Lehrbeispiel "Succession" (HBO-Serie): Patriarch Logan hält Sohn Kendall fest – sein Imperium auch. Nachfolgeplanung? Nein.
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Alles, was ich jemals getan habe, habe ich nur für meine Kinder getan" – das behauptet Logan, der Vater und Boss einer riesigen Firma in der HBO-Serie Succession. In dieser streiten sich die Kinder darum, wer das Familienunternehmen übernehmen wird. Es wird gezockt und gezofft, gebuhlt und betrogen.

Ein übliches Szenario bei einer Übergabe des Familienunternehmens an die nächste Generation? Manchmal ja. Gerade in den nächsten Jahren werden diese Kämpfe möglicherweise vermehrt auch in Österreich geführt. Warum?

Babyboomer noch am Steuer

Die Babyboomer – alle Personen, die zwischen 1946 und 1964 geboren sind – gehen demnächst in Pension. In dieser Generation kamen wesentlich mehr Babys zur Welt als in den darauf folgenden. Ihr Berufsleben fiel in die Zeit des großen Wirtschaftswachstums. Vermögen und Unternehmen konnten aufgebaut werden.

Man sagt den Vertretern dieser Generation auch nach – Achtung, Verallgemeinerung! -, sie seien Arbeitstiere, die sich gerne für den Job aufopfern. Wird es dieser Generation leicht fallen, an die Nächste zu übergeben?

Wenn das Loslassen schwerfällt

Um nochmals auf die viel gelobte und viel gesehene Serie Succession (ins Deutsche übersetzt "Nachfolge") zurückzukommen: Hier meint der Familienpatriarch, er kann eh alles besser. Er gibt seine Position nicht ab.

"Tatsächlich ist es so, dass das Loslassen für viele sehr schwer ist. Aber gerade das ist entscheidend, damit die Übergabe gut verläuft", sagt Erich Lehner, Partner bei der Steuerberatungsgesellschaft EY und Standortleiter von EY Oberösterreich. Lehner sieht in seiner Arbeit, dass immer weniger Kinder es als selbstverständlich ansehen, in die Fußstapfen der Eltern zu treten.

Der Patriarch Logan will die Firma nicht aus den Händen geben. (Aus der Serie Succession)
Foto: HBO

Erstgeborene übernimmt nur noch selten

"Der Erstgeborene übernimmt – dieses Credo gehört der Vergangenheit an", sagt auch die Gründerin des Instituts für Familienbetriebe (ifub) Manuela Mätzener. Oft seien es die jüngeren Kinder, die den Betrieb übernehmen.

Die Eltern übergeben die Betriebe immer später, und bis es zur Übernahme kommt, seien die Älteren schon fest in ihrem eigenen Berufsleben verankert. Es gibt noch weitere Gründe, warum die Nachfolge schwierig werden könnte. Die Serie Succession ist auch hier wieder nah an der Realität.

Schwarze Schafe und viele Dramen

Lieblingssöhne und schwarze Schafe, alte psychische Wunden – Familien sind selten ein Ort allumfassender Harmonie. In der Serie kämpfen vier Kinder um das Imperium und die Gunst des Vaters. "Ich merke in meiner Beratungsarbeit immer wieder: Je mehr Kinder, desto schwieriger wird es", erzählt Guido Schwarz, Berater und Konfliktmanager des Ifub.

Es gebe auch Personen, die lieber alles ins Chaos stürzten und den Prozess so in die Länge ziehen, bis teils auch kein Geld mehr vorhanden sei und alle im Nachteil seien. "Hat man solche Personen im Unternehmen, wird die Nachfolge sehr schwer, und ein Verkauf ist womöglich die sinnvollste Lösung", meint Schwarz.

Alles in Chaos stürzen

In Succession verkörpert die Tochter Shiv teilweise diese Rolle. Alle Interessen der Erben zu beachten ist alles andere als leicht. Schwarz macht deshalb zu Beginn des Beratungsprozesses eine Familienaufstellung. Wer will was und warum. "Unsere Kundinnen und Kunden verraten uns ihre tiefsten Geheimnisse. Das ist auch notwendig, sonst ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Prozess scheitert", sagt er.

Der Streit müsse zuerst gelöst werden. Manchmal empfiehlt er auch eine Psychotherapie, um die alten Erlebnisse und Emotionen zu verarbeiten. "Gerade bei Familienunternehmen sind immer sehr viel Gefühle mit im Spiel. Auf die gilt es einzugehen und behutsam mit ihnen umzugehen", sagt Mätzener.

Die Geschwister buhlen um die Gunst ihres Vaters und um die Nachfolge der Firma. (Aus der Serie Succession)
Foto: HBO

Ist die Firma verschuldet?

Aber auch die ökonomischen Faktoren sollten nicht vergessen werden. Wird eine Firma von einem Kind übernommen, müssen die anderen Geschwister ausbezahlt werden – außer natürlich, sie verzichten darauf. Es gibt unzählige Möglichkeiten, das zu managen.

"Eine Steuerberatung in Anspruch zu nehmen ist deshalb in jedem Fall ratsam", sagt Heike Böhler-Thurnher, Referatsleiterin des Förderservice der Wirtschaftskammer Vorarlberg.

Auch die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens sollte vor der Übernahme analysiert werden, meint sie. Ist die Firma verschuldet? Hat die Person, die den Betrieb übernimmt, genug Erfahrung und Wissen für die Position und das Geschäftsfeld?

Personalmangel auch hier spürbar

"Die Erfahrung zeigt, dass es für die Nachfolgerinnen und Nachfolger sinnvoll sein kann, vor der Übernahme in anderen Firmen gearbeitet zu haben", sagt Mätzener. Was aber, wenn das Kind nicht will oder es keine Nachfolge gibt?

"Fast in allen Wirtschaftsbereichen gibt es gerade Personalmangel", sagt Erich Lehner. Dieser Mangel an geeignetem Personal betrifft auch die Familienbetriebe. "Es wird immer schwieriger, eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger zu finden", sagt Lehner. Auf der Nachfolgebörse, einer Plattform der Wirtschaftskammer, sind gerade rund 1100 Inserate online.

"Ich denke, es werden rund 10.000 Betriebe in den kommenden Jahren Nachfolger suchen", meint Lehner. Deshalb lohne es sich, sagt er, früh genug den Übergabeprozess zu starten.

Wieder vertrauen

Seine Empfehlung: fünf Jahre vorher damit anzufangen. Die wirtschaftliche Situation verlangt oft eine Veränderung des Unternehmens. Die Angst der Eltern, ob das Unternehmen nach der Übergabe noch in guter Weise weitergeführt wird, ist verständlich.

Das Vertrauen ineinander wachse über die Zeit, sagt Schwarz. Respekt vor dem Geleisteten sei essenziell dafür. Das sei ein Reifungsprozess. "Die ehemaligen Firmeninhabenden wollen oft noch mitreden", meint Böhler-Thurnher. Wer will also welche Rolle haben? Das zu klären und letztendlich seinem Herzen zu folgen, das mache den Erfolg einer Übergabe aus.


"Lange wollte ich das Unternehmen nicht übernehmen"

Josef Koó und seine Frau Miriam Schwack-Koó führen seit 2018 den Blaudruck-Familienbetrieb in der dritten Generation. Sie verraten, wie ihnen die Übergabe gelang.
Foto: Gerry Rohrmoser

Blaudruck ist ein altes Handwerk. Im Burgenland gab es viele solcher Firmen. Heute gibt es nur noch eine: Blaudruck Koó. Wie sein Betrieb überleben konnte, erzählt der Besitzer Josef Koó.

Wissen Sie, woher die Redewendung, Blaumachen‘ kommt? Josef Koó lacht verschmitzt, als er die Frage stellt, und antwortet sofort. Beim Färben mit pflanzlichem Indigo wird der Stoff in die Farbe getaucht. Zieht man den Stoff aus der Farbe heraus, ist er noch nicht blau..

Erst der Kontakt mit der Luft lässt die Farbe entstehen. Dieser Vorgang wird bis zu acht Mal wiederholt. Färberinnen und Färber schieben also beim Blaufärben eine ruhige Kugel – sie machen blau.

Blaudruck in Österreich stirbt aus

Das Blaudruckgewerbe ist in Österreich fast ausgestorben. Im 19. Jahrhundert war das noch ganz anders. Gerade im Burgenland, wo Josef Koós Familienbetrieb beheimatet ist, gab es viele solcher Unternehmen. Hätte er den Betrieb 2008 nicht von seinen Eltern übernommen, wäre ein weiterer Betrieb, der dieses immaterielle Kulturerbe weiterleben lässt, verloren gegangen.

"Lange wollte ich den Betrieb nicht übernehmen", erzählt Koó. Zwar half er schon seit seiner Kindheit im elterlichen Betrieb mit, doch beruflich ging er andere Wege. Er arbeitete als selbstständiger Grafiker in Wien. Als seine Eltern dann immer mehr auf seine Hilfe angewiesen waren, pendelte er am Wochenende immer ins Burgenland. 2007 starb sein Vater. Wie sollte es nun mit der Firma weitergehen?

"Alleine hätte ich es nicht gemacht"

"Ich habe es mir fünfmal überlegt, ob ich sie übernehmen soll. Alleine hätte ich es nicht gemacht", erzählt Koó. Seine Frau Miriam Schwack-Koó, eine Künstlerin und Bildhauerin, war begeistert von der Idee, den Betrieb zu übernehmen. Seit 2008 stehen nun beide an den über 100 Jahre alten Geräten.

Die Färberei mit den über 100 Jahre alten Geräten kann auch besucht werden.
Foto: Gerry Rohrmoser

"Auch meine Mutter hat noch lange mitgearbeitet." Am Anfang hatte sie Bedenken, ob der Sohn es gut mache. "Es gibt Übergangsphasen. Da kam es immer wieder zu Reibungen zwischen uns. Aber die haben wir zugelassen", sagt Koó. Er habe großen Respekt vor dem, was seine Eltern geleistet haben. Er behielt die Philosophie des Unternehmens bei. Und so entstand im Laufe der Jahre wieder Vertrauen zwischen Mutter und Sohn.

Von Notizbüchern bis Schuhen

Bei der Übernahme stand es nicht besonders gut ums Geschäft. Koós Eltern vertrieben ihre blauen Stoffe auf Märkten. Der Umsatz wurde immer geringer. Als Josef Koó den Betrieb übernahm, erlebte das Handwerk gerade eine Renaissance. Nun arbeitet Koó mit Designern zusammen, alles Erdenkliche wird blau gefärbt – von Schuhen bis Notizbuchdeckeln.

Die Änderung des Geschäftsmodells ging auf. Heute können er und seine Frau gut davon leben. Wie entscheidet man, ob die Firma der Eltern übernehmen soll? Man muss auf jeden Fall Leidenschaft für das Thema haben, sagt er. "Ich liebe die Farbe Indigo und deren Geruch." Josef Koós Augen leuchten. (Natascha Ickert, 9.5.2023)