Steigende Zinssätze und teils sinkende Inflationsraten gehören auf dem Kunstmarkt und in der Luxusbranche global gesehen nicht zu den schlechtesten Bedingungen. Umso größer war die Überraschung in der Branche, als ausgerechnet die Kaliber aus der Juwelensammlung Heidi Hortens teils deutlich unter den von Christie’s veranschlagten Schätzwerten in Genf den Besitzer wechselten. Lag es an der "Nazi-Wolke", im Rahmen derer Helmut Hortens Rolle als NS-Profiteur und die damit verbundene Grundlage seines späteren Milliardenvermögens Gegenstand internationaler Berichterstattung wurde?

Heidi Horten am Steuer der 1971 erbauten "Carinthia VI", die damals als Ikone des Yachtdesigns galt. Kurz zuvor war die "Carinthia V" bei ihrer Jungfernfahrt vor einer griechischen Insel auf ein Riff gelaufen und gesunken.
Foto: Archiv Heidi Horten Collection

Eine Theorie, die kaum verifizierbar ist. Anders als die erwiesene Kritik am Auktionshaus, dem mangelnde Transparenz im Umgang mit dem Thema vorgeworfen wurde. Auch dann noch, als man die Gemüter mit der Ankündigung einer nennenswerten Spende für die Holocaustforschung zu beruhigen versuchte. Für Christie’s ist das eher desaströs, für das Image sowieso, aber auch geschäftlich.

Hosen runter

Denn für prominente Sammlungen, wie jene der vergangenes Jahr verstorbenen Milliardärin, lässt man in den Chefetagen bekanntlich die Hosen runter. Der Einbringer bekommt in solchen Fällen nicht nur den vollen Hammerpreis, sondern zusätzlich auch einen Anteil an der sonst vom Käufer eingehobenen Gebühr. In der Regel liegt dieser "erweiterte Zuschlag" bei vier bis sieben Prozent der Käufergebühr: Bei Christie’s liegt diese zwischen 15 Prozent für Hammerpreise über sechs Millionen Schweizer Franken (CHF) und 26 Prozent (bis zu 900.000 CHF).

Wie hoch der Reinerlös für die 2020 von Heidi Horten gegründete HGH-Vermögen-Stiftung (Vaduz) ausfällt, ist unbekannt. Für Christie’s könnte der Deal womöglich ein Minus beschert haben: aufgrund der hohen Kosten für Marketing, Versicherung und Sicherheitstransporte; oder der für die Edelsteine notwendigen neuen Zertifikate, für die bis zu 5.000 Euro je Schmuckstück angefallen sein könnten.

Dürftige Kommunikation

Die größte Enttäuschung bescherte die Diamantkette mit dem 90,36-karätigen "Briolette of India", die Horten auf dem in der Werbekampagne eingesetzten Porträtfoto trug: Mit brutto 4,88 Millionen Schweizer Franken blieb das Schmuckstück des Luxusjuweliers Harry Winston weit von dem im Vorfeld mit neun bis 14 Millionen CHF netto (exkl. Aufgeld) bezifferten Schätzwert entfernt. Den höchsten Zuschlag der ersten Auktionssause notierte man mit 13,05 Millionen CHF für den auf bis zu 18 Millionen CHF moderat taxierten Ring mit dem "Sunrise Ruby" (25,59 ct).

Für die Diamantkette mit dem 90,36-Karäter gabs "nur" 4,88 Mio. CHF statt der erhofften 9 bis 14 Mio. CHF
Foto: Heidi Horten Foundation

Als Christie’s Montagabend den Umsatz aus den ersten drei Sales bekanntgab (Verkaufsquote 98 Prozent), tat man das in einer irritierend dürftigen Weise: ohne die übliche Benennung erzielter Höchstwerte, ohne Expertenstatements. Vor allem ohne den Hinweis, dass man mit der im Umfang größten und auch wertvollsten privaten Juwelensammlung, die bislang je auf den Markt kam, mit umgerechnet 202 Millionen Dollar (179,94 Millionen CHF) soeben Rekordgeschichte geschrieben hat. Eine Zurückhaltung der vielsagenden Art.

Einkaufswert einst über einer Milliarde Euro

Zum besseren Verständnis: Der Einkaufswert der insgesamt 700 Schmuckstücke umfassenden Horten-Kollektion, von der im Herbst eine abschließende Tranche bei Christie’s versteigert wird, soll in Summe bei über einer Milliarde Euro gelegen sein.

Die Insignien der mondänen Lebenswelt Heidi Hortens werden jetzt allesamt verwertet. Die Immobilien, darunter das Penthouse am Hohen Markt in Wien oder die 1958 erworbene Villa Dubeau an der Côte d’Azur in Antibes, die in der angelaufenen Ausstellung im Museum (Rendez-vous, bis 29. Oktober) Thema ist, sind Vermögenswerte der vom ersten Ehemann Helmut Horten in den 1970er-Jahren gegründeten Stiftung.

Heidi Hortens Handtaschen-Kollektion

Dazu gehörte auch die fast 100 Meter lange Megayacht Carinthia VII, die im Herbst 2022 einen vorerst unbekannten Käufer fand: für "nur" 95 Millionen statt der ursprünglich erhofften 160 Millionen Euro. Sämtliches andere bewegliche Vermögen fiel der HGH-Vermögen-Stiftung zu. Abgesehen von der Kunstsammlung werden sämtliche Fahrnisse schrittweise verkauft. Die Erlöse fließen in die "gemeinnützige" Stiftung, die damit medizinische Forschung, Förderung von Projekten des Kindeswohls und den Betrieb und Fortbestand des Museums zu finanzieren gedenkt.

Unter den Hammer soll etwa auch der Jagdschmuck der einst passionierten Jägerin kommen, ebenso all das Mobiliar und Kunsthandwerk, das nicht für den Museums- bzw. Ausstellungsbetrieb vorgesehen ist, mit dem einst ihre Wohnsitze ausgestattet waren. Nicht zu vergessen die Heerscharen an Handtaschen von Chanel oder die Kelly-Bags in unzähligen Farben von Hermès. Dem Vernehmen nach soll dafür ein österreichisches Auktionshaus zum Zug kommen: "Das Dorotheum plant keinerlei Heidi-Horten-Auktion", mehr war von dort derzeit nicht in Erfahrung zu bringen. (Olga Kronsteiner, 20.5.2023)