Die Pädagoginnen Elisabeth Gotsmy-Kraft und Christina Köhler sprechen sich im Gastkommentar für eine sachliche Debatte über die Schulschließungen aus und machen Vorschläge für einen weitgehend normalen Schulalltag.

Ab Dienstag gilt auch an den Pflichtschulen wieder Distance-Learning. Ganz geschlossen werden die Schulen jedoch nicht, eine Betreuung von Kindern wird weiterhin gewährleistet.
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Für die nächsten Wochen ist die schon tagelang von Gerüchten angekündigte Entscheidung gefallen: Alle Schulen werden auf Homeschooling umgestellt, da die Infektionszahlen stark gestiegen sind. Oberstes Ziel für alle muss es daher sein, einen Zusammenbruch des Gesundheitssystems zu vermeiden. Das ist offenkundig.

Doch die Frage, ob alle gesetzten Maßnahmen alternativlos waren, ist ebenso legitim wie die Frage, welche Maßnahmen vorausschauend für die Zeit nach dem Lockdown erforderlich sind. Das ist vor allem für den Bildungssektor relevant. Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, den Schulbetrieb auf Homeschooling umzustellen, sobald die Infektionszahlen nach oben gehen.

Diskussionen rund um das Thema Schule sind emotionsgeladen und werden nicht abreißen. Mediziner, Eltern, Arbeitgeber und Wirtschaftstreibende machen ihre Standpunkte klar. Vielen ihrer Argumente kann man durchaus etwas abgewinnen. Die nicht enden wollenden, oftmals hitzigen Diskussionen verstärken allerdings die Aggressionen auf allen Seiten. Jeder pocht auf sein Recht und teilt in "richtig" und "falsch" ein. Für die Schülerinnen und Schüler, die Hauptbetroffenen, erhebt jedoch offenbar niemand die Stimme. Und dies, obwohl es um ihre Zukunft geht.

Erhebliche Lerndefizite

Die Realität der letzten Monate und des letzten Lockdowns haben uns eindeutig vor Augen geführt, dass Homeschooling erhebliche Lerndefizite mit sich bringt. Vielen Kindern und Jugendlichen fehlt letztendlich ein halbes Semester. Die Gründe dafür sind vielfältig, das Ergebnis aber eindeutig: In fast jeder Klasse sitzen Schüler und Schülerinnen, die diese Defizite in das laufende Schuljahr mitgenommen haben. Das Aufholen des fehlenden Stoffs zusätzlich zur Bearbeitung neuer Stoffgebiete ist in Anbetracht der vielen Fehlstunden, die sich durch die schleichende Angst vor Corona ansammeln, ein gewaltiger Kraftakt. Eine erneute Umstellung auf Homeschooling verstärkt dieses Problem drastisch.

Es ist also Zeit, hier als Experten und Expertinnen auch die Lehrer und Lehrerinnen hinzuzuziehen, um Strategien und Lösungen zu erarbeiten. Die Bildungsschere darf nicht weiter auseinanderklaffen. Wir können mit geeigneten Maßnahmen einen weitgehend normalen Schulalltag aufrechterhalten. Diese liegen auf der Hand:

  • Kleinere Gruppen durch Klassenteilungen.
  • Heranziehen von zusätzlichem Lehrpersonal, zum Beispiel Lehramtsstudierenden, um diese geteilten Gruppen gleichzeitig entsprechend betreuen zu können.
  • Gestaffelter Unterrichtsbeginn.
  • Wenn erforderlich, Ausweitung des Unterrichts auf den Nachmittag.
  • Räumlichkeiten anmieten, um für den Onlineunterricht Kapazitäten zu schaffen, wenn Klassenräume für geteilte Klassen gebraucht werden.
  • Erforderliche Arbeitsplatzkapazitäten für Lehrer und Lehrerinnen schaffen, damit diese über die nötigen IT-Geräte und Schreibtische verfügen, um zwischendurch Vorbereitungs- und Korrekturarbeiten in der Schule erledigen zu können.
  • Entsprechende Ausstattung des Lehrpersonals und der Schüler und Schülerinnen mit elektronischen Geräten.
  • Laufende Ausstattung der Lehrer und Lehrerinnen mit FFP2-Masken – diese sind versprochen worden, aber noch immer nicht flächendeckend angekommen.
  • Verpflichtendes Tragen einer Schutzmaske während des Unterrichts.

Fest steht: Das Thema der Umstellung auf Homeschooling und die damit verbundenen Konsequenzen müssen emotionsfrei und lösungsorientiert behandelt werden. Pädagoginnen und Pädagogen, Direktoren und Direktorinnen gehören einbezogen. Da der Status quo die herkömmlichen Kapazitäten überspannt und viele Maßnahmen einen erheblichen organisatorischen Mehraufwand für Direktion und Administration bedeuten, wäre Unterstützungspersonal, das bürokratische Aufgaben, wie zum Beispiel Telefonate mit der Hotline 1450 oder dem Gesundheitsamt, Erhebungen zu K1-Personen, übernimmt, ein Gebot der Stunde.

Mehr investieren

Die Umsetzung der Maßnahmen setzt also nicht nur vorausschauende Planung und die Berücksichtigung des schulischen Alltags, sondern auch Ausgaben voraus: Will ein reiches Land wie Österreich tatsächlich vermeiden, in die Bildung unserer Kinder und Jugendlichen zu investieren, obwohl deren Ausbildung die Zukunft unseres Landes sichern wird? Diese Investitionen in die Zukunft Österreichs und in unsere Kinder und Jugendlichen, um die es vorrangig gehen muss, sind unumgänglich!

Polarisieren lenkt von sinnvollen Lösungsstrategien ab. Auch die typisch österreichische Suche nach dem Schuldigen ist hier fehl am Platz. Einzig und allein praxistaugliche und zukunftsorientierte Lösungen sind von Relevanz. Besinnen wir uns also auf das Wesentliche und agieren wir im Interesse der Schüler und Schülerinnen. (Elisabeth Gotsmy-Kraft, Christina Köhler, 16.11.2020)