Im Gastblog erläutert Rechtsanwältin Kristina Silberbauer anhand eines Falles, inwiefern ein früherer Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht auch nach Verlassen des Unternehmens bewahren muss.

Der Kläger wurde von seinem Arbeitgeber nach 18 Jahren gekündigt, fand aber eine neue Anstellung. Seine spätere Bestellung zum Geschäftsführer war bereits ausverhandelt. Bevor es aber zur Unterfertigung des Geschäftsführervertrags kam, wies der frühere Arbeitgeber den Kläger brieflich und "eindringlich" auf seine nachvertraglichen Rechtspflichten hin und schickte diesen Brief auch gleich dem Eigentümer seines neuen Arbeitgebers. Aufgrund dieses Schreibens – dessen näherer Inhalt nicht bekannt ist – wurde der Kläger doch nicht zum Geschäftsführer bestellt. Das führte zu einem Einkommensverlust, vorerst an die 110.000 Euro, dessen Ersatz – samt Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden – der verhinderte Geschäftsführer beim früheren Arbeitgeber einklagte.

Der Oberste Gerichtshof stellt nun auch juristisch fest: Du sollst nicht schlecht über andere reden.
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Kein Grund für Kontakt mit nächstem Arbeitgeber

Im ersten Rechtsgang verneinte der OGH (17.12.2019, 9 ObA 116/19b) ein berechtigtes Interesse des ehemaligen Arbeitgebers an der Korrespondenz mit dem neuen Arbeitgeber oder seinem Gesellschafter: Der Kläger sei keinem nachvertraglichen Konkurrenzverbot unterlegen und habe auch keinen Anlass zur Sorge gegeben, dass er seine vertragliche Verpflichtung zur Geheimhaltung verletzt. Der Arbeitgeber hat gegen seine – auch nachvertraglich wirkende – Fürsorgepflicht verstoßen; der Klage wurde dem Grunde nach stattgegeben.

Keine Mitschuld wegen unterlassener Bewerbungen

Im zweiten Rechtsgang hatte der OGH (31.8.2022, 9 ObA 31/22g) über die Mitschuld des Klägers daran zu entscheiden, dass er nicht Geschäftsführer wurde. Offensichtlich argumentierte der frühere Arbeitgeber, dass es am Arbeitsmarkt freie Stellen für Geschäftsführer gegeben hätte, um die sich der Kläger hätte bewerben können. Tatsächlich ist ein Geschädigter grundsätzlich verpflichtet, den Schaden möglichst gering zu halten. Allerdings muss das der Schädiger – in dem Fall der frühere Arbeitgeber – beweisen.

Laut OGH hätte es am Arbeitsmarkt eine ausreichende Anzahl an Geschäftsführerstellen zu besetzen gegeben. Allerdings hatte sich der Kläger ohnehin, wenn auch erfolglos, dafür beworben. Daher kann ihm keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, zumal er während der fast zwei Jahrzehnten dauernden Beschäftigung beim früheren Arbeitgeber kein Netzwerk aufgebaut hatte und er zusätzlich weiter hoffte, beim neuen Arbeitgeber doch noch als Geschäftsführer bestellt zu werden.

Keine Pflicht zur Klage

Laut OGH war er auch nicht verpflichtet, diesen neuen Arbeitgeber auf Bestellung zum Geschäftsführer zu klagen. Eine Schadensminderung wegen Mitverschuldens schied daher aus. Auch wenn der Fall nun schon zweimal beim OGH war, ist er noch nicht abgeschlossen. Offen ist eine Gegenforderung des früheren Arbeitgebers, die den Schadenersatzanspruch des Klägers mindern könnte.

Fazit: Wer als ehemaliger Arbeitgeber das Bedürfnis hat, mit dem nächsten Arbeitgeber Kontakt aufzunehmen, sollte sehr darauf achten, dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin nicht grundlos zu schaden. Die Schadenersatzforderungen können beträchtlich sein. (Kristina Silberbauer, 16.3.2023)