Wechselwirkungen des Immunsystems mit Sexualhormonen dürften der Grund für die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beim Schnupfen sein.
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Er gilt laut gefühltem Wissen als besonders schwere Krankheit und verursacht jedes Jahr unsägliches Leid unter harten Kerlen: der Männerschnupfen. Was für vermeintlich "stichhaltige" Gerüchte gilt, scheint auch für Scherze wie die um das diffuse Leiden zu gelten: Wer etwas oft genug hört, glaubt es irgendwann. Tatsächlich sind viele überzeugt, dass Männer viel stärker unter Schnupfen leiden als Frauen. Doch ein Innsbrucker Forschungsteam veröffentlichte im "Journal of Psychosomatic Research" nun eine Studie, wonach "das Konzept des 'Männerschnupfens' verworfen werden sollte". Männer hätten keine schlimmeren Symptome als Frauen – was nicht bedeutet, dass es keine Unterschiede gibt.

"Ungeachtet der verbreiteten Anerkennung des 'Männerschnupfens' in der allgemeinen Popkultur sind empirische Daten zu geschlechtsspezifischen Unterschieden rar", schreiben die Forschenden um David Riedl von der Universitätsklinik für Psychiatrie II und Daniel Dejaco von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Medizinischen Universität Innsbruck. In der Studie beobachtete das Team den Symptomverlauf von 113 Personen mit grippeähnlichen Symptomen innerhalb der ersten acht Tage nach der Infektion. 56 Prozent der teilnehmenden Personen waren weiblich, das Durchschnittsalter der Gruppe lag bei 41 Jahren. Die Symptome wurden dabei sowohl subjektiv, durch Selbsteinschätzung, als auch objektiv mittels Beurteilung durch einen Arzt bewertet.

Schnellere Genesung durch Sexualhormone

Die Studie ergab "keinen signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschied" zwischen Männern und Frauen bei den objektivierbaren Symptomen zu Beginn der Erkrankung, wie verstopfte bzw. rinnende Nase, Kopfschmerzen, Schüttelfrost oder Schlafmangel. Es zeigte sich aber "eine signifikant schnellere Genesung der Frauen" – sowohl bei der vom Arzt bewerteten als auch bei der von den Patienten berichteten Schwere der Symptome.

Als möglichen Grund dafür nennen die Forschenden die Wechselwirkung von Sexualhormonen mit dem Immunsystem. So hätten frühere Studien gezeigt, dass Frauen besser Antikörper produzieren können, was die Immunaktivität und somit eine schnellere und effektivere Abwehr von Infektionen erhöhe.

Gender-Bias

Das Team verweist zudem auf den vielfach bestätigten Umstand, dass Männer mit größerer Wahrscheinlichkeit gründlicher untersucht und behandelt werden als Frauen mit der gleichen Schwere der Symptome. So zeige eine bevölkerungsweite Studie in Dänemark aus dem Jahr 2019, dass fast drei von vier Krankheiten bei Frauen später diagnostiziert werden als bei Männern.

Allerdings machen die Forschenden auf eine Einschränkung ihres Ergebnisses aufmerksam: So wurde nicht erfasst, ob eine Ärztin oder ein Arzt die Symptome erfasste. Das könnte zu einer Verzerrung geführt haben. Die Hypothese eines "Männerschnupfens" lässt sich jedenfalls aufgrund der Ergebnisse nicht untermauern. (red, APA, 2.1.2023)