Geänderte Jobanforderungen und -erwartungen (v. li.): Martin Peck (Oracle), Christoph Nekolar (Erste Digital), Bianca Dolezal (Rewe Group), Michaela Jungwirth (Accenture) und Bernhard Wundsam (Uniport).

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Bei zahlreichen Firmen ist der Fachkräftemangel zu spüren, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind überall gefragt. Nicht zuletzt dadurch haben sich die Anforderungen, aber auch die Erwartungen der Jungen an das Berufsleben stark verändert.

Wie Unternehmen darauf reagieren, wohin die Reise gehen wird und welche Rolle künstliche Intelligenz dabei spielt, wurde bei einem Round Table im Rahmen des Naturtalente-Programms von Uniport, dem Karriereservice der Uni Wien, mit Unternehmensvertretern diskutiert. Moderiert wurde das Gespräch von STANDARD-Redakteurin Anika Dang. Im Naturtalente-Programm werden seit 2015 herausragende Studierende der Natur- und Wirtschaftswissenschaften mit Unternehmen vernetzt, der Schwerpunkt in diesem Jahr liegt auf dem Themenfeld Digitalisierung.

Eine Frage der Zeit

Viele der aktuellen Transformationen wurden durch die Pandemie noch einmal angeschoben. Dazu gehört auch die Möglichkeit zum Homeoffice. "In Berufen, in denen Homeoffice möglich ist, ist das kein Benefit mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit", sagt Bernhard Wundsam, Geschäftsführer von Uniport. Bei Bewerbern werde nun die Möglichkeit nach einer Viertagewoche sehr stark diskutiert, fügt er hinzu.

Dass junge Berufseinsteiger nicht gleich Vollzeit starten wollen, kann auch Michaela Jungwirth, Data Science Senior Manager bei Accenture, unterstreichen. "Wir haben viele Rahmenbedingungen geschaffen, um arbeitszeitlich größtmögliche Flexibilität zu schaffen."

Neu aus Unternehmenssicht sei die Frage nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance bereits im Bewerbungsgespräch, sagt Christoph Nekolar, Head of Group Digital Banking bei der Erste Digital. Früher sei das erst nach der Einarbeitungsphase gekommen. "Daran mussten wir uns beim Recruiting erst gewöhnen", gibt er zu. Daraus entstanden sei bei der Erste Digital eine Vielzahl an flexiblen Arbeitszeitmodellen. Erfolgreich erprobt und weiter ausgebaut werden soll beispielsweise die Möglichkeit einer Workation. Dabei können Mitarbeiter 30 Tage vom Ausland aus arbeiten. "Aber beim Recruiting muss man sich schon strecken", ergänzt er.

Unterschiedliche Karrierepfade

Daher werden auch Quereinsteiger stärker umworben. Hier würde sich Bernhard Wundsam aber noch mehr Mut der Unternehmen hinsichtlich der Jobanforderungen wünschen. Mit der Konzentration auf die Studienfächer BWL, Jus oder IT werde der Pool an möglichen Bewerben stark eingeschränkt. Vieles sei Learning on the Job.

Ein breites Spektrum an Studienfächern wird bei Accenture abgedeckt. Für Jungwirth sind die unterschiedlichen Herangehensweisen erfrischend und eine Bereicherung. Neben der Qualifikation müssen neue Mitarbeiter aber auch ins Team passen. Daher werde im Recruiting-Prozess die letzte Runde mit dem gesamten Team gemacht. Denn nur, wenn der Mitarbeiter auch ins Team passe, könne eine Zusammenarbeit funktionieren.

Flexibilität sei aber nicht nur bei der Arbeitszeit erwünscht, auch bei den Karrierepfaden erwarten sich junge Mitarbeiter mehr Beweglichkeit, also etwa Berufswechsel innerhalb des Unternehmens. "Hier müssen wir den Mitarbeitern verschiedene Perspektiven bieten", sagt Nekolar.

KI als Chance

Künstliche Intelligenz (KI) werde von den Berufseinsteigern nicht als Bedrohung gesehen, erklärt Wundsam. Die neuen Berufsbilder werden als Chance gesehen. Weiterbildung sei hier das Um und Auf. "Im aktuellen Transformationsprozess auch alle Mitarbeiter mitzunehmen ist die große Herausforderung", sagt Bianca Dolezal, Chief Product Owner People & Organisation in der Rewe Group. Allein im vergangenen Jahr wurden im Bereich IT 100 neue Mitarbeiter eingestellt, sagt sie. Dafür brauche es auch ein breit aufgestelltes Bildungsangebot.

In den Unternehmen komme KI schon jetzt an unterschiedlichen Stellen zum Einsatz. "Fürs Recruiting ergeben sich dadurch faszinierende Möglichkeiten", sagt Martin Peck, Österreich-Chef von Oracle. Um die Bedürfnisse und auch die Sichtweisen junger Menschen besser zu verstehen, gibt es bei Oracle beispielsweise ein Reverse-Mentoring-Programm. "Einmal im Monat setze ich mich mit einem jungen Mentor zusammen, und wir tauschen uns über unterschiedliche Themen aus", erzählt er. (Gudrun Ostermann, 27.2.2023)