Kanzler Nehammer im Gespräch mit den Chefredakteurinnen und Chefredakteuren.

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"Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück": Nehammer über sein angriffiges "ZiB 2"-Interview mit Martin Thür im Jänner.

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Wien – Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bekennt sich zu den Sparvorgaben von Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) für den ORF. Der ORF "muss für die Menschen günstiger werden", sagte Nehammer Dienstag im Gespräch mit Chefredakteuren österreichischer Zeitungen zu den laufenden Gesprächen über eine neue ORF-Finanzierung. Der Verfassungsgerichtshof verlangt Beiträge für den ORF auch bei reiner Streamingnutzung.

"Spargebot an erster Stelle" für ORF-Verhandlungen

"Die Medienministerin hat dem ORF eine klare Vorgabe gegeben, dass das Spargebot an erster Stelle steht", sagte Nehammer in dem Gespräch. "Ziel ist, die Menschen weniger zu belasten und zu entlasten." Bis März brauche es eine Lösung für die künftige ORF-Finanzierung. Sie dürfte in Richtung einer Haushaltsabgabe für alle – mit Befreiungen für Einkommensschwache wie bei der GIS – gehen.

Nehammer über seinen verbalen "Boxkampf" mit Martin Thür

Sein angriffiges Auftreten in einem "ZiB 2"-Interview Mitte Jänner mit Martin Thür, das Kommunikationsexperten mit einem Boxkampf verglichen, erklärte Nehammer in dem Interview so: "Wenn ich eine Suggestivfrage oder eine unterstellende Frage bekomme, dann ist es mein Recht als Antwortgebender, dies zu entlarven." Nach dem Prinzip: "Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es zurück." Vorigen Freitag verlief ein neuerliches "ZiB 2"-Interview mit Thür deutlich moderater.

Kanzler über "gnadenlosen Populisten" Klenk

Durchaus angriffig zeigte sich der Bundeskanzler auch gegenüber "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk. Klenk konfrontierte Nehammer in dem Interview am Dienstag mit einer Reihe von Beispielen – von türkiser Kritik an der ORF-Förderung für ein Kinoprojekt über das "Projekt Ballhausplatz" bis zu Aussagen von Kommunikationschef Gerald Fleischmann – und fragte nach einer "Verstimmung" der ÖVP mit der Presselandschaft.

Nehammers Konter: "Ich weiß, dass Sie mindestens so ein gnadenloser Populist sind wie oft auch populistisch auftretende Parteien." Es stehe allen gut an, "weniger sensibel zu sein". Wenn jemand "Agitation lebt", da bezog er sich auf den "Falter", müsse man auch aushalten, dass dies aufgezeigt und kritisiert werde. "Befindlichkeiten sind nicht meine Tugend", sagte der Kanzler.

  • Reaktion: Florian Klenk schreibt Dienstag in einem "Falter"-Newsletter zu Nehammers Bezeichnung als "gnadenloser Populist": "Es war lustig gemeint. Ich habe höflichkeitshalber auch mitgelacht."

"Mehr Wehrbereitschaft, keine Radikalisierung"

Er "sehe keine Radikalisierung, ich sehe mehr Wehrbereitschaft, diese Augenhöhe einzufordern". Und: "Wenn ich weiß, dass ich den 'Falter' lese, dann weiß ich, unter welchem Filter die Artikel geschrieben werden, ich weiß ihn einzuordnen."

Es gebe mehrere Studien, wonach Redaktionen "in der Gesinnungshaltung mehrheitlich links" seien, das sei keine Erfindung von Fleischmann (der solche Studien auch in seinem neuen Buch "Message Control" erwähnt).

"Linkslinke" und das "Projekt Ballhausplatz"

Der Kanzler erklärte, er kenne das Filmprojekt "Projekt Ballhausplatz" nicht. Aber wenn "Linkslinke" einen Film über Sebastian Kurz (ÖVP) machen wollten, könne man das ja transparent machen, sagte er.

"Projekt Ballhausplatz" ist ein Dokumentationsprojekt von Kurt Langbein. Es wird im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens gefördert, das vom ORF mitdotiert wird. Am Wochenende kritisierte ÖVP-Mediensprecher Kurt Egger die Doku als "linke Parteipropaganda". Produzent Langbein wies die Vorwürfe zurück, die Doku sei keine Abrechnung mit Kurz und der ÖVP.

Nehammer nimmt in dem Zusammenhang aus seiner Sicht überzogene Empfindlichkeit wahr, auch mit anderen werde nicht empfindsam umgegangen. Es sei ein Unterschied, ob der öffentlich-rechtliche ORF etwas produziere oder ein Privatsender wie Puls 24.

"Vordefinierter Weg" für die "Wiener Zeitung"

Gefragt nach der Zukunft der "Wiener Zeitung", meinte Nehammer, es gebe einen "gut vordefinierten Weg", dass eine Onlinezeitung daraus werden solle. Er habe zur Kenntnis genommen, dass sich viele Menschen um die "Wiener Zeitung" Sorgen machen, gleichzeitig erinnerte er daran, dass diese immer von einer Staatsfinanzierung getragen gewesen sei beziehungsweise von Unternehmen, die dort Ausschreibungen veröffentlichen mussten. Diese Veröffentlichungspflicht fällt nun weg – und damit der Großteil der bisherigen Einnahmen. Es sei deshalb ein normaler Prozess, dass sich die Redaktion ändere, erklärte der Kanzler. (red, 14.2.2023)