Karl Nehammer hat schon mal frischer gewirkt, kein Wunder, man habe "hart gearbeitet", sagt er. Nach der Arbeitsklausur in Mauerbach war der Bundeskanzler und ÖVP-Chef zu Gast bei Martin Thür in der "ZiB 2".

Und er wirkt nicht nur müde, sondern von Beginn an recht gereizt. Schon nach der ersten Frage schießt er scharf gegen den ORF-Moderator. Thür will von ihm wissen, wieso die großen versprochenen Projekte der Regierung weiter unangetastet bleiben. Sieht so die Trendwende der Regierung aus? "Auf jeden Fall sieht so die Interpretation eines ORF-Moderators aus", reagiert Nehammer patzig, "ob das stimmt, müssen die Bürger und Bürgerinnen bestimmen."

Thür lässt nicht locker. Was ist die große Leistung dieser Klausur? Man habe schwierige Rechtsmaterien so zusammengebracht, dass das jetzt im Einklang funktionieren könne. 1.066 Gesetze habe man bisher beschlossen, so Nehammer. Und die Legislaturperiode dauere ja noch bis 2024. An Forderungen der Medien, welche Gesetze umzusetzen seien, orientiere er sich nicht, greift er Thür wieder an. Warum die Versprechen der Bundesregierungen, wann Gesetze in Kraft treten, nicht eingehalten wurden, hakt Thür weiter nach. Nehammer erklärt das mit Krieg, Pandemie und den vielen Dingen, die es zu lösen gab und die nichts mit dem Regierungsprogramm zu tun hatten. Dadurch verschiebe sich "das eine oder andere Gesetz".

"ZiB 2"-Moderator Martin Thür versteht nicht, warum ihn Nehammer "die ganze Zeit hier attackiert", Nehammer bittet ihn wiederum, nicht "so sensibel" zu sein.
Foto: screenshot, tvthek.orf.at

"Bitte nicht so sensibel sein"

Später geht es dann um Österreichs Veto zum Schengen-Beitritt Rumäniens, das Nehammer freilich wortreich verteidigt. Fazit: Die Schengen-Grenze zu erweitern heiße, es müsse der Außengrenzschutz funktionieren. Als er dazu ansetzt, die Fluchtbewegung der Inder zu erklären, und ihn Thür einbremsen will, greift er den Moderator wieder an: "Das ist nicht zum Lachen."

In dieser recht aggressiven Tonart geht das Interview weiter. Nehammer sieht Falschbehauptungen von Thür– es geht um das "sensible Nachbarschaftsverhältnis" zwischen Ungarn und Rumänien – und rät, dass man die Redaktion für die Sendung besser vorbereiten müsse. "Man muss doch einmal die ganze Wahrheit sagen." Thür versteht nicht, warum ihn Nehammer "die ganze Zeit hier attackiert", er versuche nur, ihm Fragen zu stellen. Nehammer bittet ihn wiederum, nicht "so sensibel" zu sein.

"Auch hier ein Faktencheck"

Die Einleitung zum nächsten Themenblock ist wohl auch nicht ganz nach Nehammers Geschmack. Es geht um die Operation Luxor, bei der er sich als türkiser Innenminister kurz nach der Wiener Terrornacht im November 2020 medial in Szene gesetzt hat. Die Hausdurchsuchungen damals waren teilweise rechtswidrig, viele Verfahren wurden eingestellt.

Er habe die Durchsuchungen damals als seinen Erfolg verkauft, er war ja auch dabei. Ob das ein schwerer Schlag gegen die Ermittler sei, will Thür wissen. "Auch hier ein Faktencheck", beginnt der Kanzler seine Antwort. "Sie wissen ganz genau", weist Nehammer Thür zurecht, "nicht die Polizei macht eine Hausdurchsuchung nach Gutdünken, sondern die Staatsanwaltschaft und ein weisungsfreier Richter muss es genehmigen." Was die Terrornacht angeht, da verweist Nehammer auf die Evaluierung und den "schonungslosen Bericht" und darauf, dass nach dieser "schrecklichen Nacht" die richtigen Schlüsse gezogen worden seien.

"Nichts zu danken": Bundeskanzler Karl Nehammer.
ORF

"Nichts zu danken"

Thür will von Nehammer auch noch wissen, warum es nach den Vorwürfen von Thomas Schmid keine Interne Kommission in der ÖVP gab. "Für die Volkspartei ist klar, dass wir uns selbst auch hinterfragt haben: Was macht uns angreifbar, wo werden Vorwürfe gegen uns erhoben", er verweist auf den Ethikrat, dem er vertraue – "auch bei allen weiteren Entwicklungen".

Noch einmal schießt Nehammer gegen die Medien, nämlich als es um Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka geht. "Es wurde die Aussage von einem, der in den Kronzeugenstatus kommen will, eins zu eins in den Medien veröffentlicht, ohne selbst Recherchen anzustellen. Und man verlangt von demjenigen dann, der in diesen Aussagen beschuldigt wird, dass er sich rechtfertigen muss." Für Nehammer eine "interessante Beschreibung dessen, was gerade in Österreich passiert".

Zum Ende hin wird der Kanzler dann noch zur Wahl in Niederösterreich befragt. Wie sehr werde die Situation der ÖVP im Bund der Landes-ÖVP schaden? "Das ist ein Landtagswahlkampf und kein Bundeswahlkampf." Nehammer verabschiedet sich von Thür – sichtlich nicht zufrieden mit dem Gespräch – mit den Worten "Nichts zu danken". Was für ein unangenehmes, unwürdiges Schauspiel. (Astrid Ebenführer, 12.1.2023)