Schlechtes Hören kündigt sich dadurch an, dass man immer schlechter versteht – auch darauf soll der Tag des Hörens am 3. März aufmerksam machen.

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Schlecht hören, denken die meisten, das betrifft mich nicht. Das kommt doch erst, wenn man alt ist. Doch das stimmt so nicht. In Österreich leben 1,7 Millionen Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung, das sind ganze 20 Prozent der Bevölkerung. Ja, Personen über 65 sind am stärksten betroffen, aber der schleichende Hörverlust kann schon viel früher beginnen. Und gerade weil der Fortschritt so schleichend ist, bleibt die Altersschwerhörigkeit oder Presbyakusis, wie der Fachausdruck lautet, lange unbehandelt.

Die ersten Anzeichen einer Hörbeeinträchtigung bemerkt man nicht beim Hören selbst, sondern beim Verstehen. David Vogelhuber, Hörakustikmeister bei United Optics, erklärt: "Es beginnt damit, dass die hohen Töne verschwinden. Die Lautstärke bleibt am Anfang noch gleich." Dadurch entstehe der Eindruck, man höre selbst noch einwandfrei, aber bestimmte Personen oder gewisse Situationen seien schuld am fehlenden Verständnis. Viele meinen dann, im Büro werde es immer lauter, oder sagen, die Jugend heutzutage nuschle. Dass es am eigenen Gehör liegen könnte, wird selten rechtzeitig erkannt. Vogelhuber beschreibt: "Die Betroffenen sagen: 'Ja, ich höre eh gut, aber verstehen tu ich nicht gut.'"

Fitnessstudio für die Ohren

Ein weiterer Grund, warum sich Betroffene erst zu spät Unterstützung suchen, ist die Verharmlosung von Hörverlust. "Man muss doch nicht alles hören", sagen viele. Doch das stimmt einfach nicht. Denn das Leben mit unterbehandeltem Hörverlust kann sehr anstrengend sein und sogar zu Depressionen führen.

Weil ein fortgeschrittener Hörverlust irreversibel ist, sollte man möglichst früh einen ärztlichen Check machen. Denn die Hörnerven bilden sich mit dem Voranschreiten immer weiter zurück. Weniger Hören bedeutet weniger Klangeindrücke, weshalb das Gehirn unterstimuliert wird, seine Konzentrationsfähigkeit nimmt ab. Das verstärkt die mit fortschreitendem Alter ohnehin abnehmende Verarbeitungsgeschwindigkeit des Gehirns zusätzlich. Dagegen helfen kann ein Gehörtraining. Vogelhuber betont, dass das umso besser funktioniere, je früher man beginne: "Es ist ein ähnliches Prinzip wie beim Trainieren von Muskeln."

Egal wie weit der Hörverlust fortgeschritten ist, Gehörtraining kann jedem helfen. Vorrangig geht es dabei darum, das Hörsystem wieder mit Lauten und Sprache zu versorgen. Man bespielt etwa Patienten und Patientinnen über Lautsprecher mit spezifischen Lauten und konzentriert sich dabei ausschließlich auf diese Töne, um sich damit wieder vertraut zu machen. Das soll Zuhören ohne Lippenlesen oder andere visuelle Hilfsmittel wieder erleichtern.

"Hören ist eine sehr komplexe Sache, vor allem
wenn man jahrelang entwöhnt war. Nicht nur
konzentrationstechnisch, sondern auch fürs Gehirn."
Hörakustikmeister David Vogelhuber

Hörverlust erkennen

Wann soll man sich also an einen Ohrenarzt oder Hörakustiker wenden? Diese Symptome sind wichtige Alarmzeichen, vor allem wenn sie über mehrere Wochen anhalten:

  • Hohe Töne wie bei S und F werden schwieriger verstanden und unterschieden.
  • Es scheint, als ob die meisten Personen undeutlicher sprechen würden.
  • Abends, wenn das Gehirn müde ist, hört oder versteht man Gesagtes schlechter.
  • Vermehrt treten Probleme bei lautem oder hektischem Umfeld auf.
  • Tinnitus kann ein Anzeichen für schleichenden Hörverlust sein.

Immer noch unsicher? Dann empfiehlt Vogelhuber einen einfachen Hörtest für zu Hause: Streichen Sie mit der Hand über die bekleidete Schulter. Hören Sie eine Art Rascheln, ist das ein gutes Zeichen. Das Rascheln ist eine hohe Frequenz, und es ist leise, also genau die Art von Geräusch, die man als Erstes nicht mehr hört. Spätestens wenn man diesen Ton nicht mehr hört, ist ein medizinischer Check fällig. Dort wird ein professioneller Hörtest durchgeführt, der nach einem ähnlichen Prinzip wie ein Sehtest funktioniert. Töne werden immer lauter gedreht, bis sie für die Person wahrnehmbar sind. Diese Lautstärken sind genormt und zeigen, wie stark die Hörbeeinträchtigung ist.

Künstliche Intelligenz fürs Ohr

Mittlerweile ist die Technik so weit fortgeschritten, dass Hörgeräte Beeindruckendes schaffen. Besonders beeindruckend sind DNN-Hörgeräte, DNN steht für Deep Neural Network. Diese versuchen mit künstlicher Intelligenz gewisse Vorgänge im Gehirn zu replizieren, um ein besonders realistisches Klangbild zu erzeugen – eine Entwicklung, die Vogelhuber sehr positiv einschätzt.

DNN erkennt Geräusche anhand von zwölf Millionen eingespielten Klangszenen aus dem Alltag und kann diese so unterscheiden, wie es das Gehirn auch tut. Dadurch können diese Hörgeräte relevante Geräusche, wie etwa das sprechende Gegenüber, klar herausfiltern, gleichzeitig ordnen sie die Geräusche der Umgebung richtig ein, was zu einem klareren Verständnis und einer realistischeren Soundkulisse führt.

Insgesamt empfiehlt Vogelhuber, sorgsam mit dem eigenen Gehör umzugehen. Denn für die Ohren ist es extrem wichtig, Pausen zu haben – ähnlich wie die Regeneration auch beim Sport wichtig ist. Er rät dazu, nach einer länger anhaltenden Geräuschbelastung dem Gehör eine Ruheperiode zu gönnen. Nach einer lauten Feier sollte man beispielweise nicht auf dem Nachhauseweg zusätzlich laut Musik hören, um den Ohren eine Verschnaufpause zu bieten. (Laura Schnetzer, 3.3.2023)