Die Affäre rund um den inhaftierten US-Soldaten Jack Teixeira, der – wie berichtet – jahrelang geheime Dokumente des US-Verteidigungsministeriums in einer privaten Chatgruppe teilte, hat nun auch Deutschland erreicht. Wie die Wochenzeitung "Zeit" sowie das ARD-Magazin "Kontraste" am Donnerstag berichten, hat ein US-Geheimdienst ein Treffen deutscher Ministerialbeamter mit chinesischen Militärs in Berlin belauscht.

Art der Spionage unklar

Wie genau Washingtons Dienste an die als "top secret" gekennzeichneten Informationen gelangt sind, steht bisher nicht fest, angenommen wird aber, dass es sich dabei um "Signal Intelligence" handelt – also um abgehörte Kommunikation. Weil das deutsch-chinesische Treffen zudem erst am 20. Februar stattfand, dürfte es sich um eines der letzten Postings der sogenannten Pentagon-Leaks handeln, bevor Teixeira Mitte April aufflog.

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius im Visier der US-Schlapphüte.
Foto: IMAGO/Chris Emil Janssen

Die chinesische Delegation, die damals zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie in Europa weilte, habe angesichts des Drucks der USA zur Charme-Offensive in Deutschland angesetzt, war man sich der abgehörten Information zufolge in Berlin bewusst, die Beamten des Verteidigungsministeriums bezogen zur Vorbereitung des heiklen Gesprächs auch den damals neuen Minister Boris Pistorius (SPD) ein – man dürfe China keine Zugeständnisse im Bereich militärischer Zusammenarbeit machen, lautete die Parole.

"Solidarität mit den USA"

Washington war dem Geheimpapier zufolge offenbar zufrieden: Die Deutschen hätten "klargemacht, dass keine weitere Kooperation im Verteidigungsbereich" möglich sei, solange China intransparent und abgeschottet agiere. Die deutsche Regierung, heißt es dort weiter, halte ihre bei dem Treffen betonte "Ablehnung der weitergehenden Kooperation mit den Chinesen für einen Akt der Solidarität mit den USA."

Die Empörung in Deutschland ist nun aber weniger dem Inhalt der abgehörten Besprechungen geschuldet, sondern dem Umstand, dass die USA offenbar trotz der NSA-Affäre vor zehn Jahren weiter deutsche Regierungsangelegenheiten ausspionieren. Damals war bekannt geworden, dass der US-Geheimdienst systematisch Informationen aus der deutschen Regierung sammelt – die damalige Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte daraufhin erklärt: "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht."

Kein Versprechen

Präsident Barack Obama hatte Merkel damals zwar versprochen, ihr Handy nicht mehr abhören zu lassen, die NSA lehnte es aber öffentlich ab, dieses Versprechen auch auf andere Regierungsmitglieder auszuweiten.

Unklar ist nun, ob Washington das Treffen der deutschen Beamten mit den chinesischen Militärs bewusst abgehört hat – oder ob die Informationen auf andere Art an das Pentagon gelangt sind. Derweil sieht es aber so aus, als ginge "Ausspähen unter Freunden" noch immer. (Florian Niederndorfer, 27.4.2023)