Charles steht in einem hellen Leinensakko inmitten eines Meeres roséfarbener Hortensien. Schauplatz ist der Garten seines Landsitzes Highgrove House im Herzogtum Cornwall. Die Arme hat der britische Royal hinter dem Rücken verschränkt, er trägt ein violettes Hemd, aus der Brusttasche des Doppelreihers lugt ein blaues Stecktuch.

VIDEO: Was für Charles' Krönung geplant ist.
DER STANDARD

Es ist drei Jahre her, dass Charles sich für die britische Vogue fotografieren ließ. Und einen Auftritt hinlegte, der ihn als Nachhaltigkeitsjünger darstellen sollte: Sein Anzug? 30 Jahre alt. Die Botschaft des Königs, der sich seit Jahrzehnten mit erneuerbaren Energien und ökologischer Landwirtschaft auseinandersetzt, ist klar: Ich lebe so umweltbewusst wie sparsam.

Der Royal inszeniert sich als Wiederholungstäter. Zur Hochzeit von Sohn Harry und Schwiegertochter Meghan war er vor fünf Jahren in einem Anzug von Anderson & Sheppard erschienen, der aus dem Jahr 1984 stammte. Er sei einer dieser Menschen, die nichts wegwerfen könnten, dafür komme sein Stil eben einfach alle 25 Jahre zurück, erklärte er gegenüber Edward Enninful, dem Chefredakteur der britischen Vogue. Dass Charles Kleidung und Schuhe laufend reparieren lässt, hat er bereits eindrucksvoll bewiesen: Vor einem Jahrzehnt amüsierte er die Öffentlichkeit in einem notdürftig geflickten Anzug.

Charles 1986 beim Outfitwechsel während eines Polomatches.
Foto: imago images/PA Images

Man muss hinzufügen: Charles lebt Nachhaltigkeit auf royalem Niveau. Seine maßgeschneiderten Anzüge zeigen wenig Abnutzungserscheinungen, nachdem sie nur zu ausgesuchten Anlässen getragen werden. Und sie stammen von den besten Herstellern, denen die Royals seit Jahrzehnten treu sind: Anzüge werden beim Londoner Ausstatter Anderson & Sheppard auf der berühmten Savile Row oder bei wichtigen Anlässen beim Traditionshaus Gieves & Hawkes geordert, Charles’ Kilts stammen von Kinloch Anderson, die Schuhe vom Schuhmacher Crockett & Jones. Bilder aus den 1980er-Jahren zeigen einen Prinzen, der Vorbild für junge Menschen sein könnte, die sich in ihren Poloshirts, Tweed-Blazern und Loafers auf der Plattform Tiktok dem #OldMoney-Trend verschrieben haben.

Unaufgeregter Stil

Lange wurde der unaufgeregte Stil des ewigen Thronfolgers nicht gewürdigt. Erst stand er im Schatten der bonbonfarbenen Kostüme seiner Mutter, dann in dem seiner modebewussten Ehefrau Diana. Doch der hat sich Wind gedreht.

In den vergangenen Jahren überschlugen sich die Männermodemagazine vor Begeisterung, wenn es um den Kleidungsstil des britischen Royal ging. Galt dieser früher als langweilig, wird er nun als "mühelos" beklatscht. Das neu entfachte Interesse an den Auftritten des heute 74-Jährigen mag aber auch darin begründet sein, dass Charles dazugelernt hat. Auf Reisen greift er seltener zu Safari-Jacken. Mit der britischen Kolonialvergangenheit beladene Kleidungsstücke sehe man heute mehr in High-Fashion-Show als im Königshaus, meint der Designer Hermann Fankhauser, der an der Wiener Modeklasse lehrt.

Charles in seinem Nachhaltigkeitsrefugium Highgrove.
Foto: Getty Images

Und während prominente, heterosexuelle Männer wie Brad Pitt erst seit kurzem Röcke tragen, ist Charles seit jeher in Schottenröcken unterwegs: Ist er vielleicht doch modisch fortschrittlicher als gedacht? 2009 krönte ihn das Magazin Esquire als best angezogenen Mann der Welt, der damals 60-jährige Charles schlug prominente Männer wie Barack Obama oder den Tennisspieler Roger Federer. Die Kollegen von GQ urteilten: Eine Stilikone war dieser Mann schon immer. Auch Vogue-Chef Edward Enninful bekannte, er habe Charles Stil immer bewundert.

Seit jeher ist Charles auch im Schottenrock unterwegs.
Foto: Peter Byrne/Pool via AP

Zuletzt, nach Charles Besuch im deutschen Bundestag, übermittelte Bild-Kolumnist Franz-Josef Wagner ihm eine Nachricht, die sich wie ein Liebesbrief liest: "Das Outfit des Königs war wohltuend. Wir sahen einen perfekt angezogenen Mann. Kein Staubkörnchen war an ihm. Es wird Zeit, dass wir uns wieder richtig anziehen." Das Geheimnis des Königs und einstigen Prinzen sei, meint Fankhauser: "Er wiedersieht Moden und modischen Strömungen, um ab und zu selbst wieder ins Zentrum der Mode zu gelangen." Das scheint gerade wieder passiert zu sein. König Charles habe eine perfekte Garderobe, die, egal welcher Körpertyp sie tragen würde, jeden elegant aussehen lasse, glaubt Fankhauser: "Die Farben sind klassisch wie britisch, die Proportionen ausbalanciert und jedem Anlass angepasst."

Charles beim Deutschlandbesuch im März.
Foto: EPA / FlashPic / POOL

Darüber hinaus scheint in Charles ein Interesse an Mode zu schlummern: Auf dem Gelände seines schottischen Herrenhauses Dumfries House wurden Stallungen als Ateliers für den britischen Textilhandwerker-Nachwuchs ausgebaut. 2020 präsentierte er eine kleine Modekollektion von Designstudentinnen und -studenten. Für solche Dinge wird in Zukunft möglicherweise weniger Zeit sein. (Anne Feldkamp, 28.4.2023)

Mit seiner ersten Frau Diana auf Reisen in Indonesien im Jahr 1989.
Foto: Kazuhiro NOGI / AFP
2021 in Jordanien mit Ehefrau Camilla.
Foto: Reuter/ POOL