Im Gastblog schildert der Jurist und Mediator Ulrich Wanderer, wie nach einer Scheidung das Klima zwischen den Eltern sowie auch auf der Ebene des Kindes möglichst unbeeinträchtigt bleiben kann.

"Jedes zweite Wochenende, und den Rest machen wir uns dazu aus." Wie oft hören wir in der Mediation diese Worte als Antwort auf die Frage, wie sich die scheidungswilligen Partner die Regelung des Kontaktrechts vorgestellt haben. Und fast noch öfter bei Mediationsanfragen, die sich aufgrund von Konflikten ergeben, die sich am Kontaktrecht entzünden.

Sind wir betriebsblind?

Vorweggeschickt sei freilich, dass man als Mediator oder Mediatorin notgedrungen nur mit jenen Fällen in beruflichen Kontakt tritt, die eben nicht schlicht aufgrund der guten oder zumindest ausreichenden Kooperation auf der Elternebene keinerlei weitere Unterstützung brauchen. Ein absoluter Großteil der Eltern schafft es freilich, ohne juristische, beraterische oder mediatorische Assistenz ausgezeichnete Lösungen zu finden. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass sich ein Mediationsblog mit jenen Fällen beschäftigt, in denen Mediation zur Unterstützung von lösungswilligen Konfliktpaaren herangezogen wird.

Fragen der Obsorge, etwa zur Gestaltung der Ferien des Kindes, sollten möglichst genau und im guten Einverständnis gelöst werden.
Foto: https://www.istockphoto.com/de/portfolio/PeopleImages

Das Gericht als Kontrollinstanz

Bei scheidungswilligen Paaren stellt die Erfordernis, eine gemeinsame Scheidungsfolgenregelung zu erarbeiten, bereits eine gewisse Hürde, aber zugleich auch eine gewisse Garantie für eine Mindestqualität der Kontaktrechtsregelung dar. Schließlich hat das Gericht hier eine pflegschaftsgerichtliche Kontrolle und achtet in der Regel daher auf die Sicherstellung der Rechte der Kinder. Diese beziehen sich auf die Frage der elterlichen Verantwortung, der Betreuung, des Kontaktrechts und des Kindesunterhalts. Hier ist es wichtig, die Anforderungen des Gerichts hinsichtlich angedachter Betreuungsregelungen – etwa in Hinblick auf Doppelresidenz – zu kennen und entsprechend zu argumentieren. Jedenfalls aber ist es wichtig, eine hinreichend konkretisierte Regelung zu finden. Nachdem die Scheidungsfolgenregelung Teil des rechtskräftigen Scheidungsbeschlusses wird, sollte sie auch den Erfordernissen der hinreichenden Konkretisierung entsprechen. Ein Kontaktrecht wie in der ersten Zeile des Blogs geschildert geht nur in den seltensten Fällen bei Gericht "durch".

Anforderung für die Regelung

Im besten Fall enthält die Regelung des Kontaktrechts nicht nur eine ungefähre Vereinbarung, sondern konkretisiert diese bis zur Absurdität. So könnten Passagen wie "jeden zweiten Freitag mit Abholung von der Schule bis Montagmorgen zu Schulbeginn sowie Donnerstagnachmittag ab Schule bis 18 Uhr mit Rückbringung (zum anderen Elternteil)" ergänzt werden durch Regelungen für den Krankheitsfall und natürlich hinsichtlich einer Ferien- und Feiertagsregelung. Dabei ist zu bedenken, dass Formulierungen wie "zwei Wochen im Sommer" erst dann konkret werden, wenn die Sommerferien Mitte August ihrem Ende zugehen, daher ist es ratsam, eine Passage wie "die Eltern vereinbaren, rechtzeitig, spätestens aber im Februar (oder auch einem anderen Monat) die Regelung für die Sommerferien zu fixieren" hinzuzufügen. Im Optimalfall schaffen Sie so eine nahezu pedantische Vereinbarung, welche Sie dann in der Schublade vergammeln lassen können, weil Sie im Konsens eine noch bessere Lösung für Ihr Kind gefunden haben. Sollten Probleme heraufziehen, können Sie sich immer noch auf die damals rechtskräftig gewordene Vereinbarung berufen.

Natürlich kommt es manchmal zu Problemen

Probleme entstehen zumeist, wenn durch noch nicht ausgesprochene Kränkungen auf der Paarebene diverse Konflikte auf die Elternebene übertragen werden. Daher ist es wichtig, in der Scheidungsmediation bereits auf Signale der Scheidungswilligen zu achten und diese auch anzusprechen. Gerade der Kontakt über die Kinder eignet sich leider durchaus zur Aufarbeitung von offenen Rechnungen. Um eben gerade hier das Wohl der Kinder in den Vordergrund zu stellen, helfen die besagten exakten Formulierungen. Der Satz "Die Parteien vereinbaren darüber hinaus, diese Vereinbarung nach Ablauf einer Frist von x Monaten zu evaluieren und auf Basis der gemachten Erfahrungen der Lebensrealität und dem Kindeswohl anzupassen", hilft darüber hinaus zu signalisieren, dass bei diesem heiklen Thema nichts in Stein gemeißelt ist.

Nichts ist in Stein gemeißelt

Obsorge, Betreuung, Kontaktrecht und Kindesunterhalt sind schwierig genug zu verhandeln, hier brechen oftmals tiefe Wunden der Eltern auf, die dann auf dem Schauplatz des Kindeswohls ausgetragen werden, doch selbst wenn nach oftmals langwierigen Sitzungen eine haltbare Vereinbarung gefunden wurde, ist diese nicht in Stein gemeißelt. Vielmehr kann sie (und davon wissen viele Elternteile ein leidvolles Lied zu singen) bereits nach sehr kurzer Zeit wieder angefochten und neu beantragt werden. Das Kindeswohl dient hier als Argument, als Hebel, um die mühsam geschaffenen Vereinbarungen zu Obsorge, Betreuung und Kontaktrecht wieder über den Haufen zu werfen. Beim Kindesunterhalt reichen Veränderungen im Einkommen bzw. der Bemessungsgrundlage und die diversen Alterssprünge.

Umso wichtiger ist es, bei der Scheidungsmediation an sich nicht nur auf die einzelnen Punkte zu achten, sondern vielmehr das Gesprächsklima zwischen den Eltern im Auge zu behalten. Die Obsorgethematik mit all ihren Anhängen ist mit dem 18. Geburtstag erledigt, der Unterhalt dauert dann oft noch ein paar Jahre, ist aber auch irgendwann Geschichte. Vater oder Mutter bleibt man lebenslänglich. Jeder Schritt, der hier den langen Horizont im Auge hat, schafft langfristig die Basis für ein Gespräch zwischen Vater, Mutter und Kind, in dem in noch nicht zu naher Zukunft das Kind den Eltern dankt, dass sie in einer konfliktträchtigen Situation nicht eskaliert haben, sondern im Sinne der Tochter oder der Sohnes gehandelt haben.

Kommunikation ist das Um und Auf

Ja, es gibt wichtige Informationen, die die Gespräche im Rahmen der Scheidungsmediation unterstützen können. Neben der ohnehin vorgeschriebenen Beratungen kann man aber auch noch einen oder mehrere Schritte weiter gehen. Bei der Mediation einer Scheidung von Eltern geht es weniger um die rechtlichen Fragen, sondern um die langfristige Kommunikation zwischen den Eltern. Denn sie stellt das Wohl des Kindes beziehungsweise der Kinder langfristig sicher. Und nicht nur das. Können im Rahmen der Scheidungsmediation auch die Kränkungen angesprochen werden, kommt es zu Wertschätzung und Anerkennung, so ist die Wahrscheinlichkeit von Scheidungsfolgenkonflikten geringer. (Ulrich Wanderer, 11.1.2023)