Zahlreiche Menschen machen sich trotz der gefährlichen Überfahrt weiterhin auf den Weg nach Europa.

Foto: GIACOMO ZORZI/SEA-WATCH

Rom/Triest –Wegen der starken Migrationsbewegungen über das Osterwochenende plant Italien Sondermaßnahmen. Bei einer für Dienstagnachmittag vorgesehenen Ministerratssitzung solle wegen des starken Migrationsstroms der vergangenen Wochen ein Ausnahmezustand ausgerufen werden, hieß es am Dienstag aus Regierungskreisen. Damit sollen vor allem Sizilien und die süditalienische Region Kalabrien, die besonders betroffen sind, Sonderunterstützung erhalten.

Über das Osterwochenende sind von Freitag bis Montag mehr als 40 Boote mit etwa 2.000 Menschen nach Seefahrten über das Mittelmeer in Lampedusa eingetroffen. Die italienische Küstenwache ist außerdem bei der Rettung von weiteren 1.200 Migranten im Mittelmeer engagiert. Mehr als 30 Personen kamen bei Schiffbrüchen vor Tunesien und in maltesischen Gewässern ums Leben, 18 weitere werden noch vermisst, bilanzierte die Küstenwache am Montagabend.

Einrichtung von Aufnahmezentren

Mit dem Ausnahmezustand sollen unter anderem die Prozeduren für die Einrichtung neuer Aufnahmezentren für Flüchtlinge erleichtert werden. "Wir erleben einen absoluten Ausnahmezustand, der die staatlichen Strukturen schwer belastet. Die süditalienischen Regionen allein können diesen Notstand nicht bewältigen", sagte Katastrophenschutzminister Nello Musumeci am Dienstag dem Sender Radio Anch'io.

"Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Europa endlich handelt: Es hat jahrelang geredet, aber keinen Finger gerührt, und es ist an der Zeit zu beweisen, dass die EU wirklich eine Union ist und dass Solidarität mit Migranten nicht nur die Aufgabe von Italien, Spanien, Griechenland oder Malta ist", betonte Infrastrukturminister und Lega-Chef Matteo Salvini.

Fischerboot mit 800 Menschen

Die beiden Rettungsaktionen am Ostermontag erwiesen sich als besonders kompliziert. Eines der Boote mit 400 Menschen an Bord trieb im Ionischen Meer vor der Küste Kalabriens, wie die Küstenwache bestätigte.

Die deutsche Nichtregierungsorganisation Sea-Watch International, die das Fischerboot mit einem ihrer Flugzeuge geortet hatte, berichtete, dass ein Handelsschiff in dem Gebiet das in Seenot geratene Boot mit Treibstoff und Wasser versorgt habe. Bei einer zweiten Rettungsaktion der italienischen Küstenwache am Montag ging es um ein Fischerboot mit 800 Menschen an Bord, das mehr als 120 Meilen südöstlich der Stadt Sirakus auf Sizilien trieb.

Leichen geborgen

Am Wochenende war auch die Leiche eines Nigerianers an Bord eines Bootes mit 38 Migranten eingetroffen, das am Sonntag von der Küstenwache vor Lampedusa gerettet wurde. Die Leichen von zwei weiteren Geflüchteten wurden am Sonntag von dem NGO-Schiff Resqship geborgen und sind nach Lampedusa gebracht worden. Die Crew des Rettungsschiffs hatte davor etwa 25 Menschen gerettet, die in maltesischen Gewässern Schiffbruch erlitten hatten.

Sehr viele Menschen machen sich trotz der gefährlichen Überfahrt über das Mittelmeer weiterhin auf den Weg nach Europa. Seit Anfang 2023 sind über 28.000 Migranten und Flüchtlinge auf dem Seeweg in Italien angekommen, gegenüber 6.832 im gleichen Zeitraum 2022 und 8.394 im Jahr 2021, so die Statistik des italienischen Innenministeriums.

Salvini fordert Slowenien zu Übernahme von Migranten auf

Der italienische Vizepremier Matteo Salvini hat am Dienstag Slowenien aufgefordert, Migranten, die illegal die italienisch-slowenische Grenze überquert haben, wieder aufzunehmen. Andernfalls wäre Italien gezwungen, wieder Kontrollstellen an der Grenze einzurichten. "Wir müssen Slowenien zur Vernunft bringen, damit es das tut, was es tun muss und was es in der Vergangenheit getan hat", sagte Salvini mit Blick auf eine Rückübernahmevereinbarung aus den 1990er-Jahren.

"Andernfalls werden wir gezwungen sein, wieder Grenzkontrollpunkte zu errichten. Italien kann nicht alleingelassen werden, das gilt für Lampedusa, Triest und Ventimiglia. Jeder muss seinen Beitrag leisten", sagte der Lega-Chef und frühere Innenminister. Die nordöstliche Grenze Italiens zu Slowenien ist der wichtigste Grenzübergang für Migranten und Flüchtlinge, die auf der Balkanroute von der Türkei nach Nordeuropa unterwegs sind. Tausende Migranten erreichen mithilfe von Schleppern Italien über die Balkanroute.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hat am Dienstag eine Verlängerung der im Mai auslaufenden Grenzkontrollen zu Slowenien angekündigt. An der österreichisch-italienischen Grenze gibt es keine systematischen Kontrollen. (APA, 11.4.2023)