Was machen mit altem Gewand, das man selbst nicht mehr trägt? Am besten spenden und nach Afrika schicken – das fühlt sich richtig an, und die Kleidung bekommt ein zweites Leben. Diesen Ansatz gibt es in Europa seit Jahrzehnten, er ist gut gemeint, doch mittlerweile ersticken manche Länder förmlich unter den Tonnen alter Textilien. Tagtäglich kommt neues altes Gewand an, die Belastung für Mensch und Umwelt wächst und wächst. Und was nicht unbedingt im erstem Moment klar ist: Vor allem durch billige und kurzlebige Textilien, sogenannte Fast Fashion, nimmt die Plastikverschmutzung zu.

Ein Blick nach Ghana veranschaulicht das Problem sehr deutlich. Der westafrikanische Staat gehört zu den größten Importeuren von Altkleidung weltweit, dort verschwinden ganze Landstriche unter Deponien mit synthetischem Textilmüll, der sowohl Flüsse als auch Ozeane verschmutzt und sich zu Mikroplastik zersetzt. Anwohner solcher Deponien leiden unter gesundheitlichen Beschwerden, Kopfschmerzen gehören zum Alltag. Dazu kommt beißender Gestank.

Auf dem Kantamanto-Markt in Ghana kommt täglich tonnenweise Altkleidung an – schon lange nicht mehr zur Freude aller. Zwar leben zahllose Menschen vom Geschäft mit den gebrauchten Waren, doch die Belastung für Gesundheit und Umwelt steigt ständig.
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19.000 Kleidungsstücke sortiert

Der Kantamanto-Markt in Ghanas Hauptstadt Accra gilt als einer der Hauptumschlagplätze für Waren aus Europa, Asien und Nordamerika. Die Kleidung stammt größtenteils aus Altkleidercontainern und wird von gewerblichen Recyclern nach Afrika gebracht. Zwischen einem und drei Euro kosten etwa T-Shirts, Röcke, Hosen und vieles mehr. Eine Woche lang hat die Umweltorganisation Greenpeace auf dem Markt 4,6 Tonnen Textilien sortiert, dabei 19.000 unbrauchbare Kleidungsstücke gesammelt und für eine Auswertung nach Hamburg gebracht. Infrarot-Analysen würden zeigen, dass über 96 Prozent der Textilien aus synthetischen Fasern bestehen. Damit sei belegt, dass Textilien in Ländern wie Ghana die Plastikvermüllung massiv erhöhen.

Vor allem biologisch nicht abbaubares Polyester kommt bei den Fasern zum Einsatz, die Zersetzung dauert Jahrhunderte. Oft verbrennen die Menschen vor Ort das Gewand, um einen Teil der Mengen loszuwerden. Dabei werden Giftstoffe und Mikroplastikfasern freigesetzt. Für rund ein Zehntel der globalen Treibhausgasemissionen ist mittlerweile die Modeindustrie verantwortlich. Zudem gehört sie durch die Produktion zu den größten Wasserverschmutzern.

"Kleidung ist durch die Fast-Fashion-Industrie zum Wegwerfartikel geworden. Sie wird kurz getragen, nicht recycelt und oft einfach als Plastikmüll nach Ghana oder andere Länder verschifft", sagt Lisa Panhuber, Kreislaufwirtschaftsexpertin bei Greenpeace Österreich. Greenpeace fordert, dass die EU-Textilstrategie rasch umgesetzt wird und dafür sorgt, dass Kleidung langlebig und reparierbar ist und Unternehmen Verantwortung für umweltfreundliche Produktion und Entsorgung übernehmen müssen.

Greenpeace machte zum Auftakt der Berlin Fashion Week mit einem großen Transparent vor dem Brandenburger Tor darauf aufmerksam, was die NGO von dem zunehmenden Altkleideraufkommen hält: Gar nicht mal so viel.
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Im Jahr 2022 wurde laut der EU-Umweltagentur EEA Altkleidung im Wert von über einer Milliarde Dollar aus der EU nach Afrika transportiert. Und es wird mehr. EEA-Daten zeigen, dass im Jahr 2000 noch rund 550.000 Tonnen exportiert wurden, 2019 waren es dann schon 1,7 Millionen Tonnen. Fast Fashion dürfte einer der Mitgründe dafür sein. Wie viel davon tatsächlich noch brauchbar ist, ist schwer zu sagen. Greenpeace spricht davon, dass etwa 30 bis 40 Prozent nicht verwendet werden können. Quoten gibt es jedenfalls keine – sprich, es kann so viel exportiert werden, wie die etwaigen Länder bereit sind, an alter Kleidung aufzunehmen.

Verbotene Importe

So wie Ghana geht bzw. ging es vielen anderen afrikanischen Ländern auch. Doch nicht alle wollen das akzeptieren. Das ostafrikanische Ruanda etwa hat den Import von Secondhandkleidung 2019 verboten. Kenia, Uganda und Tansania hatten das eigentlich auch vor, sind dann auf Druck der USA aber doch eingeknickt – in Washington wollte man den Exportsektor für gebrauchte Waren schützen und setzte die Länder unter Druck, sie aus dem Agoa-Handelsabkommen zu schmeißen, das zollfreien Zugang zum US-Markt ermöglicht. Uganda hat vergangenes Jahr dann aber doch die Importe untersagt.

Was passiert in der EU? Der Staatenbund verhandelt aktuell eine Textilstrategie und darin die erweiterte Herstellerverantwortung für Textilien, die auf dem Verursacherprinzip basiert. Alte Kleidung soll also so gut wie möglich wiederverwertet oder recycelt werden. Greenpeace hält die aktuellen Entwürfe für zu schwach. Unternehmen sollten für die Beseitigung von Umwelt- und Gesundheitsschäden in der gesamten Wertschöpfungskette haften und Schäden vermeiden. (Andreas Danzer, 7.2.2024)