Viele Menschen fragen sich, wie es innenpolitisch weitergehen soll in Österreich. ÖVP, SPÖ und FPÖ sind in einem Ausmaß von Abneigung und Wut gegen die jeweils anderen Parteien durchdrungen wie selten zuvor.

Zuweilen gilt das sogar innerparteilich. Die Art, wie SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ihrem Kritiker Hans Peter Doskozil wörtlich "schmutzige Methoden" und Heckenschützenart vorwarf, sorgte für Erstaunen.

Die Spitzenkandidaten der drei größeren Parteien bei der vergangenen Niederösterreich-Wahl: Franz Schnabl (SPÖ), Udo Landbauer (FPÖ) und Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Nun steht die Koalition zwischen Schwarz und Blau.
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Rolle der drei größeren Parteien

Das entscheidende Match läuft zwischen Schwarz, Rot und Blau. Mangel an Respekt vor "politischen Mitbewerbern" ist ein Markenzeichen geworden – mehr als Ausdruck unreifen Demokratieverständnisses denn als Beweis dafür, dass Politik eben ein "hartes Geschäft" ist. Die Stimmung verroht mit der Sprache.

Zwar sind Neos und Grüne auch nicht zimperlich beim Austeilen. Die Grünen zeigen sich oft vorverurteilend und maßlos selbstbezogen. Aber mangels Masse fällt der Einfluss der beiden Kleinparteien bei der Entwicklung der politischen Unkultur nicht so sehr ins Gewicht.

Die zentrale Verantwortung liegt bei den drei größeren Parteien. Zwischen ihnen wird nach Wahlen über die Machtverteilung und Regierungsbildungen entschieden, im Bund und in den Ländern, wie zuletzt in Niederösterreich und Kärnten. Was zeigt sich, auch in Aussicht auf die Nationalratswahlen 2024?

Der wechselseitige Vertrauensverlust erscheint irreparabel. Es geht geradezu ein "Rotenhass", der "Hass auf die Schwarzen" wie auf "die Blauen" um, je nach Parteizugehörigkeit. An Stammtischen und in Internetforen geht’s rund.

Kein Wunder, Repräsentanten von ÖVP, SPÖ und FPÖ zeigen es vor. Der SPÖ-internen Reiberei folgte die Präsentation des schwarz-blauen Regierungspakts in Niederösterreich als bizarrer Kulminationspunkt doppelbödiger Politik. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner musste erst lang und breit erklären, dass sie mit einem FPÖ-Chef gemeinsame Sache macht, den sie im Grunde nicht ausstehen kann.

Udo Landbauer hat sie im Wahlkampf verspottet, den Wählern versprochen, die "Moslem-Mama" nicht zur Landeschefin zu machen. Mikl-Leitner steckte das neue schwarz-blaue Leben in der Lüge ruck, zuck weg. Sie schob die Verantwortung für das Scheitern eines ÖVP-SPÖ-Deals roten "Spindoktoren in Wien" zu. Die NÖ-Roten haben mit der unorthodoxen Methode des Verhandelns per öffentlicher Drohung mit Handabhacken sicher Anteil am Scheitern. Aber Mikl-Leitner wollte nicht.

Fehlendes Vertrauen

Es fehlt am Wichtigsten: Vertrauen in Partner. Ihr Habitus erinnert an Andreas Khols Wort von den "roten Gfrießern", die er nicht mehr sehen könne. Lagerpolitik dieser Art war lange eine Domäne der FPÖ, seit Jörg Haider Methoden der verbalen Vergiftung als "normales" Mittel der Politik einführte: mit Ausländerfeindlichkeit, Kriminalisierung, antieuropäischem Reflex. ÖVP und SPÖ zogen nach. Aus der SPÖ tönt es, "die Schwoazn" seien "schlimmer als die FPÖ". Wiens Stadtrat Jürgen Czernohorszky sagte Samstag bei einer Kundgebung, die Demonstranten seien "hier wegen der jüdischen Community, die mitansehen muss, wie Landeshauptfrau Mikl-Leitner die zum Hitlergruß ausgestreckte Hand der niederösterreichischen FPÖ schüttelt". Schwarze Nazis?

Wie soll es bei solchen Vorzeichen je wieder stabile Regierungen geben, wenn Hitzköpfe und Polemiker das Geschehen dominieren? Die Aussichten sind trübe. (Thomas Mayer, 20.3.2023)