Seit Anfang Mai streiken tausende Mitglieder der Writers Guild of America (WGA) für mehr Gehalt und eine Absicherung gegen künstliche Intelligenz.

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In Hollywood geistert das Schreckgespenst der Robokalypse. Die Angst ist diesmal keine Fiktion, die auf die Leinwand projiziert wird, sondern sehr real: Drehbuchautoren fürchten, dass sie ihre Jobs an KI-Systeme verlieren, wenn künftig Skripte von Computern geschrieben werden. Vor wenigen Tagen traten 11.000 Mitglieder der Writers Guild of America (WGA) in den Streik – zum ersten Mal seit 15 Jahren. Die Gewerkschaft fordert nicht nur eine bessere Bezahlung für Autorinnen und Autoren, sondern auch eine Beschränkung von KI bei Kreativprojekten.

Die Sorge ist nicht unbegründet: Bereits 2016 kam der Kurzfilm Sunspring heraus, dessen Skript von einer KI geschrieben wurde. Das Projekt wurde seinerzeit belächelt, die Kritiken waren nur deshalb wohlwollend, weil der Film experimentellen Charakter hatte, sonst aber ziemlich logikbefreit war. Damals war die Technik noch rudimentär. Heute gibt es hochleistungsfähige Sprachmodelle wie ChatGPT, mit denen jeder zum Drehbuchautor werden kann.

Millionen Jobs in Gefahr

Laut einer Studie von Goldman Sachs sind durch generative KI weltweit 300 Millionen Vollzeitarbeitsplätze gefährdet. Natürlich müssen Drehbuchautorinnen oder Schriftsteller nicht fürchten, dass ihnen die KI von heute auf morgen die Jobs wegnimmt. Computer werden so schnell keine neue Bridgerton-Romanreihe schreiben und auf den Bestsellerlisten stehen. Doch mit generativer KI ist es möglich, seriell mittelmäßige Drehbücher und Romanvorlagen zu schreiben und damit Low-Cost-Produktionen zu realisieren, mit denen Verlagsprogramme oder Streamingdienste bestückt werden können. Die Angst vor der maschinellen Billigkonkurrenz hat nun den Aufstand der Creative Class in Hollywood provoziert.

An der Filmbranche hängen ja nicht nur Drehbuchautoren, sondern auch Synchronsprecherinnen. Auch die könnten bald überflüssig werden, wenn sich mithilfe von KI Stimmen klonen lassen. Im Internet gibt es Stimmgeneratoren, mit denen sich Texte mit der gewünschten Podcaster- oder Autorenstimme vertonen lassen; Softwareschmieden bieten ganze Kataloge von KI-Charakteren an, die sich nach dem Baukastenprinzip in vorgefertigte Video-Templates wie Nachrichtensendungen oder Produktpräsentationen einfügen lassen. Kunden müssen nur ein Skript schreiben, dann wird der Text von einem Avatar in der gewünschten Sprache eingesprochen. Warum Menschen engagieren, wenn es KI gibt?

Disruption am Markt

Einer der ersten Kreativschaffenden, die durch KI ihren Job verloren haben, ist Alejandro Graue. Der argentinische Schauspieler und Synchronsprecher arbeitete an verschiedenen Projekten, unter anderem als spanische Stimme für einen Youtube-Kanal mit Millionen Abonnenten. Als er eines Tages ein Video abrief, musste er zu seinem Entsetzen feststellen, dass die Stimme von einer KI synthetisiert worden war. "Es war eine automatisierte Stimme, sie hatte kein Volumen, keine Nuancen, keinen Rhythmus. Die Aussprache war völlig mechanisch", erzählte er dem Sender Euronews. Als er die Produktionsfirma kontaktierte, wurde ihm schriftlich mitgeteilt, dass man ihn als Synchronsprecher nicht mehr benötige.

In China verlieren gerade reihenweise Illustratoren ihre Jobs, weil Computerspielentwickler Avatare und Werbematerial mithilfe von Bildgeneratoren gestalten. Das geht schneller und ist billiger. Auch die Musikindustrie erlebt eine Disruption, die den Markt ähnlich wie das Aufkommen von Internet-Tauschbörsen in den 1990er-Jahren durcheinanderwirbeln könnte. So ließ der chinesische Streamingdienst Tencent Music 1000 Songs von einer KI einsingen. Massenware von der Stange, die beim Publikum gut ankam: Ein Track wurde mehr als 100 Millionen Mal gestreamt. Studio? Tontechnikerinnen? Musiker? Kann man sich alles sparen!

Virtuelle Influencer

Für Fotoshootings braucht es nun weder Studio noch Menschen – Models und Influencer lassen sich mit ein paar Mausklicks am Computer designen. Größe, Haarfarbe, Taille, das lässt sich alles konfigurieren, wie ein Neuwagen im Autohaus. Der amerikanische Jeans-Hersteller Levi Strauss (Levi’s) wirbt für eine Kampagne mit einem computergenerierten Avatar, der nach einer afrikanischen Frau modelliert ist. Man wollte damit die "Anzahl und Vielfalt unserer Modelle für unsere Produkte nachhaltig steigern", teilte der Konzern mit.

Die virtuelle Influencerin Lil Miquela (rechts im Bild) posiert mit der spanischen Sängerin Rosalia.

Mit Lil Miquela gibt es bereits ein erfolgreiches Computermodel. Der Avatar, der von seinen Entwicklern als brasilianisch-spanisches Model mit Sommersprossen und frecher Zahnlücke designt wurde und auf Instagram 2,8 Millionen Follower hat, wurde bereits für Kampagnen von Modelabels wie Dior und Calvin Klein gebucht. Eine virtuelle Influencerin hat einige Vorteile: Sie wird nicht müde, hat keine Launen und altert nicht. Das Showbusiness war zwar schon immer hart, aber durch künstliche Intelligenz könnte das Geschäft noch ein bisschen härter werden. (Adrian Lobe, 22.5.2023)