2021 wurden die schlechten Arbeitsbedingungen bei Activision Blizzard bekannt.

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Der "Crunch" ist in der Spieleindustrie gefürchtet. Es ist jene Phase in der Entwicklung eines Titels, in der alle Energie in die Finalisierung gesteckt wird. Dies geht für die Angestellten mit vielen Überstunden, Feiertags- und Wochenendarbeit und dementsprechend wenig Freizeit einher. Meist wird der Crunch-Modus von oben angeordnet.

Aber nicht nur wegen der gefürchteten Akkordarbeit ist die Spieleindustrie als Arbeitgeber verschrien, manche Publisher gelten gar als toxisch. Immer mehr Arbeitende in der Spieleindustrie wollen das aber nicht mehr hinnehmen und gründen Gewerkschaften – ein vor allem in den USA bislang unerhörter Schritt.

Proletariat Studios wollen sich organisieren

So haben die Proletariat Studios aus Boston nun angekündigt, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Die 60 Angestellten des Spielestudios haben an der Entwicklung der neuen Erweiterung für "World of Wacraft" namens "Dragonflight" mitgearbeitet. Das Entwicklerstudio fordert die Muttergesellschaft Activision Blizzard nun auf, die Gewerkschaft freiwillig anzuerkennen, schreibt Bloomberg.

Ob das gelingt, ist unklar, denn der Publisher von "Call of Duty" hat in der Vergangenheit ähnliche Bemühungen sabotiert. So soll das Unternehmen erst im November allen Mitarbeitern in der Qualitätssicherung eine Gehaltserhöhung gezahlt haben – aber nur jenen, die nicht Mitglied einer Gewerkschaft waren, wie Kotaku berichtet.

Activision Blizzard steht darüber hinaus im Verdacht, zu wenig gegen ein toxisches Arbeitsumfeld getan zu haben. So soll das Unternehmen nicht gegen sexuelle Belästigung vorgegangen sein. Insgesamt 700 Fälle von Belästigung und Diskriminierung sollen laut einer jüngst eingereichten Klage vorliegen.

Schutz vor Activision Blizzard und dem feindseligen Umfeld

"Jeder in der Videospielbranche kennt den Ruf von Activision Blizzard, ein feindseliges Arbeitsumfeld zu schaffen. Als wir Anfang dieses Jahres hörten, dass Blizzard die Übernahme von Proletariat plant, begannen wir zu diskutieren, wie wir die großartige Kultur, die wir hier geschaffen haben, schützen könnten", sagte Dustin Yost, ein Software-Ingenieur im Studio, in einer Pressemitteilung. "Indem wir eine Gewerkschaft gründen und einen Vertrag aushandeln, können wir sicherstellen, dass wir weiterhin unser Bestes geben und innovative Erfahrungen an der Grenze der Spieleentwicklung schaffen können."

Die Proletariat Workers Alliance wäre in der Branche einzigartig, da sie erstmals alle nicht im Management tätigen Angestellten vertritt und nicht nur das Personal der Qualitätssicherung wie bei den Studios Raven Software und Blizzard Albany. Vor allem Angestellte der Qualitätssicherung gelten in der Branche als chronisch unterbezahlt.

Die Spieleentwickler von Proletariat fordern bezahlten Urlaub, optionale Fernarbeit, keine verpflichtenden Überstunden und Richtlinien zur Förderung von Vielfalt, Gleichheit und Inklusion.

Activision Blizzard versuchte Gewerkschaften zu verhindern

Eine Stellungnahme von Activision Blizzard liegt nicht vor. Deshalb ist es derzeit auch unmöglich abzuschätzen, ob und wie der Publisher gegen die Gewerkschaft vorgeht. Erst kürzlich versuchte das Unternehmen die Bildung einer Gewerkschaft der Qualitätssicherungsmitarbeiter bei Blizzard Albany zu verhindern. Die Begründung: Das würde der Entwicklung von "Diablo IV" schaden. Für diese Kampagne gegen Gewerkschaften wurde eigens eine Firma angeheuert, die auf die Verhinderung von Arbeitnehmervertretungen spezialisiert ist. (pez, 28.12.2022)