Hohe Wassertemperaturen schaden den Korallenriffen, das liegt vor allem an ihren empfindlichen "Kooperationspartnern": Korallenpolypen leben in Symbiose mit bestimmten Algen, von denen sie sich mit Nährstoffen versorgen lassen. Bei steigender Meerestemperatur beginnen die Algen Giftstoffe zu produzieren, was den Korallen wiederum gar nicht behagt. Sie stoßen ihre Symbionten ab und verlieren dabei ihre Farbe – man spricht von der sogenannten Korallenbleiche. Der Prozess geht meistens mit dem völligen Absterben der betroffenen Korallenbänke einher.

Waren schon die vergangenen Jahre mit ihren vielen Temperaturrekorden eine arge Belastung für die Korallen dieser Welt, so dürfte ihnen das Schlimmste noch bevorstehen. Mit fast 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit wird bereits im kommenden Herbst El Niño in der Pazifikregion zuschlagen, wie das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) vor zwei Wochen prophezeite. Das bedeutet neben zahlreichen extremen Wetterereignissen auch regional einen markanten Temperaturanstieg – und damit auch wärmere Meere.

Wie lange werden die Korallenriffe der Klimaerwärmung noch trotzen können?
Foto: University of Miami

Was macht El Niño?

El Niño ist ein alle paar Jahre unregelmäßig und daher schwer vorhersagbar auftretendes Phänomen, das von warmen Meeresströmungen im tropischen Pazifik ausgelöst wird. Östliche Teile des Pazifiks rund um den Äquator werden dabei wärmer als normalerweise, westliche Teile kühlen dagegen ab. Zugleich werden die Passatwinde schwächer. Dies führt in manchen Regionen der Welt zu Starkregen und Überschwemmungen, in anderen dagegen zu Dürre und Waldbränden. El Niño (spanisch für Kind, hier Christkind) wird das Klimaphänomen genannt, weil es häufig kurz vor Weihnachten zu beobachten war.

Diese schädliche Bescherung hat in der Vergangenheit in den Korallenriffen rund um den Globus schwere Wunden geschlagen. Besonders das Great Barrier Reef an der Ostküste Australiens hat gelitten. Laut einer Studie aus dem Jahr 2020 hat das längste Riff der Welt bereits die Hälfte seiner Korallen eingebüßt.

Hoffnung auf Toleranz und Weiterentwicklung

Doch es gibt noch Hoffnung: Im vergangenen August berichteten Forschende vorsichtig optimistisch von einer gewissen Erholung einiger Korallenbestände am Great Barrier Reef. Außerdem kommen gewisse Korallenspezies und ihre Algensymbionten mit vorübergehenden Hitzewellen offenbar besser zurecht als gedacht.

Das bescheinigt ein Forschungsteam nun auch ganzen Korallenriffen im tropischen Pazifik, nachdem es eine überraschende Beobachtung gemacht hatte: Einige Arten sind offenbar dazu in der Lage, ihre hitzeempfindlichen Algensymbionten gegen robustere Algen auszutauschen. Das könnte sogar bedeuten, so die Wissenschafter, dass einige Riffe im Pazifik ihren hohen Korallenbestand bis in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts bewahren könnten.

Nahaufnahme einer Steinkoralle der Gattung Pocillopora im Meer vor der kolumbianischen Insel Gorgona. Neue symbiontische Mitbewohner könnten diesen Arten das Überleben zumindest eine Weile ermöglichen.
Foto: University of Miami/Victor Brandtneris

Die flachen Korallenriffe im östlichen tropischen Pazifik werden überwiegend von verzweigten Korallen der Gattung Pocillopora gebildet. Die mikroskopisch kleinen Algen, die sie in ihrem Gewebe beherbergen, sammeln Licht und helfen den Korallenpolypen, Energie für ihr Wachstum zu produzieren.

Gewaltiger Datensatz

Um besser zu verstehen, wie die Korallen ihre Toleranz gegenüber Hitzestress verbessern, analysierte die Gruppe um Ana Palacio-Castro von der University of Miami (Florida, USA) einen riesigen Datensatz von Korallenbeobachtungen in Panama, der über 40 Jahre zurückreicht.

Die Informationen umfassten unter anderem Meerestemperaturen, Korallenbedeckung, Bleiche und Sterblichkeit während dreier markanter Hitzewellen (1982–1983, 1997–1998 und 2015–2016) sowie Daten zu Algen-Symbionten-Gemeinschaften aus den letzten beiden Hitzeperioden.

Die Biologin Ana Palacio-Castro von der University of Miami vermisst ein Korallenriff vor der Pazifikküste Panamas, das hauptsächlich aus Vertretern der Gattung Pocillopora besteht.
Foto: University of Miami/Viktor Brandtneris

Die Ergebnisse: Während die Hitzewelle von 1982 bis 1983 die Korallenbedeckung am überwachten Riff erheblich schrumpfen ließ, fielen die Auswirkungen von El Niño von 1997/1998 und 2015/2016 deutlich milder aus, insbesondere für Korallen der Gattung Pocillopora. Diese Steinkorallen bilden die vorherrschenden riffbildenden Arten im östlichen tropischen Pazifik. Außerdem zeigte sich, dass während starker Hitzewellen im Ozean die hitzetolerante Algenspezies Durusdinium glynnii in dieser speziellen Korallengattung immer häufiger vorkommt.

Gewappnet für die Zukunft

Die Forschenden gehen davon aus, dass vor allem dieser Umstand es den Korallen ermöglicht hat, El Niño durchzustehen. Und sie könnten dadurch auch für zukünftige Temperaturextreme gewappnet sein: Aus Klimaprojektionen in Verbindung mit den Korallendaten schließt das Team, dass Riffe, die überwiegend aus Pocillopora-Korallen bestehen und mit hitzetoleranten Algen kooperieren, bis weit in die zweite Hälfte des Jahrhunderts überleben könnten.

"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass einige Riffe im östlichen tropischen Pazifik, zu dem die Pazifikküsten Panamas, Costa Ricas, Mexikos und Kolumbiens gehören, in der Lage sein könnten, bis in die 2060er-Jahre einen hohen Korallenbewuchs aufrechtzuerhalten", sagte Palacio-Castro. Das mag eine gute Nachricht für diese Riffe sein, meinte die Biologin. Doch letztlich wäre es nur ein Aufschub. Gelingt es uns nicht, die globalen Treibhausgasemissionen signifikant einzubremsen, dürften selbst die belastbarsten Korallenriffe das letzte Viertel des Jahrhunderts nicht mehr erleben.

Die Untersuchung weise bei einigen Riffen eine erstaunliche Überlebensfähigkeit nach, schreiben die Forschenden im Fachjournal "Pnas". Das Team glaubt zwar nicht, dass die Fähigkeit, den Algensymbionten auszutauschen, den meisten Riffen ein längeres Überleben ermöglicht, aber zumindest ein kleiner, deutlich artenärmerer Rest unserer heutigen Korallenriffe könnte länger bestehen bleiben, als man bisher angenommen hatte. (tberg, 15.2.2023)