Der Abfall von heute ist in der Archäologie der Schatz von morgen. Selbst der Inhalt eines herkömmlichen Misthaufens kann Fachleute regelrecht in Verzückung versetzen. Ein solcher 5.500 Jahre alter Tiermist lieferte nun einem Forschungsteam Details darüber, wie die Menschen der späten Jungsteinzeit im Alpenraum Landwirtschaft betrieben.

Was von den damaligen Pfahlbausiedlungen heute noch übriggeblieben ist, liegt großteils unter Wasser, weil die Wasserspiegel der Seen seit damals gestiegen sind. Taucharchäologen haben aus einer Pfahlbausiedlung am Mondsee in Oberösterreich neben anderen Funden auch gut konservierte Reste des Kots von Nutztieren geborgen. Archäobotaniker haben ihn genauer unter die Lupe genommen und berichten nun darüber im Fachjournal "Archaeological and Anthropological Sciences".

Zahlreiche Siedlungen zwischen dichten Wäldern

Die Unesco hat vor etwas mehr als zehn Jahren 111 prähistorische Pfahlbauten in den Alpenregionen von sechs Ländern zum Welterbe erklärt. Die Menschen zogen sich von der Jungsteinzeit bis zur Eisenzeit zum Schutz vor Raubtieren und Feinden in solche Siedlungen zurück, die sie auf in den Boden gerammten Holzpfählen an See- und Flussufern sowie in Feuchtgebieten errichteten. Damals war der gesamte Alpenraum von dichtem Wald bedeckt, nur ab und zu unterbrochen von kleinen Rodungsgebieten als menschliche Refugien.

In Österreich sind fünf Pfahlbausiedlungen auf der Welterbe-Liste: am Keutschacher See in Kärnten, am Attersee in den Gemeinden Attersee und Seewalchen (OÖ) sowie am Mondsee (Oberösterreich/Salzburg).

Die heute noch vorhandenen Überreste der Pfahbausiedlung am Mondsee liegen in einer Wassertiefe von 1,8 bis 5 Metern. Was von der Siedlung noch übrig ist, erstreckt sich über eine Fläche von rund 5.500 Quadratmetern. Bisherige Funde lassen darauf schließen, dass diese Siedlung etwa 300 Jahre existierte.
Foto: Kuratorium Pfahlbauten, Mondsee

Die mehrjährigen Ausgrabungen in der kleinen 70 mal 40 Meter großen Siedlung "Mooswinkel", die in einer ruhigen Bucht am Nordufer des Mondsees im Gemeindegebiet von Innerschwand liegt, wurden 2018 gestartet. Unter den zahlreichen Funden wie Keramik, Werkzeugen, Holzbalken sowie botanischem Material war auch eine große Menge an kleinen Brocken von Kuhfladen und Kotstücken von Ziegen oder Schafen. Dieses Material war unter Ausschluss von Sauerstoff gut konserviert und hat sich über tausende Jahre erhalten.

Luftdicht konserviert

"Wir haben nur einen kleinen Grabungsausschnitt, ich vermute aber, dass es sich um Stallmist handelt, der aus dem Haus rausgeschafft und daneben deponiert wurde", erklärte der Archäobotaniker Thorsten Jakobitsch vom Österreichischen Archäologischen Institut (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Er hat mit Kollegen von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien diese Überreste analysiert. Die Ergebnisse werfen neues Licht auf das Leben der Menschen aus der Jungsteinzeit und zeigen, wie stark sie ihre Umwelt schon damals genutzt und geformt haben.

So konnten die Forscher nachweisen, dass die Tiere nur im Winter in den Siedlungen gehalten wurden. Darauf deutet nicht nur die Form des Kots hin – im Sommer große Kotklumpen, im Winter rundliche, kleine Bemmerln, sondern auch die identifizierten Pflanzen in den Ausscheidungen. So fanden sich in fast allen Kotresten Blüten der Haselnuss, die von Jänner bis März blüht. "Der Kot muss demnach aus dieser Jahreszeit stammen", so Jakobitsch. Weiters wies er Winterfutter wie getrocknete Blätter von Ulmen und Getreide nach.

Gemeinsam mit dem Tiermist bargen die Forschenden auch Fichtenzweige. Möglicherweise dienten diese als Stalleinstreu für das Vieh.
Foto: ÖAW

Heu für das Vieh

"Erstmals haben wir auch einen handfesten Beweis für die Vermutung gefunden, dass auch Graspflanzen damals schon zu Heu verarbeitet wurden", so der Archäobotaniker. So identifizierten sie in den Heuresten im Kot Hahnenfuß, der frisch gefressen für die Tiere giftig wäre, getrocknet aber genießbar ist.

Die Spuren von Laubheu im Kot zeigen für die Forscher, dass auch der Wald damals schon auf geplante und organisierte Art und Weise genutzt wurde. Die auch "Schneitelwirtschaft" genannte Nutzung von Laubheu habe es in den Alpentälern bis vor wenigen Jahrzehnten gegeben. Dabei werden im Spätsommer die Äste von Ulmen, Buchen etc. geschnitten, getrocknet und im Winter verfüttert. "Jeder Baum wurde nur alle zwei bis vier Jahre geschnitten, damit er sich erholen kann", so Jakobitsch. Dadurch produzierten sie lange, dünne, stark belaubte Äste und brachten daher hohe Erträge an Futterlaub.

Eingriffe in das Ökosystem Wald

Angesichts des Futterbedarfs eines kleinen jungsteinzeitlichen Rinds von schätzungsweise 750 Kilogramm getrocknetem Laub im Winter müssten durchschnittlich bis zu 18 Bäume geschneitelt werden, verweist Jakobitsch auf entsprechende experimentelle Studien. Da die Bäume nur alle paar Jahre geschnitten werden können, würde die Menge an benötigten Futterbäumen für eine Kuh einen Wald von ungefähr drei bis fünf Hektar benötigen. "Dies stellt einen großen Eingriff in das Ökosystem Wald dar und zeigt zudem, dass die Menschen sehr organisiert vorgehen mussten."

Kotreste, wahrscheinlich von Schafen und Ziegen, verraten den Forschenden, dass die Tiere offenbar im Winter in der Siedlung gehalten wurden.
Foto: ÖAW

Durch diese Nutzung haben die Menschen schon in der Jungsteinzeit ihre Umwelt deutlich verändert: Aus ursprünglich bewaldeten Gebieten um die Siedlung wurde stellenweise eine parkähnliche Landschaft mit idealen Bedingungen für lichtliebende Pflanzen wie Gebüsche, Gräser und Wildobstbäume, zum Beispiel Wildapfel, Brombeere, Himbeere oder Schwarzer Holunder, die den Pfahlbaubewohnern als Nahrung dienten.

"Die Menschen damals haben viele ökologische Zusammenhänge gekannt und zu ihrem Vorteil genutzt", sagte Jakobitsch. In weiteren Analysen will der Archäobotaniker unter anderem Moosreste und Pollen aus den geborgenen Funden analysieren. Das könnte Aufschlüsse über das damalige Klima geben. (red, APA, 9.2.2023)