Die Frauenquote für Aufsichtsräte hat die weibliche Präsenz erhöht. In den Vorstandsetagen sitzen noch immer hauptsächlich Männer.

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Frauenquoten in den Aufsichtsräten, Diversität in den Führungsetagen – über gelebte Geschlechtergleichstellung wird viel gesprochen. Doch wie sieht die Realität im europäischen Bankensektor aus? Dieser Frage ist das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG) nachgegangen.

Die ernüchternde Bilanz: Insgesamt ist der europäische Bankensektor noch weit davon entfernt, eine Gleichstellung der Geschlechter in der obersten Führung zu erreichen. "Doch es gibt auch einen positiven Trend zu erkennen", sagt Claudia Rasper, BCG-Partnerin in Wien, die den Bericht mit Jan Koserski, BCG-Managing-Director und Partner in Frankfurt, erstellt hat. So hat sich die Anzahl von Frauen im Vorstand von 2021 auf 2022 um drei Prozentpunkte von 19 auf 22 Prozent erhöht. Bleibt das Tempo hier gleich, dauert es aber noch zehn Jahre, bis ein Gleichstand erreicht ist. "Eine höhere Geschwindigkeit wäre hier wünschenswert", sagt Rasper.

50 Banken, nur drei Frauen leiten Aufsichtsrat

Für die Studie wurden die 50 größten börsennotierten Banken unter die Lupe genommen. In sechs Häusern gibt es überhaupt keine Frauen im Vorstand, sieben Banken werden von Frauen geführt. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen in der Führungsetage beträgt 22 Prozent – basierend auf einem Vergleich der Medianvergütung. "Der Gehaltsunterschied kommt daher, dass Frauen im Vorstand häufig die weniger gutdotierten Positionen bekommen", erklärt Rasper. So würden Frauen oft für Bereiche wie Marketing, Kommunikation oder Personalentwicklung angeworben. Die IT oder Finanzen hingegen seien typische Männerdomänen. Dieser Trend spiegelt sich auch bei den neu ernannten Mitgliedern wider und hält damit das finanzielle Ungleichgewicht aufrecht.

Im Aufsichtsrat sieht die Sache ein wenig rosiger aus. Das liegt aber auch daran, dass für dieses Gremium die EU Quoten einmahnt. Aktuell sitzen in den analysierten Aufsichtsräten 39 Prozent Frauen. Das sind ebenfalls um drei Prozentpunkte mehr als noch im Jahr 2021. Entwickelt sich die Quote in diesem Tempo weiter, dauert es noch vier Jahre bis zur Gleichstellung. In allen analysierten Banken gab es Frauen im Aufsichtsrat, den Vorsitz des Gremiums haben aber nur drei Frauen inne.

Unterschiedliche Wertigkeit

Im Aufsichtsrat zeigt sich die gleiche Tendenz wie im Vorstand. Die Frauen verdienen auch hier weniger – um 14 Prozent. "Auch im Aufsichtsrat bekommen Frauen oft weniger gutdotierte Gremien, die sich weniger oft treffen und damit geringer vergütet werden", sagt Rasper.

Aus den erhobenen Daten haben die BCG-Experten einen Index erstellt. Angeführt wird der Index von der norwegischen Bank DNB, Platz zwei belegt die irische AIB Group – beides Banken mit paritätischer Vertretung in beiden Vorständen. Platz drei geht an die italienische Unicredit, die auch die beste Verbesserung im Vergleich zu 2021 aufweist. Unter den Top Ten ist kein Institut aus Österreich dabei.

Wie in vielen Bereichen gibt es auch bei der Geschlechtergleichstellung bei Banken Institute, die hier das absolute Minimum machen, und Häuser, die die Diversität als positiven Effekt für die Geschäftsentwicklung und als Wettbewerbsvorteil erkannt haben.

Das Argument, dass man keine qualifizierten Frauen für die Positionen findet, lässt Rasper nicht gelten: "Man könnte intern Weiterentwicklungsmöglichkeiten in diese Richtung schaffen oder dem Headhunter die klare Vorgabe geben, dass von fünf Kandidaten, die für eine ausgeschriebene Position präsentiert werden, drei weiblich seien müssen", sagt die BCG-Partnerin. "Die Basis für jede Veränderung ist das Verständnis dafür, wo man aktuell steht", sagt Rasper. Wer den Ist-Zustand erhebe, erkenne auch, welche Maßnahmen es für eine Veränderung brauche.

In der aktiven Auseinandersetzung im Unternehmen, der bewussten Talentförderung und klaren Vorgaben für Neubesetzungen sieht Rasper ein gutes Maßnahmenbündel für den Weg in die richtige Richtung. (Bettina Pfluger, 30.12.2022)