In Deutschland liegt ein Gesetzesentwurf vor, der das mit Kartellrecht mit "Klauen und Zähnen" ausstatten soll. Österreich beobachte die Diskussion genau, heißt es im Wirtschaftsministerium.
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Mit satten neun Prozent liegt die Inflation in Österreich immer noch auf hohem Niveau und über dem Durchschnitt der Euroländer. Mit ein Grund für den schlechten Wert könnte nicht zuletzt mangelnder Wettbewerb sein, wie Natalie Harsdorf-Borsch, Leiterin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), kürzlich insinuierte.

"Es ist klar, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen eingeschränktem Wettbewerb und hohen Preisen", sagte die interimistische Generaldirektorin bei einer Pressekonferenz Mitte März. Im Fokus der Behörde steht derzeit vor allem der Handel, der in Österreich von den drei großen Konzernen Hofer, Rewe und Spar dominiert wird.

"Klauen und Zähne"

Die Handelsriesen beobachten einander genau und achten penibel darauf, was die Konkurrenz für Brot, Milch und Co verlangt. Die BWB führt derzeit eine Branchenuntersuchung durch, um herauszufinden, wer von den hohen Preisen profitiert. Rechtliche Handhabe gibt es gegen ein "Parallelverhalten" von großen Playern aber nicht. Damit die Behörde eingreifen darf, muss sie Absprachen beweisen können.

In Zeiten hoher Inflation wird diese Eingriffsschwelle zunehmend zum Problem, befand der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Mitte letzten Jahres. Er forderte ein Kartellrecht mit "Klauen und Zähnen". Eingriffe sollen nicht erst bei Beweisen möglich sein. Um Konzerne in letzter Konsequenz entflechten zu können, soll es vielmehr schon ausreichen, wenn wenige Player zu viel Macht haben.

Neuer Gesetzesentwurf

Mittlerweile liegt in Deutschland ein Gesetzesentwurf vor. BWB-Chefin Harsdorf-Borsch beurteilt im STANDARD-Interview den Vorschlag als "interessant". Es gebe hohe Erwartungen an die Behörde und "marktstrukturelle Probleme", aber keine Instrumente, um gegenzusteuern. Ob man diese Instrumente schaffen soll, will Harsdorf-Borsch nicht explizit sagen. Das sei eine "politische Entscheidung".

Konkret zeigte sich die Problematik zuletzt bei der Untersuchung des Treibstoffmarkts. Die BWB stellte bei Raffinerien teils eine Verdreifachung der Margen fest, konnte aber keine Beweise für Absprachen finden. Untersuchungen enden deshalb oft "unbefriedigend", sagt Viktoria Robertson, Professorin für Kartellrecht an der WU Wien und der Uni Graz. Es gebe zwar Empfehlungen, aber keine Konsequenzen.

Präventive Wirkung

In einigen Staaten wie dem Vereinigten Königreich ist das anders. Die Behörde kann dort Konzernen Auflagen erteilen – etwa den Verkauf bestimmter Betriebe. Das entfalte vor allem präventive Wirkung. Rechtlich müsse man aber sicherstellen, dass das Instrument nur dann genutzt wird, wenn es tatsächlich notwendig ist, sagt Robertson.

Der deutsche Entwurf sieht vor, dass eine "erhebliche andauernde Störung des Wettbewerbs" vorliegen muss. Was genau darunter zu verstehen ist, müsste letztlich von Gerichten geklärt werden.

Auf STANDARD-Anfrage heißt es im Wirtschaftsministerium, dass man die Diskussion in Deutschland "genau beobachtet". Der Vorschlag werfe aber "unions- und verfassungsrechtliche Fragen auf". Rechtskonformes Verhalten von Unternehmen zu strafen wäre "ein Pradigmenwechsel im Kartellrecht", der zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen könnte. (Jakob Pflügl, 3.4.2023)