Bild nicht mehr verfügbar.

Florian Teichtmeister bei einer Lesung in der Nationalbibliothek im September 2022. Die Ermittlungen waren zu diesem Zeitpunkt offenbar abgeschlossen, die Anklage in Vorbereitung.

Picturedesk

Es ist ein Skandal, der nicht nur Österreichs Kulturlandschaft erschüttert – sogar die amerikanische Oscar-Academy musste sich aktuell damit befassen. Wie am Freitag bekannt wurde, wird sich der Wiener Schauspieler Florian Teichtmeister (43) im Februar vor Gericht wegen mutmaßlicher Beschaffung und des Besitzes kinderpornografischen Materials verantworten. Er zeigt sich geständig, im Zeitraum von Februar 2008 bis August 2021 aus dem Darknet 58.000 derartige Mediendateien heruntergeladen zu haben, die Behörden stellten 22 Datenträger sicher.

Teichtmeister ließ über seine Anwälte mitteilen, dass er sich bereits in therapeutische Behandlung begeben habe. Der Burgtheater-Star, der auch in Film und Fernsehen brillierte, galt als Publikumsliebling, aktuell ist er gleich in zwei heimischen Kinoproduktionen zu sehen: In Marie Kreutzers Sisi-Parabel Corsage spielt er die Rolle des Kaisers Franz Joseph, in Ruth Maders Thriller Serviam über ein katholisches Mädcheninternat ist er als Vater einer Zwölfjährigen zu sehen.

Vorwürfe seit 2021 bekannt

Corsage ist aktuell einer von 15 Filmen auf der Shortlist für die Auslandsoscars. Kinoketten nahmen den Film bereits aus ihrem Programm, im Rennen um die Oscars bleibt er dennoch, wie der Fachverband der österreichischen Filmwirtschaft in Abstimmung mit der Academy am Samstag beschlossen hat: In einer Aussendung verurteilte man Teichtmeisters Verhalten scharf, hielt aber zugleich fest: "Teichtmeister ist nicht Corsage."

Tatsächlich waren die Vorwürfe teils bereits im September 2021, als die Dreharbeiten an Corsage bereits abgeschlossen waren, erstmals in der Kronen Zeitung bekannt geworden. Auch DER STANDARD erfuhr von den Gerüchten und berichtete. Die Staatsanwaltschaft bestätigte damals laufende Ermittlungen, ausgegangen waren diese von einer Anzeige der damaligen Lebensgefährtin Teichtmeisters, bei der es außerdem um häusliche Gewalt und Drogenmissbrauch ging. Ob es sich bei den damals beschlagnahmten Mediendateien tatsächlich um Darstellungen des Missbrauchs Minderjähriger handelte, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eindeutig und Gegenstand der Ermittlungen.

Der Name Teichtmeisters wurde zum Zeitpunkt der laufenden Ermittlungen nicht genannt, weil es das österreichische Medienrecht so vorsieht und die Unschuldsvermutung gilt. Erst die bevorstehende Anklage gegen den Schauspieler und dessen Geständigkeit erlaubten nun die Namensnennung.

Warum spielte er weiter?

DER STANDARD konfrontierte im September 2021 den Hauptarbeitgeber Teichtmeisters, das Burgtheater. Es hieß, man wisse bis dato nichts davon und werde der Sache auf den Grund gehen. Tatsächlich wurde der Schauspieler weiter beschäftigt und bis zuletzt in großen Rollen besetzt. Auf spätere Nachfragen zum weiteren Umgang mit dem Fall hieß es stets, die Vorwürfe hätten sich bis dahin nicht erhärtet – bis vergangenen Freitag, als die Bombe platzte, dass doch Anklage erhoben wird.

Das Burgtheater verlautbarte die umgehende Entlassung Teichmeisters, der ORF verkündete, alle abgedrehten und laufenden Projekte zu stoppen. DER STANDARD konfrontierte nun erneut das Burgtheater: Direktor Martin Kušej beteuerte, man habe Teichtmeister im September 2021 umgehend zu den Vorwürfen befragt und dieser habe glaubhaft machen können, dass die Vorwürfe unwahr seien.

Teichtmeisters damalige Argumentation, die er offenbar auch bei anderen Arbeitgebern vorgebracht hat: Es handle sich um einen "Racheakt" seiner Ex-Lebensgefährtin im Streit, mit der er sich überdies wieder annähere und die ihre Anzeige sogar zurückziehen wolle. Offenbar eine Lüge, Teichtmeisters Doppelbödigkeit illustriert auch, dass er 2016 im Parlament bei einem Staatsakt zum Thema Missbrauch Texte missbrauchter Kinder las.

Burgtheater ließ sich beraten

Das Burgtheater habe laut Kušej im September 2021 sofort rechtliche Beratung hinzugezogen. Dies habe ergeben, dass damals keine Grundlage für arbeitsrechtliche Konsequenzen vorgelegen sei. Es seien allerdings Leitlinien an leitende Mitarbeiter in den Produktionen herausgegeben worden, in denen Florian Teichtmeister mitwirkte. "In keiner Inszenierung, in der er besetzt war, waren Minderjährige oder Kinder beteiligt", betonte Martin Kušej.*

Hat das Burgtheater richtig gehandelt? Hätte man mehr tun können, ja müssen?

DER STANDARD bat den IT-Strafrechtler Ewald Scheucher um eine zweite Meinung: Grundsätzlich sei das Vorgehen der Behörden in der Causa korrekt gewesen, meint dieser. "Selbst wenn bereits fünf eindeutig strafrechtliche Dateien von den 58.000 entdeckt worden wären, müssten die Behörden ihr Ermittlungsverfahren erst abschließen, bevor die Staatsanwaltschaft eine Anklage erheben kann. Das Burgtheater musste – und durfte – nicht informiert werden. Dazu wären die Behörden nur verpflichtet, wenn der Tatvorwurf für die berufliche Tätigkeit relevant wäre." Am Sonntag meldete sich das Burgtheater gegenüber der APA erneut zu Wort. Darin wurde klargestellt: "Bis heute sind wir zu den Vorwürfen weder polizeilich, fremdanwaltlich noch gerichtlich kontaktiert worden."

Es galt also abzuwägen, ob Zweifel bei der Eignung und Zuverlässigkeit im Job existieren – was etwa bei einem Kindergartenpädagogen der Fall wäre. Allerdings könne man dem dennoch entgegenhalten, dass die Beschäftigung eines mutmaßlich Pädophilen für eine so bedeutsame Institution wie das Burgtheater nicht unproblematisch sei.

Lange Ermittlungen durch große Datenmenge

Das Burgtheater hat sich eigenen Angaben zufolge nach Bekanntwerden erster Gerüchte im September und der Konfrontation Teichtmeisters damit nicht an die Polizei gewandt: "Eine Anfrage an die Ermittlungsbehörden wurde nicht gestellt, da diese zu keinen Auskünften über den Inhalt der Ermittlungen gegenüber außenstehenden Dritten berechtigt sind."

Dass die Ermittlungen länger als ein Jahr dauerten, sei nicht ungewöhnlich, meint Scheucher. "Es dürfte auch an der hohen Zahl der durchsuchten Daten liegen."

Hätte das Burgtheater bei der Staatsanwaltschaft zum Stand der Ermittlungen Auskunft bekommen können, wenn es nachgefragt hätte? Details hätte man auf Nachfrage keine erhalten. Aber bereits im Sommer hätte man auf Nachfrage erfahren können, dass ein Strafverfahren eröffnet wird – spätestens dann hätte die Burg von weiteren Rollenbesetzungen mit Teichtmeister absehen können oder aus moralischer Sicht sogar müssen.

Kulturbranche zeigt sich entsetzt

Die Reaktionen aus der Kulturbranche sind freilich einhellig entsetzt: Noch am Samstag verurteilte Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) den Fall und kündigte eine Überprüfung an, ob Behörden und Arbeitgeber zu allen Zeitpunkten korrekt gehandelt haben.

Corsage-Regisseurin Marie Kreutzer zeigte sich in einem Statement "traurig und wütend, dass ein feministischer Film, an dem mehr als 300 Menschen aus ganz Europa jahrelang gearbeitet haben, durch die grauenvollen Handlungen einer Person so beschmutzt und beschädigt wird". Noch trauriger und wütender mache sie, "in welchem Ausmaß Videos und Fotos von sexualisierter Gewalt gegen Kinder produziert, verbreitet und konsumiert werden".

Teichtmeister hätte das Corsage-Team nie über die Ermittlungen informiert, erst nachdem Gerüchte ruchbar wurden, habe man ihn konfrontiert. Dabei habe er dieselben Erklärungen wie gegenüber dem Burgtheater aufgetischt.

Nicht alle reagierten damals so abwartend, nicht alle ließen sich täuschen. Der Regisseur Sebastian Brauneis beispielsweise, der mit Teichtmeister 2018 bis 2020 zusammengearbeitet hatte, schrieb bereits im September 2021 öffentlich auf Facebook, dass er sich trotz Unschuldsvermutung klar von dem damals nicht namentlich Genannten distanzieren wolle. Er fühlt sich nun bestätigt. (Stefan Weiss, Stephan Hilpold, Muzayen Al-Youssef, Olga Kronsteiner, 16.1.2023)