Binance hat die Auszahlungen für Bitcoin unterbrochen. Das schürt neue Ängste in der Kryptoszene. Dort geht es gerade Schlag auf Schlag. Viele Plattformen sind zuletzt unter Druck geraten.

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Wien – Kryptofans müssen dieser Tage wieder eine Menge schlechter Nachrichten verdauen. Die weltgrößte Kryptobörse Binance setzte am Montag (8.5.2023) zum zweiten Mal innerhalb weniger Stunden Bitcoin-Abhebungen aus. Als Grund nannte das Unternehmen einen unerwartet starken Anstieg der Transaktionskosten.

Da die von Binance zur Verfügung gestellten Gebühren für Bitcoin-Schürfer unattraktiv gewesen seien, habe sich ein Abwicklungsstau gebildet. "Wir erheben für die ausstehenden Bictoin-Abhebungen höhere Gebühren, damit sie von den Mining-Pools abgeholt werden."

Ein Anstieg der Kosten sei bei einer hohen Auslastung der "Schürfer" üblich, sagte Joshua Chu, Risikochef der Softwarefirma XBE. "Wir brauchen mehr Informationen darüber, was zu den großen Abhebungen geführt hat." Binance dementiert, dass Kunden in großem Stil Geld von ihren Konten abgezogen hätten.

"Schürfer" oder "Miner" stellen Rechnerkapazitäten zur Verfügung, um Transaktionen zu verschlüsseln und zu verifizieren. Sie werden dafür in der jeweiligen Kryptowährung entlohnt. Dieser sogenannte Benzinpreis orientiert sich an Angebot und Nachfrage.

Ermittlungen durch Behörden

In den vergangenen Monaten hatten die zahlreichen Ermittlungen gegen die Börse Nutzer nervös gemacht, die daraufhin Reißaus nahmen. So zogen sie Ende März wegen einer Klage der US-Derivateaufsicht CFTC binnen weniger Stunden 1,6 Milliarden Dollar (1,45 Milliarden Euro) ab. In den Wochen zuvor hatten sie sich zudem aus der Kryptowährung Binance USD zurückgezogen, deren Kurs an den US-Dollar gekoppelt ist. Auslöser war ein Verbot der US-Behörden, diese digitalen Münzen auszugeben.

Strafverfolger haben Binance seit längerem im Visier. Sie werfen dem Unternehmen, das nach eigenen Angaben keinen Firmensitz hat, unter anderem Geldwäsche und die Umgehung von Sanktionen vor. Vor wenigen Tagen hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg über Ermittlungen des US-Justizministeriums berichtet, weil die Börse Russen dabei geholfen haben soll, nach dem Einmarsch in die Ukraine Geld außer Landes zu schaffen.

Viele Geheimnisse, viele offene Fragen

Über Binance selbst ist nur wenig bekannt. Gegründet wurde das Unternehmen 2017 in Schanghai und zog später zunächst nach Tokio und dann Malta um. Die Holding ist derzeit auf den Cayman Islands registriert. Die Firma hat aber nach eigenen Angaben keinen Hauptsitz und weigert sich, den Standort ihrer Hauptbörse Binance.com zu nennen.

Binance.com hat nach eigenen Angaben 2022 täglich Transaktionen im Volumen von etwa 65 Milliarden Dollar abgewickelt. Dem Datenanbieter Cryptocompare zufolge kommt die Börse damit auf einen weltweiten Marktanteil von mehr als 50 Prozent.

Um seine Finanzen macht Binance ebenfalls ein Geheimnis. Weil das Unternehmen nicht börsennotiert ist, veröffentlicht es keine Zahlen zu Umsatz oder Gewinn. Branchendaten zufolge hat die Börse seit 2018 auch kein frisches Kapital mehr aufgenommen. Daher musste sie seither auch keine Kennziffern mit potenziellen Investoren teilen.

Gründer von Binance sind Firmenchef Zhao und Yi He, eine ehemalige Moderatorin einer chinesischen Reisesendung. He und der in China aufgewachsene kanadische Staatsbürger Zhao haben einen gemeinsamen Sohn. He leitet unter anderem die 7,5 Milliarden Dollar schwere Wagniskapitalsparte von Binance.

Investitionen und Sponsoring

Die Wagniskapitalsparte von Binance hat in den vergangenen Jahren nach eigenen Angaben Geld in mehr als 200 Unternehmen gesteckt. Dem Datenanbieter Pitchbook zufolge beläuft sich das Volumen auf fast zwei Milliarden Dollar. 2022 steckte Binance zudem 500 Millionen Dollar in die Übernahme des Kurznachrichtendiensts Twitter durch Tesla-Chef Elon Musk.

Die Börse ist außerdem Sponsor des italienischen Fußball-Erstligisten Lazio Rom und der argentinischen Fußball-Nationalmannschaft. Außerdem gewann sie 2022 den Stürmerstar Cristiano Ronaldo als Werbegesicht für NFTs.

Nach SEC-Klage in Insolvenz

Turbulent könnte es auch für die Anleger auf Bittrex werden. Wenige Wochen nach einer Klage der US-Börsenaufsicht SEC hat die Kryptobörse nun Insolvenz beantragt. Das US-Geschäft sei zum 30. April eingestellt worden, teilte das Unternehmen mit. Die in Liechtenstein ansässige Sparte Bittrex Global, die Kunden außerhalb der USA bedient, bleibe vom Antrag auf Gläubigerschutz für das US-Geschäft unberührt.

Die SEC wirft Bittrex und ihrem Chef William Shihara unter anderem vor, eine nicht registrierte Wertpapierbörse betrieben zu haben. Dem Branchendienst CoinMarketCap.com zufolge ist Bittrex mit einem täglichen Handelsvolumen von etwa 8,7 Millionen Dollar die Nummer 59 der Kryptobörsen. Zum Vergleich: Beim Branchenführer Binance werden pro Tag Bitcoin und Co im Volumen von etwa 8,9 Milliarden Dollar gehandelt.

Rauer Wind

In der Kryptobranche reiht sich derzeit Pleite an Pleite. Der Zusammenbruch der Kryptobörse FTX ist der Haupttreiber dieser Entwicklung. Außerdem zogen die Behörden vor allem in den USA die Daumenschrauben an und verklagen Unternehmen wegen angeblicher Verletzung von Wertpapiergesetzen. Die Kursturbulenzen bei Bitcoin und Co tun ihr Übriges. Wo es bisher schon zu Turbulenzen gekommen ist:

  • FTX: Nach Gerüchten um Unregelmäßigkeiten und einer geplatzten Rettung durch den Erzrivalen Binance räumten FTX-Kunden ihre Konten leer und versetzten der Kryptobörse den Todesstoß. Alameda, das Brokerhaus des FTX-Gründers Sam Bankman-Fried, wird im November 2022 ebenfalls zahlungsunfähig. Bankman-Fried weist Betrugsvorwürfe zurück und beantragt, zehn der 13 Anklagepunkte gegen ihn fallenzulassen.

  • Blockfi: Wenige Wochen nach der FTX-Pleite kommt für Blockfi das Aus. Die Kryptobank sollte ursprünglich von FTX übernommen werden. Außerdem hatte die Börse Blockfi einen Kreditrahmen über 400 Millionen Dollar gewährt.

  • Silvergate: Mit Silvergate stellt eine der einst wichtigsten Kryptobanken ihren Betrieb im Frühjahr 2023 ein. Der Grund seien im Sog der FTX-Turbulenzen angehäufte milliardenschwere Verluste, wodurch die Zahlungsunfähigkeit droht.

  • Genesis Global: Die Kreditvergabesparte des Kryptowährungsbrokers und -verleihers Genesis meldet Ende Jänner 2022 Insolvenz an. Das ehemalige Branchenschwergewicht war durch die FTX-Affäre in Schieflage geraten und hatte im November 2022 die Kreditvergabe eingestellt und Abhebungen blockiert.

  • Core Scientific: Dieses Unternehmen war zeitweise einer der größten börsennotierten Kryptowährungsschürfer. Der Kursverfall der Cyberdevisen und steigende Energiepreise treiben das Unternehmen im Dezember 2022 in die Insolvenz. Außerdem schuldet die ebenfalls insolvente Kryptobank Celsius der Firma sieben Millionen Dollar.

  • Celsius: Ähnlich wie bei FTX treiben Massenabhebungen die Kryptobank, die zuvor Kunden mit Zinsen von bis zu 17 Prozent gelockt hatte, bereits im Juli 2022 in die Insolvenz. Ihr Chef Alex Mashinsky muss sich wie Bankman-Fried wegen Betrugs vor Gericht verantworten. Auch er weist die Vorwürfe zurück. (Reuters, bpf, 10.5.2023)