Peter Schröcksnadel "Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM". Ähnlich habe es sich mit der "Me Too"-Debatte und Missbrauchs-Vorwürfen zu für den ÖSV besonders ungünstigen Zeitpunkten verhalten.

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6. September 2017: Stefan Denifl feiert in Los Machucos seinen größten Erfolg: Triumph auf der 17. Etappe der Vuelta a España.

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Hunderte Sportler sollen ein in München in Untersuchungshaft sitzender Erfurter Arzt und dessen Komplizen in den vergangenen Jahren illegal gestärkt haben. Aus Österreich zählten jedenfalls nicht nur die beiden im Zuge der "Operation Aderlass" am vergangenen Mittwoch während der nordischen WM in Seefeld festgenommenen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf zum Kundenkreis. Am Sonntag bestätigte die Staatsanwaltschaft Innsbruck einen Bericht der Krone über die zwei Tage zuvor erfolgte Festnahme eines österreichischen Radprofis. Der Name des Sportlers wurde zumindest nicht dementiert. Es handelte sich demnach um Stefan Denifl. Der 31-jährige Tiroler gestand Blutdoping ein und wurde wieder auf freien Fuß gesetzt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Ominöses Pech

Der Stubaier Bergspezialist hatte 2017 für das irischen Team Aqua Blue Sport die Österreich-Rundfahrt und die 17. Etappe der Vuelta a España gewonnen. In der folgenden Saison konnte er an diese Leistungen nicht anschließen. Ein ominöser Trainingssturz – Zeugen für den Vorfall gab es offenbar keine, nur Bilder der derangierten Ausrüstung Denifls, der sich an den genauen Hergang nicht erinnern wollte – verhindert wenige Tage vor dem Start seine Titelverteidigung bei der Ö-Tour. Für die Heim-WM in Tirol wurde Denifl mangels Resultaten nicht nominiert, was der Profi lautstark beklagte. Ein Vertrag mit dem polnischen CCC Team wurde nach wenigen Wochen wieder aufgelöst – angeblich auf Wunsch von Denifl aus privaten Gründen.

Das Auffliegen weiterer österreichischer Doper in den nächsten Tagen hielt Vincenz Kriegs-Au, der Sprecher des ermittelnden Bundeskriminalamts, für eher unwahrscheinlich. Es sei bei den Razzien sehr viel Beweismaterial sichergestellt worden, das ausgewertet werden müsse. "Wir brauchen noch ein bisschen Zeit."Bei der für alle deutschen Dopingbelange zuständigen Münchner Staatsanwaltschaft I wird davon ausgegangen, dass der inhaftierte Sportmediziner bereits seit bald zwei Jahrzehnten im Dopinggeschäft ist. Kai Gräber, der Leiter der Schwerpunktstaatsanwaltschaft, nimmt an, dass der Arzt an seinen Diensten zwischen acht- und fünfzehntausend Euro pro Athlet und Saison verdient habe. "Das war ein all-inclusive-Paket." Wie Denifl in den Genuss des Pakets kam, ist offen. Ein Bericht des ÖSV-Geschäftspartners Krone, dass Johannes Dürr als Vermittler gewirkt habe, bestätigte die Innsbrucker Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht.

Verschwörung und Sabotage

So oder so sieht Peter Schröcksnadel seinen Skiverband als Opfer einer Verschwörergruppe, die den ÖSV in Misskredit bringen und dessen Veranstaltungen quasi sabotieren wolle. "Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM", sagte der 77-Jährige. Ähnlich habe es sich mit der "Me Too"-Debatte und Missbrauchs-Vorwürfen zu für den ÖSV besonders ungünstigen Zeitpunkten verhalten. "Man muss nachdenken, ob es nicht eine Gruppe gibt, die uns schaden will", sagte Schröcksnadel dem Geschäftspartner ORF.

Zudem behauptete Schröcksnadel, aus sicherer Quelle zu wissen, dass Johannes Dürr nicht nur Zeuge, sondern mutmaßlich auch Dopingvermittler gewesen sein soll. Der ehemalige Langläufer, der in einer kurz vor der WM ausgestrahlten ARD-Dokumentation seine Dopinggeschichte erzählt hatte, habe das Duo Hauke und Baldauf an den deutschen Mediziner vermittelt. Dürr selbst bestreitet, bei den Behörden die Namen seiner beiden Ex-Kollegen genannt zu haben. Der scheidende Langlauf-Spartenchef Markus Gandler forderte von Dürr in der Ö3-Sendung "Frühstück bei mir" eine Entschuldigung für die Behauptung, dass ihn ein ÖSV-Betreuer beim Doping unterstützt habe. Gandler drohte mit Klage.

Schröcksnadel, der auch die im STANDARD von Marathon-Organisator Wolfgang Konrad erhobenen Vorwürfe ("Saustall") zurückwies, gerät unterdessen auch von anderer Seite unter Druck. "Die Übernahme von persönlicher Führungsverantwortung im ÖSV für das langjährige systematische Scheitern im Kampf gegen Doping ist geboten", ließ Alexander Labak, der Generaldirektor der Österreichischen Lotterien in einer Aussendung wissen. Es mache betroffen, dass seitens des ÖSV über Jahre hinweg kein wirkungsvoller Mechanismus zur Verhinderung von Doping entwickelt und keine interne Kultur etabliert werden konnte, die derartige betrügerische Vorgänge unmöglich mache. Die Lotterien tragen über die im Glücksspielgesetz verankerte Sportförderung wesentlich zur Finanzierung des Sports bei.

Olympier schweigen

Labaks Vorgänger im Amt, Karl Stoss, findet dagegen weiter keine klaren Worte. Man bekenne sich zum Schutz sauberer Athleten, aber "zu laufenden Ermittlungen nehmen wir nicht Stellung", teilte der Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC) auf APA-Anfrage mit. (Sigi Lützow, 3.3.2019)