Verrutschte Sonnenbrillen bei Zombies lassen sich in "Dead Island 2" mit dem Elektroschocker begradigen.

Foto: Deep Silver/Dambusters

Respekt! Nach mehr als zehn Jahren Entwicklungszeit hat es Publisher Deep Silver endlich geschafft, "Dead Island 2" von den Tot(geglaubt)en auferstehen zu lassen. Nachdem das Spiel zwischenzeitlich zwei Entwicklungsstudios runtergefallen war wie der faule Unterkiefer eines Zombies, schaffte es das In-House-Studio Dambusters mit dem blutverschmierten Abenteuer doch noch über die Ziellinie. Mit "Duke Nukem Forever" und "Beyond Good and Evil 2" kann man also nicht mithalten, aber wozu taugt das Spiel dann?

Schenkt man internationalen Wertungen Glauben, könnte man auf den ersten Blick zu dem Schluss kommen, dass aus "Dead Island 2" ein solides Zombie-Spektakel mit Hieb- und Stichwaffen geworden ist. 75 Punkte lassen das Abenteuer aus der Egoperspektive auf Metacritic im grünen Bereich landen und versprechen einen blutrünstigen, aber "stylishen" Sandkasten in einem dystopischen Los Angeles, wo man einer Armee Untoter gegenübergestellt wird. Spätestens jetzt sollte sich der leise Verdacht regen, dass das Happy End nach all den Jahren Wartezeit vielleicht doch nicht so romantisch ist. Wobei die Zahl der wirklich Wartenden sehr wahrscheinlich überschaubar sein dürfte.

Hohe Bandbreite an Wertungen

Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass die Bandbreite der Wertungen sehr hoch ist. Das lässt darauf schließen, dass der rund 20 Stunden lange Action-Titel wohl doch nicht für alle Spielerinnen und Spieler im grünen Bereich landen dürfte. Auffallend oft fällt hingegen der Hinweis, dass das Spiel besonders im Koop-Modus Spaß machen dürfte. Leider ist für insgesamt bis zu drei Mitstreitern kein Crossplay vorgesehen. Immerhin ist Crossgen möglich, da das Spiel nicht nur für PC, Xbox Series und Playstation 5, sondern auch für die alte Konsolengeneration erscheint. Nur die Switch geht diesmal leer aus. Geweint wird ein anderes Mal.

Der Launch-Trailer zu "Dead Island 2".
Xbox

Die höchste Wertung erhält "Dead Island 2" von Windows Central mit 4,5 von fünf Sternen. Brendan Lowry ist der Ansicht, dass das Spiel alles ist, "was sich ein Fan wünschen kann. Mit fesselnder Kampfmechanik, dem exzellenten Charakter- und Ausrüstungssystem, witzig-satirischem Drehbuch und der grandiosen Präsentation hat diese langerwartete Fortsetzung bewiesen, dass sich das Warten gelohnt hat." Warum eine so hohe Wertung mit ausgewiesenen Performance-Problemen, abwechslungsarmen Missionszielen und komischen Spawnpunkten der Zombies möglich ist, bleibt Lowry uns schuldig.

Nichts versäumt?

Mehr oder weniger gemischte Gefühle hinterlässt das blutige Wiedersehen im zombie-infizierten Los Angeles bei Eike Cramer von 4players.de. Der deutsche Kollege merkt an, dass das Spiel "stumpf, blutig" und "brachial" sei, und im Endeffekt ein "guter, stumpfer Action-Snack ohne Anspruch oder Story-Highlights" entstanden sei. Bei der Wertung (75 von 100 möglichen Punkten) dürfte er noch einmal ein Auge zugedrückt haben.

Nicht alle Zombies liegen am Strand auf der faulen Haut herum.
Foto: Deep Silver/Dambusters

Mit den schlechtesten Eindruck hinterlassen hat "Dead Island 2" bei Lewis Parker von PC Gamer, der sich offenbar nach zehn Stunden Spielzeit schon gefragt hat, was er bei einem Spielabbruch versäumen würde. Wie sich weitere zehn Stunden später herausstellen sollte: nichts. Denn "abgesehen von der beeindruckenden technischen Leistung fällt es schwer, einen Grund zu finden, 'Dead Island 2' zu empfehlen. Obwohl sich der Kampf reaktionsschnell und intuitiv anfühlt, kann er die zahlreichen Schwächen des Spiels leider kaum kompensieren – vor allem, wenn sich das Gameplay während der zwanzigstündigen Kampagne kaum weiterentwickelt." Bei 55 von 100 möglichen Punkten dürfte die gelungene technische Umsetzung also gerade noch das Schlimmste verhindert haben.

Schön stumpf

Im Gegensatz zu den furchtbaren Marketingstunts, die nicht einmal witzig sind, wenn man sie irgendwann einmal verstehen will (der Slogan des Spiels lautet "Willkommen in HELL-A!"), lässt sich das Gefühl von Parker sehr leicht nachvollziehen. In meinem Fall hat es wesentlich schneller eingesetzt.

Achtung, auch Zombies können hart zuschlagen. Zumindest einmal.
Foto: Deep Silver/Dambusters

Schon in den ersten Minuten muss man selbst den Zombie mimen, um nicht von den inhaltlichen Unstimmigkeiten im Spiel abgeturnt zu werden. Wurde man nicht bei der Charakterauswahl schon von Klischees erschlagen, könnte man sich die Frage stellen, warum neben einem ausgebrannten Flugzeugwrack im Nirgendwo Vorschlaghämmer herumliegen. Zugegeben, die "kreative" Missionsbezeichnung "Töte alles, was sich bewegt" könnte einen Hinweis darauf geben.

Ich muss weg

Innerhalb weniger Minuten dann aber zwei Mal gegen die exakt gleiche Zombie-Dame im gelben Bikini-Oberteil antreten zu müssen macht auch nicht unbedingt Lust auf mehr und bereitet darauf vor, was sich nach und nach erhärtet: viel Wiederholung. Die zweifellos hübsch zurechtgezupfte Grafik kann zudem nach den ersten Spielstunden nicht darüber hinwegtäuschen, dass in "Dead Island 2" überholte und überaus flache Spielmechanik steckt. Mit anderen Worten: Der Leichenschminker hat sich Mühe gegeben, den Zombie verstecken konnte er allerdings nicht.

Spannend nicht zuletzt der Umstand, dass sich der Protagonist oder die Protagonistin gleich zu Beginn mit dem Zombievirus infiziert – vielleicht ein Hinweis darauf, wie man drauf sein muss, damit man die Kampagne durchsteht? Ich werde es anderen überlassen, das herauszufinden, ich bin raus aus HELL-A. (Benjamin Brandtner, 23.4.2023)