Wer sich über die Klimakrise Sorgen macht – und das sollte eigentlich jeder –, hat allen Grund, sich über die ÖVP zu ärgern. Trotz aller Lippenbekenntnisse zur Klimapolitik hintertreibt Kanzler Karl Nehammer gerade eine der wenigen wirklich konsequenten EU-Klimainitiativen, den Ausstieg aus dem Verbrennermotor im Individualverkehr. Und die Partei blockiert in der Koalition alle möglichen Gesetze, weil sie der einen oder anderen Klientel nicht gefallen.

Aber es ist zu einfach, Österreichs magere Klimabilanz allein den Türkisen in die Schuhe zu schieben. Die Bremser sitzen an vielen Stellen in der Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft – auch bei den Grünen und deren Fans. Alle betreiben Klimapolitik nach Gutdünken – im Prinzip ja dafür, aber dort, wo man auch andere Interessen hat, doch nicht. Jeder dieser Einwände ist nachvollziehbar, aber in der Gesamtheit führt dieser Weg immer weiter weg von den Klimazielen, die laut dem Umweltbundesamt auf dramatische Weise verfehlt werden.

Bundeskanzler Karl Nehammer bei seinem Besuch des BMW-Werks in Steyr.
Foto: Christian Fischer

Vor allem die Umstellung der Stromversorgung auf 100 Prozent erneuerbare Quellen in nur sieben Jahren erscheint kaum erreichbar. Dass im Vorjahr weniger Windräder errichtet wurden als 2021 und heuer die Zahl der Projekte weiter sinken wird, ist ein Skandal. Hier blockieren Länder und Gemeinden sowie Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie der Alpenverein, denen die unberührte Landschaft wichtiger ist als die Energiewende. Auch der Photovoltaikausbau könnte viel schneller gehen, wenn die Energieversorger die Stromeinspeisung aus privaten Anlagen erleichtern würden und Gemeinden bereit wären, Gewerbeflächen für Solarparks statt für weitere Fachmärkte zu widmen.

Technologieoffenheit

Beim Ausbau der Wasserkraft, die in den Alpen noch viel Potenzial hätte, bremsen auch die Grünen. Bei den Stromleitungen sind es die Anrainer, die der für die Energiewende notwendigen Infrastruktur ständig Steine in den Weg legen.

Auch auf EU-Ebene ist den Grünen nicht immer der Klimaschutz das größte Anliegen. Sonst würden sie nicht so verbissen gegen die Atomkraft kämpfen, die Österreich dank Wasserkraft zwar nicht braucht, andere Staaten aber sehr wohl, um Gas und Kohle zu ersetzen. Hier obsiegt, wie bei den deutschen Grünen, die traditionelle Ideologie über einen zukunftsorientierten Pragmatismus.

Das gilt auch für andere Technologien. Warum ist CCS, die Abscheidung und Speicherung von CO2, in Österreich verboten, mit der in Zukunft unvermeidbare Emissionen eingefangen werden können? Eines Tages könnte damit CO2 direkt der Atmosphäre entzogen und so die Erde wieder gekühlt werden. Hier Nein zu sagen, weil es angeblich vom "echten Klimaschutz" per Emissionsreduktion ablenkt, ist unsinnig. Wir brauchen Technologieoffenheit, da hat Nehammer recht.

Es ist logisch, dass Klimaschutz mit anderen Interessen und Ideen ständig in Konflikt gerät. Aber die Lage ist zu ernst für "Ja, aber": Alles, was gegen die Erderhitzung hilft, muss geschehen – auch wenn es manchen nicht gefällt. (Eric Frey, 25.4.2023)