Der Schock sitzt tief – und die Schuldzuweisungen sind schnell bei der Hand. Vor allem in den sozialen Netzwerken überbieten sich viele nach Bekanntwerden der Anklage gegen den beliebten Schauspieler Florian Teichtmeister mit Empörungsbekundungen. 58.000 Mediendateien mit kinderpornografischem Inhalt wurden bei diesem sichergestellt, im Februar wird er sich dafür vor Gericht verantworten müssen. So weit, so unglaublich.

Mindestens genauso verständnislos stehen aber viele der Tatsache gegenüber, dass Teile der Medien (auch DER STANDARD) und der Kulturöffentlichkeit seit September 2021 von Ermittlungen gegen den Schauspieler wussten. Aufgrund einer Anzeige der Ex-Freundin wurde damals geschrieben, dass gegen "einen Schauspieler" (das Medienrecht untersagt die Nennung des Namens) wegen Körperverletzung, Drogenmissbrauchs und des Besitzes von Kinderpornografie ermittelt werde. Öffentliche Konsequenzen hatte es für ihn keine.

Im Burgtheater wurde man von der Anklage erst am Freitag informiert.
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Teichtmeister blieb einer der vielbeschäftigsten Schauspieler am Burgtheater, war weiterhin in Fernsehkrimis zu sehen und wurde von der feministischen Filmemacherin Marie Kreutzer eifrig bei der Promotion ihres Films Corsage eingesetzt. Ihnen allen hatte Teichtmeister offenbar glaubwürdig versichert, dass an den Vorwürfen gegen ihn nichts dran sei, es sich im Gegenteil um eine Vendetta seiner Ex handle.

Selbst das Burgtheater, wo man, wie Direktor Martin Kušej in einem STANDARD-Interview erklärte, die Ermittlungen mit Sorgfalt und unter Beiziehung von Anwälten und Arbeitsrechtlern behandelte, erfuhr erst aus den Medien vom Ausmaß der Vorwürfe gegen sein Ensemblemitglied. Hätte man früher oder anders reagieren können? Nein, bestätigen auf Grundlage der jetzigen Informationen Experten – zumal die Verdachtslage vage war und unsere Rechtsordnung eindeutig ist: In Österreich gilt die Unschuldsvermutung.

Allerdings hätten sich sowohl die Burg als auch das Corsage-Team bei der Staatsanwaltschaft nach dem Stand der Ermittlungen erkundigen können – und sich daraufhin fragen, ob man Teichtmeister wirklich noch im Herbst mit einer Hauptrollebetrauen oder bei der Werbetour rund um den Oscar-Film Corsage einspannen solle. Teichtmeister spielte mit höchster Perfidie ein doppeltes Spiel. Während er seine Arbeitgeber belog, hatte er den Ermittlern längst gestanden. Da werden noch viele Fragen zu klären sein. (Stephan Hilpold, 15.1.2023)