Das richtige Verhalten beim Kontakt mit Wildtieren – aber auch beim Zusammentreffen mit so manchem Nutz- und Haustier – kann helfen, gefährliche Zwischenfälle zu verhindern.
Illustration: Fatih Aydogdu

Der tödliche Angriff der Braunbärin Gaia auf einen 26-jährigen Jogger im Trentino sorgte für mediales Aufsehen und große Betroffenheit. Der tragische Vorfall hinterlässt bei vielen Menschen aber auch ein mulmiges Gefühl. Denn wie man sich in freier Wildbahn verhält, wenn man einem Braunbären begegnet, gehört in unseren Breiten nicht unbedingt zum selbstverständlichen Allgemeinwissen.

Ein Braunbär hat vergangene Woche in Bayern Schafe gerissen. Eine Sichtung des Tieres oder eine direkte Begegnung mit Menschen gab es nach Behördenangaben nicht.
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Rückkehr der Wildtiere

Da in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auch andere Beutegreifer wie Wolf, Luchs und Goldschakal wieder in hiesigen Wäldern Fuß beziehungsweise Pfote fassten, ist die Verunsicherung unter Spaziergängerinnen, Wanderern und Naturfans groß.

Im Vergleich zu den häufig scheuen Wildtieren sind es jedoch nicht selten Nutztiere wie etwa Kühe, die Menschen gefährlich werden können. Mit einigen Verhaltenstipps lassen sich brenzlige Situationen aber entschärfen und im besten Fall gänzlich vermeiden.

Keinesfalls füttern

Eine der wichtigsten präventiven Maßnahmen ist es, Wildtieren nicht ihre natürliche Scheu zu nehmen, indem man sie anfüttert. Da manche Waldbewohner die Nähe menschlicher Siedlungen suchen, um an Fressbares zu kommen, sollten in betroffenen Gebieten auch Mülltonnen versperrt und vor tierischen Einbrüchen gesichert werden.

Abseits dessen gibt es spezifische Verhaltensregeln für das Zusammentreffen mit (Wild-)Tieren.

Braunbär (Ursus arctos)

Braunbären sind ein imposanter wie respekteinflößender Anblick. Begegnet man einem der Tiere, gilt es, die Nerven zu bewahren.
Foto: Imago/Westend61

Um eine Begegnung zu vermeiden, kann man in Regionen mit bekannter Bärenaktivität die Umgebung genau beobachten und durch Sprechen auf sich aufmerksam machen. Hören Bären einen Menschen kommen, suchen sie meist das Weite. Sollte es dennoch passieren, dass man auf einen Braunbären trifft, raten Fachleute dazu, ruhig zu sprechen und sich langsam seitlich oder rückwärts wegzubewegen.

Das Um und Auf ist, den Bären wissen zu lassen, dass man keine Gefahr ist und ihn nicht angreifen wird. Stellt sich ein Bär auf die Hinterbeine, wirkt das zwar enorm bedrohlich, dadurch verschaffen sich die Tiere aber nur einen besseren Überblick und können auch besser wittern, mit wem sie es zu tun haben. Keinesfalls sollte man in solchen Momenten versuchen davonzulaufen.

Auch wenn es eine nervliche Zerreißprobe ist, sollte man ruhig bleiben und warten, bis sich der Bär entfernt. Im Fall eines Angriffs raten Fachleute mit Nachdruck dazu, sich flach auf den Boden zu legen, die Hände im Nacken zu verschränken und sich tot zu stellen.

Wolf (Canis lupus)

Wölfe sind äußerst scheue Tiere, die den Kontakt zum Menschen weitgehend meiden.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Dieser große Beutegreifer gehört seit einiger Zeit wieder zum tierischen Arteninventar Österreichs. Da Wölfe sehr scheue Tiere sind, ist ein Zusammentreffen mit ihnen äußerst unwahrscheinlich. Sollte es dennoch zu solch einer Situation kommen, rät der Biologe und Wolfsforscher Kurt Kotrschal dazu, "eher unfreundlich" zu reagieren. Das funktioniert, indem man sich groß macht, das Tier anschreit und im Äußersten auch mit Steinen oder Stöcken wirft, um es zu vertreiben.

Auf solches Verhalten reagieren Wölfe mit Rückzug. Von 1950 bis 2020 kam es europaweit zu 127 nachgewiesenen Angriffen von Wölfen auf Menschen. In 107 dieser Fälle handelte es sich um tollwutkranke Tiere, fünf Menschen kamen ums Leben. Seit 2008 gilt die Tollwut hierzulande als ausgerottet.

Eurasischer Luchs (Lynx lynx)

Ein Luchs auf seinem Beobachtungsposten.
Foto: APA/ULYCA/GESLIN LAURENT

Anders als häufig angenommen ist der Luchs weniger scheu als andere Wildtiere. Das liegt daran, dass sich die Kleinkatzen mit dem Stummelschwanz auf ihre perfekte Tarnung verlassen. So ist auch ihre Fluchtdistanz geringer. Laut Naturschutzbund sind jedoch keine Angriffe gesunder Tiere auf Menschen bestätigt.

Goldschakal (Canis aureus)

Der Goldschakal gilt als jüngster Neuzugang der österreichischen Fauna.
Foto: Getty Images/iStockphoto/Wim Hoek

Der aus Südosteuropa eingewanderte Goldschakal ist inzwischen fast in ganz Österreich heimisch. Trifft man auf eines der Tiere, gilt wie immer: ruhig bleiben und Abstand halten. Für gewöhnlich ziehen sich Goldschakale von selbst zurück. Handelt es sich um ein junges oder sehr neugieriges Tier, das sich annähert, kann man wie auch bei Wölfen reagieren, sich groß machen, das Tier anschreien und mit Gegenständen bewerfen.

Wildschwein (Sus scrofa)

Wildschweine können ihrem Namen alle Ehre machen. Achtung ist geboten, wenn die Tiere – wie hier im Bild – mit Frischlingen unterwegs sind.
Foto: mago images/imagebroker/Christina Krutz

Dass ein Mensch von einem Wildschwein angegriffen wird, geschieht relativ selten. Am höchsten ist die Gefahr im Winter, wenn die Keiler auf Paarungssuche sind, und im Frühjahr, wenn Bachen ihren Nachwuchs versorgen. Um Angriffe zu vermeiden, sollte man unbedingt einen Bogen um Muttertier und Frischlinge machen. Steht man dennoch einem Wildschwein gegenüber, deutet folgendes Verhalten auf einen Angriff hin: Das Tier stellt den Schwanz auf, wirft den Kopf hin und her und schnaubt.

In solch einem Fall kann man in die Hände klatschen und sich groß machen. Zieht sich das Wildschwein nicht zurück, sollte man sich langsam entfernen. Kommt es zu einer Attacke, raten Fachleute, auf einen Baum oder einen Hochstand zu klettern.

Kreuzotter (Vipera berus)

Schön und scheu zugleich ist die Kreuzotter. Wer die Schlange fotografieren möchte, sollte dabei aber Abstand halten.
Foto: APA/dpa/Sammer

Obwohl sie zu den Giftschlangen zählen, geht von Kreuzottern kaum eine erhöhte Gefahr aus. Unfälle passieren meist aufgrund unvorsichtigen oder falschen Verhaltens. Da sie die Vibrationen des Bodens wahrnehmen, sind die Schlangen meist schon über alle Berge, bevor man sich ihnen nähern kann. Trotzdem passiert es vereinzelt, dass Menschen gebissen werden – zumeist weil sie versuchen, die Tiere zu fotografieren oder anzufassen.

Gefährlich ist der Biss der Kreuzotter aufgrund der geringen Giftmenge im Regelfall nur für Kinder und ältere Menschen. Wird man gebissen, sollte man dennoch unbedingt ein Krankenhaus aufsuchen. Um diese unangenehme Situation jedoch zu vermeiden, gilt es, einen Mindestabstand von einem halben Meter einzuhalten, wenn man auf eine der Schlangen trifft.

Wespen und Hornissen

Immer mit der Ruhe heißt es auch, wenn sich Wespen nähern.
Foto: IMAGO/STAR-MEDIA / Michael Schöne

Die Sonne lacht wieder vom Himmel, und mit den steigenden Temperaturen erwachen auch einige fliegende Zeitgenossen zu neuer Aktivität. So schwirren um so manchen Kaffee- oder Jausentisch im Freien auch Wespen und Hornissen. Ihr Stich kann äußerst schmerzhaft und für Allergikerinnen und Allergiker auch lebensbedrohlich sein. Kommen einem Wespen unangenehm nahe, sollte man gegen den Drang, die Tiere durch Herumfuchteln zu vertreiben, widerstehen.

Hornissen sind zwar wesentlich größer als ihre Verwandten, die Wespen. Im Gegensatz zu diesen sind sie aber äußerst friedliche Tiere.
Foto: Getty Images/iStockphoto

Denn Wespen stechen, sobald sie sich bedroht fühlen, weshalb heftige Bewegungen vermieden werden sollten. Darüber hinaus rät der Naturschutzbund, nicht zu versuchen, die Hautflügler wegzublasen. Das im menschlichen Atem enthaltene Kohlendioxid gilt im Wespennest als Alarmsignal und kann die Tiere erst recht in Aufregung versetzen und aggressiv machen.

Die größeren Hornissen, die ebenfalls zur Familie der Faltenwespen gehören, sind im Vergleich zu ihren kleineren Verwandten äußerst friedfertig. So greifen Hornissen niemals grundlos an, sie sind sogar scheuer als Honigbienen und ziehen es immer vor, einem Konflikt durch Flucht auszuweichen. Nur bei Störungen in einem zwei bis drei Meter großen Radius um das Nest versuchen die Tiere, ihr Volk und ihre Königin zu verteidigen.

Hausrind (Bos taurus)

Kühe lassen sich meist nicht aus der Ruhe bringen. Um Angriffe zu vermeiden, sollte man insbesondere bei Muttertieren auf der Hut sein.
Foto: APA/Barbara Gindl

Kühe sind von Natur aus friedliche Tiere. Zwischenfälle lassen sich vermeiden, indem man den Tieren beim Überqueren von Weiden und Almen nicht zu nahe kommt und sich langsam und ruhig bewegt. Man sollte die Tiere nicht erschrecken und nicht versuchen, sie zu streicheln. Wer mit Hund unterwegs ist, sollte diesen unbedingt kurz anleinen und Kuhgatter, wenn möglich, umgehen.

Im Notfall gilt: den Hund sofort von der Leine lassen. Eine Kuhattacke kündigt sich durch ein Senken des Kopfes und Schnauben an. Ziehen Sie sich in diesem Fall langsam und mit Blick auf die Kuh zurück. In großer Not kann ein Schlag auf die Nase das Tier vertreiben.

Haushund (Canis lupus familiaris)

Wenn man sich von einem Hund bedroht fühlt, heißt es dennoch: ruhig bleiben.
Foto: imago images/McPHOTO

Hunde beißen meist zu, wenn sie sich erschrecken oder bedroht fühlen. Steht man einem aggressiven Hund gegenüber, gilt es, Ruhe zu bewahren, um das Tier nicht zu reizen. Weglaufen kann den Spieltrieb oder auch den Jagdinstinkt wecken und die Lage verschlimmern. Am besten bleibt man aufrecht stehen und dreht sich leicht zur Seite weg.

Blickkontakt sollte vermieden werden, da ein starrer Blick als Drohung interpretiert werden könnte. Sollte ein Hund tatsächlich angreifen und zum Zubeißen ansetzen, kann man sich mit verfügbaren Gegenständen wie einer Handtasche oder einem Rucksack, in die der Hund beißen kann, abschirmen. (Marlene Erhart, 26.4.2023)