dem Onkel irgendwann eine Veränderung gelingt. Das könnte etwa ein Gespräch darüber sein, dass Unrecht mit neuem Unrecht zu beantworten noch nie eine Lösung war.

Problem 2: Das falsche Geschenk

Letztes Jahr hat mir mein Mann eine Uhr geschenkt, die ich total hässlich fand. Ich war richtig traurig, weil ich das Gefühl hatte, dass er sich zu wenig Gedanken gemacht hat. Auf der anderen Seite will ich seine Gefühle nicht verletzen. Wie reagiere ich richtig, wenn es wieder das falsche Geschenk ist?

Rat von Sabine und Roland Bösel:

Es gibt kein "falsches" oder "richtiges" Geschenk. Das ist ja immer Ansichtssache. Löst das Geschenk tatsächlich Traurigkeit aus, ist es sinnvoll, hinzusehen, was in der Beziehung falsch läuft. Entscheidend ist ja die Beziehung, nicht das Überreichte. An diesem Empfinden sind beide Personen beteiligt. Sie sollten sich fragen, was Sie in das Geschenk projizieren. Und das Schenkunglück nicht als Fehler sehen, sondern es, eventuell erst in den Tagen nach Weihnachten, zum Anlass nehmen, einander besser kennenzulernen. Nächstes Jahr weiß er dann vielleicht, was Sie sich wünschen.

Problem 3: Übergriffige Fragen

Kaum schaue ich bei der Tür herein, geht es los mit der blöden Fragerei zu Dingen, die keinen etwas angehen: Willst du abnehmen, weil du kein Fleisch mehr isst? Wie lange studierst du noch? Selbst wenn die Fragen von Opa Bernd oder Tante Renate nicht böse gemeint sind, sie nerven. Muss ich mich rechtfertigen?

Rat von Sabine und Roland Bösel:

Sich zu rechtfertigen ist eine ganz schlechte Idee. Das macht am Ende nur zornig. Es heißt nicht umsonst "Wer fragt, der führt". Wenn Sie wissen, dass Ihnen solche Fragen und die Fragenden dazu begegnen, können Sie sich schon im Vorfeld wappnen und sich schlagfertige Antworten überlegen. Gegenfragen sind auch eine Möglichkeit. Etwa: Was darf ich aus deiner Frage heraushören?", Was willst du mir sagen?", Willst du mich beschämen oder wirklich mit mir darüber sprechen?"

Problem 4: Blöder Smalltalk

Weihnachten ist die einzige Zeit im Jahr, wo man als Familie mehrere Tage unter einem Dach verbringt. Weil alle etwas angespannt sind und Angst davor haben, dass bei Meinungsverschiedenheiten wieder Streit entsteht, redet man über oberflächliches Zeugs: Wetter, Essen, Nachbarn. Dabei wäre es schön, die Zeit zu nutzen und einmal über persönliche Dinge zu sprechen. Wie schaffe ich das auf behutsame Weise?

Rat von Sabine und Roland Bösel:

Wir alle haben bisweilen Angst vor Begegnungen. Angst, uns zu blamieren. Angst, nicht kompetent genug zu sein. Eine beliebte Taktik für mehr gefühlte Sicherheit ist es, bei oberflächlichem Smalltalk zu bleiben. Wenn wir diese Smalltalk-Ebene nun zugunsten von etwas Bedeutungsvollerem verlassen möchten, gelingt uns das leichter, wenn wir selbst die Themenwahl lenken – ohne die anderen zu brüskieren. Wir können Themen mitbringen, zum Beispiel das Thema, wie man aktuell Menschen, die dessen bedürfen, helfen kann – und die anderen um Antworten bitten, um ihre Mitwirkung. Es geht darum, sich selbstbewusst und dabei wertschätzend in Gespräche einzubringen, eine Verbindung zu schaffen, statt miteinander in Konkurrenz zu treten. Es ergibt Sinn, eine Ebene zu wählen, auf der sich alle weiterentwickeln können.

Problem 5: Alkohol

Sekt, Punsch, Eierlikör. Bei uns wird zu Weihnachten und in den Feiertagen danach viel Alkohol getrunken. Beschwipst entzündet sich aus einem Gespräch schnell ein Familienstreit. Diesmal will ich das nicht. Den Alkohol verbieten geht aber nicht. Was ist die Lösung?

Rat von Sabine und Roland Bösel:

Der Weihnachtsabend ist generell ungeeignet, Muster, die sich über Monate oder Jahre herausgebildet haben, zu besprechen. Veränderungen durchlaufen Menschen ja nicht dort, wo jemand plötzlich einen Appell in die Runde wirft. Veränderungen bedürfen einer Bereitschaft, eines Interesses daran, andere zu verstehen. Auch in Zusammenhang mit solchen Einstellungen wie "Ich muss etwas trinken". Wir empfehlen Ihnen, das Thema schon einige Wochen oder auch Monate vor dem Weihnachtsabend bei Ihrer Familie auf den Tisch zu bringen, kurzum: am 24. Dezember ist es zu spät.