Das Camp der Sozialistischen Jugend am Attersee birgt viele Troubles, inklusive dem Vorwurf, die SPÖ habe unzulässige Parteispenden bekommen.

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Das Attersee-Europacamp der Sozialistischen Jugend (SJ) beschäftigt die Gerichte seit Jahren. Es geht um die Frage, ob die preisgünstige Vermietung der Grundstücke durch das Land Oberösterreich eine illegale Parteispende darstellt. Die Sache ist kompliziert, denn es gibt verschiedene Grundstücke; jenes am See wurde dem Land in den 1950ern von der jüdischen und einst enteigneten Eigentümerin unter der Bedingung verkauft, es um einen bloßen Anerkennungszins an die SJ zu verpachten.

Rechnungshof und Unabhängiger Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt konstatierten eine unzulässige Parteispende, die SPÖ wurde zu einer Geldbuße von je 45.000 Euro für 2017 bis 2019 verdonnert. Sie beschwerte sich dagegen beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) – und der dortige Richtersenat gab dem UPTS recht. Der daraufhin von der SPÖ angerufene Verwaltungsgerichtshof entschied 2022 aber, dass die Vermietung des oben erwähnten Seegrundstücks keine Parteispende darstelle. Und kippte die Buße von 45.000 Euro für 2017.

ÖVP-naher Jurist im Senat

Nun ist wieder das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) am Zug – und da kam vor kurzem eine neue Facette dazu. Denn im Dreiersenat zur SPÖ-Causa saß bis vor kurzem Michael Sachs als beisitzender Richter. Er ist Vizepräsident und Interimschef des Gerichts. Die Leitung des BVwG ist ja seit geraumer Zeit unbesetzt, weil sich ÖVP und Grüne nicht einigen können. Zugespitzt gesagt legt sich die ÖVP gegen die Erstgereihte Sabine Matejka quer, weil sich die Grünen gegen den Erstgereihten für die Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) querlegen. Der ist: Michael Sachs. Er war einst Kabinettschef bei Wirtschaftsminister Wolfgang Schüssel (ÖVP), hoher Beamter im ÖVP-geführten Wirtschaftsministerium und ist seit 2014 Vizepräsident des BVwG.

Nun hat der Rechtsanwalt der SPÖ, Michael Pilz, eine Befangenheit von Sachs ins Spiel gebracht. Die "aktive Fragestellung" des Richters habe ihn zu einer Internetrecherche über Sachs veranlasst, erklärt er in einem Schriftsatz ans Gericht. Sachs sei beinahe 15 Jahre in politischen Leitungsfunktionen für die ÖVP tätig gewesen, seine "politische Verankerung in der ÖVP" bestehe "ungebrochen fort", argumentiert er unter Bezug auf die umstrittene Besetzung in der BWB und auf Sachs’ Tätigkeit als Chef der ÖVP-eigenen Alpha Medien-Service GmbH zwischen 1997 und 2001.

"Auf einem Ticket der ÖVP"

Anwalt Pilz schreibt, dass im "Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Finanzierung der SPÖ" der vorgeschriebene "äußere Anschein der Unparteilichkeit nicht gewahrt werden" könne, wenn ein Ex-Kabinettschef und Verlagsleiter der ÖVP an der Entscheidung mitwirke. "Insbesondere, wenn im Zeitpunkt der Entscheidungsfindung der angesprochene Richter auf einem Ticket der ÖVP gegen den Willen des grünen Koalitionspartners eine neue Funktion erhalten soll."

Es könne vermutet werden, dass "der befangene Richter die (politische) Unterstützung für seine Bewerbung keinesfalls verlieren will und deshalb nicht in der Lage ist, eine hochpolitische (!) Rechtssache unbefangen zu entscheiden". Sachs, so der Antrag, möge daher nicht an dieser Entscheidung mitwirken. Nota bene: Sachs müsste sich selbst aus dem Spiel nehmen, wenn der Anschein der Befangenheit besteht. Ein Ablehnungsrecht der Parteien gibt es vor dem BVwG nicht.

Neue Richterin im Senat

Tatsächlich sitzt Sachs inzwischen nicht mehr im Senat und wird über die SPÖ-Causa auch nicht entscheiden. Als befangen erklärt hat er sich aber auch nicht. Wie kam es dann also zum Rückzug des Vizepräsidenten aus dem Senat? Bei der jüngsten Verhandlung Mitte April war er verhindert, daher sprang eine Richterin für ihn ein, so wie das vorgesehen ist. Gemäß BVwG-Regeln bedeutet das aber auch, dass diese Ersatzrichterin auch weiterhin zuständig bleibt, auch bei der Entscheidung über die SPÖ-Causa. Gemäß neuer BVwG-Geschäftsverteilung ist Sachs in keinem Senat mehr tätig.

Das Bundesverwaltungsgericht gibt keine Stellungnahme zu der Angelegenheit ab, zu laufenden Verfahren äußere man sich nicht, erklärt der Sprecher des Gerichts. (Renate Graber, 19.5.2023)