Der russische Stützpunkt wurde höchstwahrscheinlich durch Himars zerstört. Ein russischer Soldat lieferte die Zieldaten dafür.

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Die erfolgreichen ukrainischen Raketenschläge gegen russische Truppenkonzentrationen in Makijiwka und Tschulakiwka haben zu schweren Verlusten auf russischer Seite geführt. Laut unbestätigten ukrainischen Angaben gab es mehrere Hundert Tote und Verletzte. Doch woher wissen die Ukrainer, wo sich russische Truppenkonzentrationen von welchen Einheiten wann befinden? Die Antwort ist oft banal einfach: soziale Medien.

So wurden vom Kreml den mobilisierten Soldaten die Schuld zugeschoben: Rekruten hätten ihre Handys eingeschaltet, wodurch die Ukrainer die Truppenkonzentration orten konnten. Kritische Stimmen geben den Kommandeuren die Schuld: Sie hätten aus den bitteren Erfahrungen mit ukrainischen Angriffen mit Himars-Raketen nichts gelernt und würden immer noch Soldaten und Material an wenigen Punkten in Massen konzentrieren – mit tödlichen Folgen.

Postings mit tödlichen Folgen

Wie leicht es den Ukrainern oft gemacht wird, zeigt jedoch eine Episode aus dem Dezember, die erst jetzt bekannt wurde. Damals dürfte ein einziger russischer Freiwilliger in der Ostukraine für einen erfolgreichen Raketenschlag der Ukrainer gesorgt haben, weil er Selfies in sozialen Medien postete. Im Dezember veröffentlichte der Russe Bilder und Videos von sich und Mitgliedern der 10. Speznas-Brigade, einer Spezialeinheit des russischen militärischen Nachrichtendiensts GRU, auf dem Facebook-Klon VKontakte. Einige Videos und Fotos waren mit Geotags versehen, was es für die Ukrainer sehr einfach machte, die genaue Position des russischen Stützpunkts auszumachen, erklärt ein ehemaliger Captain der US-Marines, Rob Lee, auf Twitter.

Die russischen Besatzer hatten den exklusiven Country-Club Grand Prix in Sahy in der Oblast Cherson als Stützpunkt ausgewählt. Der Soldat hatte auf einem der Selfies das Logo des Clubs mit abgebildet, außerdem machte er Videos von den Schwänen an einem charakteristischen Uferstück des Clubs – diese ließen sich mit einer einfachen Google-Suche abgleichen.

Außerdem gab der Freiwillige die Rückkehr von einem Einsatz in den Club bekannt, die Ukrainer wussten also, welche Einheiten sich wann dort aufhielten. Das Domizil wurde wenig später von ukrainischen Raketen vollständig zerstört. Der verantwortliche Soldat überlebte den Angriff und postete weiter Videos der zerstörten Gebäude – und lieferte den Ukrainern so gleich das Schadensbild ihrer Angriffe dazu, sagte Lee.

Vermutlich wurde der Club mit Himars angegriffen, einem Mehrfachraketenwerfersystem der USA. Die ukrainischen Streitkräfte können damit Ziele in maximal 84 Kilometern Entfernung bekämpfen. Mit den ATACMS-Raketen könnte das System eine Reichweite von bis zu 300 Kilometern erreichen, aus Furcht vor einer weiteren Eskalation des Krieges liefern die USA aber M30-Raketen mit geringerer Reichweite.

Größte Schwachstelle der russischen Armee

"Er hat eine ganze Reihe von leicht zu folgenden Spuren hinterlassen, und er hat sie offen auf seiner VK-Seite gezeigt", sagte Lee dem US-Fachmagazin "Task & Purpose". Die Community war wütend auf den Soldaten, weil rasch bekannt wurde, dass er den Angriff der Ukrainer ausgelöst hatte. Sein Konto wurde mittlerweile gelöscht.

Die mangelnde operative Sicherheit (Opsec) hat sich seit dem russischen Angriff als eine der eklatantesten Schwächen der Russen erwiesen. Als ihre Kommunikationssysteme ausfielen, begannen die russischen Truppen, ihre Mobiltelefone zu benutzen. Da diese Mobilgeräte das Netz der Ukraine nutzten, konnten die ukrainischen Streitkräfte die Positionen der Angreifer problemlos erfassen. Genau aus diesem Grund ist es russischen Soldaten eigentlich verboten, im Einsatz ihre Smartphones zu benutzen. Theoretisch gilt dieses Vergehen als schwerer Disziplinarverstoß, wird in der Praxis aber kaum geahndet.

In US-Medien wird der Soldat mit der Vorliebe für soziale Medien bereits "russischer Carl" genannt. Carl ist in der US-Armee der Protagonist eines Running Gags, ein fiktiver Rekrut, der alle nur möglichen Fehler begeht. (Peter Zellinger, 4.1.2023)